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«Der Normalzustand ist dies nicht»

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«Ich bin der Meinung, dass es zu den herausragenden Begabungen der Deutschen gehört, ein und dieselben Ereignisse, die man jahrzehntelang für völlig ausgeschlossen gehalten hatte, in dem Augenblick, in dem sie Realität geworden sind, für eine Selbstverständlichkeit zu halten», sagte Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, gestern im Auditorium Joseph Deiss der Universität Freiburg. Zum 20-jährigen Bestehen des Instituts für Europarecht hatte dieses den deutschen CDU-Politiker eingeladen, um über Herausforderungen und Perspektiven der Europäischen Union sowie die Rolle der Parlamente zu sprechen.

Demokratische Regierung

Mit den einleitenden Worten wies Lammert darauf hin, dass ob der Kritik an der Europäischen Union oft vergessen gehe, was der europäische Integrationsprozess zu leisten vermocht habe. «Dass wir heute in einem Europa leben, in dem alle Staaten demokratisch regiert werden, ist der Zustand, an den wir uns gewöhnt haben. Ich bin der Letzte, der sich darüber beklagen möchte, aber der Normalzustand der europäischen Geschichte ist dies nicht.»

Drei Asymmetrien

Trotz den Erfolgen gebe es in der Europäischen Union Asymmetrien. Zum einen sei dies die Dominanz der Wirtschaft gegenüber der Politik. Die EU habe als Wirtschaftsgemeinschaft begonnen; diese Anfänge liessen sich auch heute noch spüren, so Lammert. «Eine weitere Asymmetrie besteht zwischen der Vertiefung und der Erweiterung der Europäischen Union.» Statt die Zusammenarbeit der vorhandenen Mitgliedstaaten zu vertiefen, habe die EU bisher vielmehr die Zahl der Mitgliedstaaten erhöht. Und zum Dritten habe bisher eine Asymmetrie zwischen Exekutive und Legislative geherrscht.

Mit dem Vertrag von Lissabon verändere sich die Rollenverteilung aber nun langsam, die Parlamente nähmen an Bedeutung zu, so Lammert. In Deutschland etwa lege das Parlamentsbeteiligungsgesetz fest, dass das Parlament, also der Bundestag, zu jeder Regelungsabsicht Stellung nehmen könne. Nutze der Bundestag diese Möglichkeit, müsse die Bundesregierung diese Position des Parlaments als ihre Verhandlungsposition in den europäischen Gremien zugrunde legen. «Das ist der Beginn der Vollendung eines seit langem zu beobachtenden Prozesses, in dem die Europapolitik aus dem Bereich der Aussenpolitik verschwindet und zu einem Gegenstand gemeinsamer Innenpolitik wird», so Norbert Lammert.

Verlust der Souveränität

Auch einen Seitenhieb auf die Schweiz konnte sich Lammert nicht verkneifen. «Wir leben heute in einer Zeit, die als Globalisierung beschrieben wird», sagte er. «Noch nie zuvor waren so viele Menschen in einem solchen Mass wechselseitig voneinander abhängig, sowohl informativ wie auch operativ.» Für die wichtigste und irreversible politische Folge der Globalisierung halte er persönlich deshalb den Verlust der staatlichen Souveränität. «Die verschiedenen Staaten auf diesem Globus unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, dass die einen souverän sind und die anderen nicht, sondern dass die einen begriffen haben, dass sie nicht mehr souve- rän sind, und die anderen dafür noch ein bisschen Zeit brauchen.»

Jubiläum: Das Institut für Europarecht gibt es seit 20 Jahren

I m Jahr 1995 wurde das Institut für Europarecht der Universität Freiburg gegründet. Zum 20-Jahr-Jubiläum lud es gestern zu einem Vortrag von Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages (siehe Haupttext). Auch nach 20 Jahren sei das Institut für Europarecht topaktuell, sagte Astrid Epiney, geschäftsführende Direktorin des Instituts und Rektorin der Universität Freiburg gestern in ihrer Begrüssung. Denn das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative werfe eine Reihe von wichtigen und komplexen Fragen auf, die es zu diskutieren gelte.

Das Institut für Europarecht habe sich inner- und ausserhalb der Landesgrenzen schnell zu einer Referenzinstanz entwickelt, sagte Thomas Probst, Präsident des Institutsrates. Im aktuellen Wahlkampf habe vor allem die Asylpolitik dominiert. «Die Frage, wie hat es Helvetia mit Europa, wurde wenig gestellt und noch viel weniger beantwortet.» Der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik sei aus verschiedenen Gründen begrenzt, sagte Probst. Dennoch sei er überzeugt, dass die Schweiz über die nötigen Kenntnisse verfüge, um die Europafrage sinnvoll lösen zu können. «Das Wichtigste dabei ist aber, dass die parteipolitische Bewirtschaftung des Themas in den Hintergrund rückt und die Sachpolitik in den Vordergrund gestellt wird.» rb

 

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