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«Ich kann nicht einfach ruhig herumsitzen»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Autor: Michel Spicher

Ursula Schwaller, Sie sind als Doppelweltmeisterin nach Kanada gereist und sind am Dienstag als Doppel-Doppelweltmeisterin zurückgekehrt. Haben Sie schon richtig realisiert, was Sie da geschafft haben?

Es kommt langsam. Die letzten Tage in Kanada waren sehr hektisch mit der Rückreise, dem ganzen Material und allem Drum und Dran, so dass ich noch gar nicht Zeit hatte, mir darüber richtig Gedanken zu machen. Zudem bin ich immer noch etwas müde vom Jetlag und den Rennen.

Welchen Wert haben Medaillen für Sie?

Ich sehe sie als Anerkennung für meine erbrachten Leistungen, als Lohn für die ganzen Mühen und Strapazen, die ich auf mich genommen habe, um Weltmeisterin zu werden. Der Wert ist allerdings nur symbolischer Natur, materiell sind die Medaillen lediglich ein paar Franken wert.

Waren Ihre ersten Medaillen in Italien oder die zweiten in Kanada schwieriger zu holen?

Die zweiten! Es ist immer schwieriger, einen Titel zu verteidigen, weil der Druck grösser ist. In Kanada wurde ich von der Konkurrenz beobachtet und konnte nirgends inkognito hingehen. Beim Rennen setzten sich gleich alle an meine Fersen, ich war die Gejagte, und nicht mehr die Jägerin. Hinzu kommt, dass heute immer mehr Profis an den Start gehen und die Abstände zwischen den Fahrern immer kleiner werden.

Welchen Trainingsaufwand muss man betreiben, will man Handbike-Weltmeisterin werden?

Aufwand und Trainingsform variieren sehr stark. Alles in allem lege ich pro Jahr ungefähr 10 000 bis 12 000 km zurück. Wöchentlich trainiere ich ungefähr 10 bis 25 Stunden, je nach Trainings- und Wettkampfperiode.

In Kanada waren Sie auf einem ultramodernen Carbon-Bike unterwegs. Der technische Fortschritt macht auch vor Ihnen nicht halt …

Vor allem bei der Entwicklung der Bikes hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Es wird um jedes Gramm gekämpft. Mein Bike wiegt noch knapp zwölf Kilogramm, kostet dafür 15 000 Franken. Das ist ein beachtlicher finanzieller Aufwand, den ich erbringen muss. Dies ist mir nur dank meiner Sponsoren möglich, die mir grosszügig unter die Arme greifen. Überhaupt spüre ich in der ganzen Region und der Bevölkerung eine grosse Unterstützung.

Ist Doping auch in Ihrem Sport ein Thema?

Ja, leider. Auch die Behindertensportler sind keine Engel. Ich würde für niemanden die Hand ins Feuer legen.

Deswegen führt Antidoping Schweiz auch bei uns Kontrollen durch. Ich muss den Kontrolleuren immer drei Monate im Voraus sagen, wo ich mich zwischen 6 und 20 Uhr aufhalte, damit sie jederzeit bei mir für eine unangemeldete Kontrolle vorbeikommen können. Was unerlaubt ist, kommt bei mir aber nicht in Frage. Doping ist genauso ungerecht und unfair, wie wenn jemand im Rennen eine Abkürzung nimmt.

Sie gelten als Vorzeige-Athletin des Behindertensports, sind sehr erfolgreich und wurden 2009 gar zur Rad-sportlerin des Jahres gewählt. Wie fühlen Sie sich in dieser Vorbild-Rolle?

Ich musste erst lernen, Weltmeisterin zu sein. Plötzlich wird man beobachtet und muss sich immer zweimal überlegen, was man sagt und tut. Ich musste mich daran gewöhnen, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen, denn eigentlich bin ich nicht der Typ dafür.

Es hat aber auch sehr schöne Seiten. Wenn ich mit dem Rad auf der Strasse unterwegs bin und mir die Leute zuwinken, ist das ein schönes Gefühl. Und wenn ich Leute motivieren kann, Sport zu machen und an ihre eigenen Grenzen zu gehen, macht das natürlich Freude.

