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Den Sinn für das Scheitern fördern

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«Man hat ja immer den Erfolg als Vision, als Fokus vor sich, und wenn man es dann nicht schafft, dann stellt man sich selber sehr stark in Frage.»–«Dann mach ich mich kaputt. Weil du bist noch mehr unter Druck, du machst dir Sorgen, du machst dir Vorwürfe, du hast Zweifel, und, und, und.»–«So 2011 hat sich eine ziemlich starke, erste grössere Lebenskrise bei mir bemerkbar gemacht.»–Diese Aussagen stammen von drei Unternehmerinnen und Unternehmern, die in den Branchen Industrie, Restauration und Internet eine eigene Firma gegründet haben–und gescheitert sind.

Diese drei sind nicht die einzigen: Allein im Jahr 2014 wurden schweizweit 39 665 Start-ups gegründet. «Etwa ein Drittel geht in den ersten drei Jahren Konkurs, nach fünf Jahren sind es bereits 50 Prozent», sagt Thierry Volery, Direktor des Instituts für Klein- und Mittelunternehmen und Ordinarius für Entrepreneurship an der Universität St. Gallen, den FN. Volery und Fritz Oser, emeritierter Freiburger Professor für Pädagogik und Pädagogische Psychologie, haben gemeinsam eine dreiteilige Studie zum Scheitern in Angriff genommen; der zweite Teil ist nun abgeschlossen.

Oft ein Tabuthema

Im Jahr 2010 haben die beiden Professoren vom damaligen Bundesamt für Berufsbildung und Technologie–dem heutigen Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation–den Auftrag bekommen, in einer Studie zu prüfen, inwiefern es möglich ist, jungen Menschen, die eine Lehre machen, auch Entrepreneurship näherzubringen. «Wir haben mit den jungen Leuten während dreier Monate zum Thema Unternehmertum gearbeitet. Sie haben gelernt, wie man eine Geschäftsidee entwickelt, einen Businessplan erstellt, wie man eine Bedürfnis- und Konkurrenzanalyse macht, was Marketing ausmacht und welche rechtlichen Fragen es zu klären gibt. Ein Thema–das haben wir im Nachhinein gemerkt–kam jedoch nie zur Sprache: Das Scheitern», sagt Fritz Oser.

Schneller reagieren

Nicht nur in Entrepreneurship-Kursen, auch in der Forschung sei das Scheitern bisher kaum thematisiert worden, erklärt Oser. «Dabei stecken dahinter so viele tragische Schicksale. Und mit einer stärkeren Sensibilisierung könnte man einige Misserfolge verhindern–oder diese zumindest erträglicher machen.» Deshalb gaben Oser und Volery beim Bund ein dreistufiges Forschungsprojekt ein. In einem ersten Schritt haben sie mit acht erfolgreichen und acht gescheiterten Personen in jeweils ähnlichen Branchen Gespräche geführt, um die Gründe für Erfolg und Scheitern herauszufinden und die Auswirkungen von Letzterem zu bestimmen. Was den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmache, sei von Fall zu Fall verschieden. Zwar hätten auch erfolgreiche Unternehmer oft schwierige Zeiten durchgemacht, jedoch in kritischen Situationen schneller und besser reagiert, sagt Volery. Meist führten Liquiditätsprobleme zum Untergang einer Firma. «Es gibt aber auch Unternehmer, die merken, dass auf dem Markt kein Interesse für das Produkt besteht, oder solche, bei denen ein Streit im Team oder rechtliche Probleme zum Ende führen.»

Scheitern geht meist tief

«Die Auswirkungen des Scheiterns können sehr einschneidend sein», sagt Fritz Oser. Oft habe ein Misserfolg finanzielle Probleme zur Folge. «Die von den Eltern, Freunden oder der Bank geliehenen Summen sind weg. Was bleibt, sind Schulden, die es abzubezahlen gilt.» Ebenfalls komme es häufig zu Konflikten mit den Partnern, mit denen das Unternehmen gegründet wurde. Und schliesslich könnten das Scheitern und die darauffolgende Scham zu Beziehungsproblemen im Privatleben führen. «Es kommt immer wieder vor, dass sich auch der unbeteiligte Lebensgefährte nicht damit abfinden kann, dass der Partner gescheitert ist und viel Geld verloren hat.»

Misserfolge hätten nicht bei allen den gleichen Effekt und seien nicht immer negativ, stellt Fritz Oser klar (siehe auch Kasten). Doch sei es wichtig, die künftigen Unternehmer nicht nur mit handwerklichem Wissen und Optimismus auszustatten, sondern sie auch auf Schwierigkeiten vorzubereiten, sagt Volery.

Im zweiten Teil der Studie haben die beiden Wissenschaftler deshalb gemeinsam mit Tanja Obex, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Freiburg, und Susan Müller, Assistenzprofessorin für Entrepreneurship an der Universität St. Gallen, Messinstrumente für den «Sense of Success», den Sinn für den Erfolg, ebenso wie für den «Sense of Failure», also den Sinn für das Scheitern, entwickelt. «Wichtige Fragen dabei waren: Gibt es so etwas wie einen Sinn für das Scheitern, für die Situation, wenn es gefährlich wird? Was geht psychologisch in einer Person vor, wenn sie merkt, dass es so nicht weitergeht? Wann und wie läuten die Alarmglocken? Wie kann man so etwas messen?», sagt Oser. Davon ausgehend habe sich die zweite Frage gestellt: «Kann man diesen Sinn schulen und ausbilden, ohne dass man die Begeisterung für die Gründung eines Start-ups eindämmt oder zerstört?»

