Der Grosse Bruder steht im Schilf

Beim Hafen steht seit Montag die Skulptur «Grand Frère IV» des Freiburgers Eric Sansonnens. Nach «L’oiseau amoureux» von Niki de Saint Phalle soll da nun jährlich eine neue Skulptur stehen.

Es ist eine auserwählte Stelle am Seeufer westlich des Murtner Hafens. Leicht über dem Wasser schwebend, nahe der Touristenströme der Promenade und der Schiffsanlegestelle, und doch etwas isoliert wortwörtlich im Schilf stehend, weckt eine neue Skulptur das Interesse der Passanten.

Über manche Jahre stand an jener Stelle der bekannte «verliebte Vogel» von Niki de Saint Phalle. Seit zehn Jahren aber haben sich dort Skulpturen von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern abgewechselt. Seit Montag posiert am Seeufer «Grand Frère IV» des Saanebezirkler Künstlers Eric Sansonnens. Kurz vor Mittag wurde die Metallskulptur «Keinheit» des Eisenplastikers Urs Ernst abmontiert, und die Eichenholzskulptur von Sansonnens nahm deren Platz ein. Am Donnerstag um 18 Uhr findet dann die öffentliche Vernissage statt.

Dem Holz ein zweites Leben geben

Bei diesen Skulpturen handelt es sich um Leihgaben. Die Plattform ist ein gemeinsames Projekt der Kulturkommission und des Museums Murten. Es findet am Donnerstag um 18 Uhr eine Vernissage statt; das Museum verpflichtet sich, den Künstler vorzustellen, und es gibt von den Werken jeweils eine Winter- und eine Sommeraufnahme, die dann als Postkarte zum Verkauf angeboten wird. 

Eric Sansonnens ist ein Künstler, der eine Schreinerlehre gemacht hat und seit 2007 ausschliesslich für seine Kunst mit dem Material Holz arbeitet. Hier in Murten erhält er nun erstmals im Kanton Freiburg die Möglichkeit, eine Skulptur an einem so öffentlich zugänglichen Ort auszustellen. 

Wie Museumsleiter Denis Decrausaz sagt, habe das Museum schon vor längerer Zeit mit Sansonnens Kontakt gehabt, um eventuell im Museum auszustellen. Dies habe sich nie konkretisiert. Es habe zeitlich einfach nie gepasst.

Dank dem hartnäckigen Nachfragen von Decrausaz ist nun aber doch eine Zusammenarbeit zustande gekommen, statt im Museum halt auf der Skulpturenplattform am Seeufer. 

Vom Wallis nach Murten

Wie Sansonnens sagt, arbeite er gerne mit grossen Holzstämmen; er wolle diesen ein zweites Leben geben. Würden sie nicht in den Händen des Künstlers landen, so endeten sie als Brennholz. Wie Sansonnens sagt, mag er ganz besonders die Arbeit mit Eichenholz.

So ist eine Reihe von vier «Grossen Brüdern» entstanden, die erst in einem Parcours eines Parks bei Echallens ausgestellt waren. Die Brüder wurden daraufhin getrennt; der «Grand Frère IV» stand zuletzt in einem Weinbaugebiet von Martigny, und nun lässt er sich für ein Jahr am Murtensee nieder. Als eine Art Botschafter der Natur, wie der Künstler betont.

Es sei der jüngste, aber gleichzeitig auch der längste seiner vier Brüder aus Holz, so Sansonnens. «Grand Frère IV» sei ihm wohl am ähnlichsten, sagt der hochgeschossene und eher hagere Künstler. Die Skulptur entstand aus einem 1,5 Tonnen schweren Stamm, ist nun ohne Sockel 3,2 Meter hoch und wiegt etwa 300 Kilogramm. Er sei feiner als seine eher stämmigen Brüder, so Sansonnens.

Holz, das wie Metall aussieht

Für den Künstler habe jeder Bruder seine Charakteristiken, die sich aus der Beschaffenheit des jeweils verwendeten Holzes ergeben. Die Skulptur sei in einem dreimonatigen Prozess mit einem gegenseitigen Annähern entstanden.

Dazu kam eine Behandlung der Eiche mit Eisenoxid, das dem Holz einen metallartigen Anschein gibt. Er habe den Gossen Bruder auch mit Leinöl behandelt – eine Prozedur, die etwa alle drei Monate wiederholt werden muss.

Sansonnens kannte den Ort bereits von Niki de Saint Phalles Vogel her. Er habe sie als Künstlerin bewundert und sei deshalb umso mehr stolz, jetzt auch dort ausstellen zu können. Doch während de Saint Phalles Werk sieben Jahre lang stehen blieb, will Murten nun jährlich eine neue Skulptur. «Wir möchten sie in Zukunft jeweils im Juni, kurz vor der Solennität, austauschen», so Gemeinderat Rudolf Herren (SVP) von der Kulturkommission.