Gibt es manchmal auch die andere Ursula Schwaller, jene, die mit ihrem Schicksal hadert und gerne auf ihren sportlichen Erfolg verzichten würde, wenn sie dafür ein Stück «Normalität» zurückbekommen könnte?

Was passiert ist, kann man nicht rückgängig machen. Mit meinem Unfall habe ich abgeschlossen. Klar ist Paraplegie kein «Schläck». Aber ich habe gelernt, damit umzugehen.

Wenn ich keine Paraplegie hätte, würde mein Leben ganz anders aussehen. Aber ich bin zufrieden, so wie es jetzt ist, und möchte es nicht anders haben. Ich kann mich privat, beruflich und sportlich verwirklichen. Jede Veränderung bietet eine neue Chance, man muss sie nur packen.

Welche Erinnerungen haben Sie noch an Ihren Unfall?

Es passierte am 8. Dezember 2002. Als 26-Jährige war ich mit meinem Freund Marcel Kaderli in der Nähe des Moléson auf einer Schneeschuhtour. Im steilen Gelände bin ich unglücklich ausgerutscht, stürzte acht Meter in die Tiefe und landete in einem Bachbett. Ich blieb nach dem Aufprall bei Bewusstsein, konnte meine Beine nicht mehr bewegen und wusste sofort, ich bin gelähmt.

Welche Rolle spielte der Sport bei Ihrer Genesung?

Nach dem Unfall versucht man, das Leben irgendwie weiterzuleben. Es gibt Sachen, die man nicht mehr machen kann, dafür sucht man sich andere. Mir war die Bewegung schon immer sehr wichtig, deshalb fasste ich noch auf der Intensivstation den Entschluss, später Handbike zu fahren. Spitzensport war aber anfangs nie meine Absicht, da bin ich vielmehr reingerutscht. Der Geschwindigkeitsrausch auf dem Bike hat mich gepackt und ich wollte sehen, was ich mit meinen Armen sonst noch alles machen kann. Es ist der Mensch, der sich die Grenzen setzt, nicht die Paraplegie.

Mit Ihren Armen fahren Sie inzwischen nicht nur Bike, sondern auch Kajak und Paraboat, im Winter sind Sie mit dem Monoski und den Langlaufskiern unterwegs. Demnächst wollen Sie es sogar mit Wasserski probieren …

Ich kann nicht einfach ruhig herumsitzen, ich muss immer etwas machen – am liebsten draussen. Ausser dem Langlauf, den ich im Winter zum Formaufbau betreibe, dienen mir die anderen Sportarten aber nur als Ausgleich zum Handbike. Ich brauche die Bewegung, daraus schöpfe ich meine Kraft und ich geniesse diese Momente sehr.

Das erklärt Ihr Lebensmotto «Kostbar sind die Gelegenheiten, und die Zeit ist ein scharfes Schwert» …

Das Zeitmanagement ist für mich als Paraplegikerin und Spitzensportlerin wichtig. Der Rollstuhl raubt mir pro Tag viel Zeit, weil bei mir alles etwas länger dauert; die Autotransfers, das Anziehen und viele andere alltägliche Sachen. Zudem muss ich als Spitzensportlerin einen grossen Teil meiner Freizeit dem Training opfern. Deshalb probiere ich, meine seltenen freien Momente bewusst zu leben und die wenigen Wettkämpfe, für die ich so intensiv trainiere, bewusst zu geniessen.

Welche Wettkämpfe und Projekte stehen bei Ihnen als nächstes an?

Am 26. September starte ich am Berlin-Marathon, dann folgt noch die Schweizer Strassenmeisterschaft. Nächstes Jahr finden in Dänemark die Weltmeisterschaften statt. Daran würde ich als Titelverteidigerin gerne teilnehmen. Und natürlich sind die Paralympics 2012 in London ein grosses Ziel von mir. Solange ich noch den Biss und die Freude verspüre, werde ich weitermachen.

Später möchte ich gerne einmal an längeren Rennen teilnehmen. Allerdings nur zum Plausch und nicht als Spitzensportlerin.

Die eigene Familie muss also vorläufig noch warten …

Vorläufig schon noch. Ich möchte aber unbedingt eines Tages mit meinem Freund eine Familie gründen.

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