Um die Kompetenz des Scheiterns zu modellieren und zu messen und so Antworten zu finden, legten die Forscher sowohl erfolgreichen als auch gescheiterten Unternehmern einen komplexen Gründungsfall vor und fragten diese, wo es Probleme geben könnte.«Danach zeigten wir auf, wie das Ganze ins Wanken gerät, zum Beispiel wenn die Firma ihr Produkt nicht mehr verkaufen kann», so Oser. Mit verschiedenen Zusatzinformationen, etwa über die Wirtschaftslage oder über andere Firmen, die scheiterten, testeten die Wissenschaftler, ob die Person erkennt, welche der Informationen zuverlässig, brauchbar oder beides sind. Und schliesslich fragten sie die Person, wie sie das Problemlösen würde, und gewichteten und evaluierten den Lösungsvorschlag. «So entstand ein Instrument, das in der Tat zuverlässig ist und das Scheitern-Vermeiden von erfahrenen und weniger erfahrenen Gründern messen kann.»

Test im Feld

In einem dritten Teil der Studie möchten die Forscher testen, wie wirksam der Sinn für das Scheitern ist. Vorgesehen ist eine Interventionsstudie mit einer Experimental- und einer Kontrollgruppe. Letztere wird auf üblichem Weg ausgebildet, bei der ersteren wird zusätzlich der Sinn für das Scheitern geschärft. Schliesslich wird das Verhalten der Gruppen mit Beispielen getestet. «Wir erwarten, dass die erste Gruppe danach weniger Risiken eingeht, ein besseres Alarmsystem ausbildet, schneller reagiert–und damit weniger scheitert», sagt Oser. Und Volery ergänzt: «Uns ist klar, dass wir nicht jegliches Scheitern verhindern können. Aber durch das stärkere Bewusstsein für die Schwierigkeiten möchten wir erreichen, dass sich manche gar nicht erst selbstständig machen, dass andere schneller Massnahmen ergreifen können, um das Schlimmste zu verhindern, oder damit–falls dies nicht geht–zumindest die Konsequenzen nicht so dramatisch sind.»

Eine Rettung in letzter Minute könnte sich etwa so gestalten, wie bei Bierbrauern, deren Beispiel sich ebenfalls im Forschungsbericht findet: «Wir hatten einen guten Start und unser Bier wurde von vielen Restaurants bestellt. Aber dann kam eine schreckliche Zeit. Immer weniger Bestellungen lagen auf dem Tisch. Es musste etwas geschehen. Denn wir hatten so viel in die Herstellungs- und die Abfüllanlage investiert. Da geschah Folgendes: Ein Freund ging in ein Restaurant und bestellte ein Bier. Der Kellner nannte ihm verschiedene Marken. Unser Bier fehlte. Jetzt hatten wir den Schlüssel: Man muss auf die Tische im Restaurant eine Werbekarte stellen. Wir verteilten die Karten und lieferten jenen Restaurants, die sie auf die Tische stellten, eine Gratiskiste Bier. Und siehe, es ging wieder los. Wir hatten vergessen, dass es schwer sein könnte, grossen und bekannten Marken bleibend und nachhaltig etwas entgegenzusetzen. Langsam kamen wir aus dem Loch heraus, und jetzt haben wir wieder Erfolg.»

Vier Typen : Von Stehaufmännchen bis zum «Living Dead»

L aut Fritz Oser, emeritierter Professor für Pädagogik, gibt es vier Typen, die alle unterschiedlich auf das Scheitern reagieren. Zum einen gibt es diejenigen, die zwar scheitern, sich danach aber sofort wieder aufraffen und ein neues Projekt starten. Zu einer weiteren Gruppe gehören diejenigen, die danach etwas ganz anderes machen und nicht mehr versuchen, selbstständig zu werden. Einen dritten Typ bilden jene, die sich nicht mehr auffangen können und depressiv werden oder im Alkohol respektive den Drogen landen. Und schliesslich gibt es noch die sogenannten «Living Dead»: Personen, die ihr Unternehmen nicht rentabilisieren können und nur mit viel eigenem Einsatz über die Runden bringen, aber trotz des Beinahe-Scheiterns nicht aufgeben. rb

Zu den Personen

Psychologie und Wirtschaft

Der SolothurnerFritz Oserbesuchte zunächst das Lehrerseminar in Solothurn. Später studierte er Pädagogik, Pädagogische Psychologie, Theologie und Musikwissenschaft an der Universität Zürich, wo er doktorierte und habilitierte. Nach einem Aufenthalt in den USA (UCLA, Harvard) war er von 1981 bis 2007 ordentlicher Professor für Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Universität Freiburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem beim negativen Wissen und Lernen aus Fehlern, Scheitern und Recovery sowie Ethos der Lehrkraft. Oser ist Ehrendoktor der Universitäten Mainz und Helsinki und erhielt 2013 den Life-Oeuvre-Award der Europäischen Association for Research in Learning and Instruction. Der FreiburgerThierry Volerybesuchte in Bulle das Kollegium und studierte an der Universität Freiburg Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, wo er 1996 seine Dissertation zum Thema «Kooperation zwischen Unternehmen: Der Fall der Klein- und Mittelunternehmen» einreichte. 2001 erlangte Volery an der Universität Lyon die Habilitation in Wirtschaftswissenschaften, seit 2002 ist er Ordinarius für Unternehmensführung und Entrepreneurship sowie Direktor des Schweizerischen Instituts für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen.rb

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