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Die Lust am Streiten ist geblieben

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Am Parteitag vom Samstag in Basel wird der Freiburger Christian Levrat als Präsident der SP Schweiz zurücktreten. Die FN ziehen mit ihm Bilanz.

Bei den eidgenössischen Wahlen 2019 erzielte die SP mit nur noch 16,5 Prozent Wähleranteil das schlechteste Resultat seit 100 Jahren. Sie treten als Parteipräsident auf dem Tiefpunkt ab. Einverstanden?

Christian Levrat: Nein. Es stimmt, dass wir letzten Herbst bei den eidgenössischen Wahlen ein schlechtes Resultat erzielt haben, aber die Linken insgesamt sind noch nie so stark gewesen, und wir haben einige wichtige inhaltliche Erfolge zu feiern: zuletzt bei den Abstimmungen Ende September, wo wir vier von fünf Vorlagen für uns entscheiden konnten. Selbst bei den Kampfjets erzielten wir ein sehr gutes Ergebnis. Es ist paradox: Inhaltlich haben wir heute viel mehr Einfluss im Bundeshaus als vor zwölf Jahren, als ich angefangen habe – zum Teil dank klugem Politisieren mit einer vernünftigen Allianzstrategie. Das Bilden von Mehrheiten gehört zum Job eines Parteipräsidenten.

Die «Weltwoche» schrieb, Sie hätten die Schweiz weiter nach links geführt als je zuvor in der Geschichte des Bundesstaats.

Dass wir inhaltlich erfolgreich waren, stellten die meisten Beobachter in Bern fest. Für mich ist es kein Drama, wenn die SP vier Sitze verliert und die Grünen 17 zulegen. Schliesslich mache ich Politik, um Werte, Vorstellungen und Pläne umzusetzen. Und das ist im neuen Parlament deutlich einfacher als im alten.

Sie haben die Fähigkeit, auch Niederlagen schönzureden.

Das ist manchmal nötig, aber nicht in diesem Fall. Die Schweiz ist progressiver, selbstsicherer und offener geworden. Ich hoffe, dass ich dazu beitragen konnte.

Sie kommunizieren mit voller Überzeugung. Auch wenn Sie selber nicht daran glauben?

Nein. Entweder bin ich ganz bei einer Sache und kann sie mit Nachdruck vertreten, oder aber ich lasse es sein.

Oder Sie versuchen die Leute auf Ihre Seite zu bringen.

Das steht immer am Anfang. Aber es gelingt nicht immer. Dann muss man auch mit Opposition leben können.

Wenn Sie die Niederlagen und die Erfolge der letzten zwölf Jahre Revue passieren lassen: Was überwiegt?

Inhaltlich die Erfolge. Dafür gab es eine schmerzhafte Niederlage mit der Masseneinwanderungsinitiative. Zum Teil war die selbst verschuldet, weil wir die Kampagne unterschätzt hatten. Umso wichtiger war es, dass wir bei der Kündigungsinitiative einen klaren Entscheid des Volks herbeiführen konnten, so dass die Personenfreizügigkeit fortgesetzt wird. Der wichtigste Erfolg war wahrscheinlich die BVG-Abstimmung von 2009, als die Bürgerlichen versucht haben, die Renten zu senken. Oder die Unternehmenssteuerreform III: Unsere Position war immer, dass es ein unnötiges Steuergeschenk sei und wir es anders lösen können. Mit der Steuerreform und der AHV-Finanzierungs-Vorlage haben wir den Tatbeweis erbracht. Man kann nicht einfach ein Projekt versenken, feiern und denken, es sei das Ende der politischen Arbeit. Es gibt so etwas wie die Pflicht, etwas Besseres zustande zu bringen. Das ist auch mein Vorwurf an die Bürgerlichen bezüglich der Art und Weise, wie sie mit ihrem Sieg bei der Vorsorge 2020 umgehen. Sie haben das Projekt von Alain Berset torpediert, und wir haben nach drei Jahren noch keine Vorstellung davon, wie sie das Problem bei AHV und BVG lösen wollen.

Sie gelten als Meister des richtigen Timings: Warum die Ankündigung Ihres Rücktritts zwei Tage nach Ihrer Wiederwahl in den Ständerat?

Ich wollte diese Bilanzinterviews nicht mitten im Ständeratswahlkampf führen, sondern mit etwas Distanz, weil es beim Wahlkampf um die Vertretung von Freiburg in Bern ging.

Aber es hätte etwas später sein können.

Ich betreibe nicht gerne Geheimniskrämerei. Wenn ich für mich einen Entscheid getroffen habe, will ich mich nichts selbst verleugnen und Fragen ausweichen. Man muss zu seinen Entscheiden stehen.

Warum Ihre Ankündigung der Staatsrats-Kandidatur vor genau zweieinhalb Wochen?

Aus dem genau gleichen Grund: Ich habe ernsthaft überlegt, was ich machen will, ob ich andere Tätigkeiten suchen möchte, auch ausserhalb der Politik, oder ob ich als Ständerat weitermachen will. Ich hatte ein paar Angebote auf dem Tisch: Privatwirtschaft, Verwaltung, NGO … Am Schluss habe ich realisiert: Was ich mag, ist eben die Politik. Ich hatte vor, diesen Entscheid in diesem Sommer zu treffen. Man sollte nicht warten, bis man dazu angetrieben wird. Antizipieren, das gilt für mich in meinen Leben wie in der Politik.

Ueli Maurer hat Ihnen einmal seine Bundesrats-Limousine zur Verfügung gestellt. Hat das die Lust auf ein Exekutivamt geweckt?

Ich bin nicht sicher, dass in Freiburg so viele Limousinen bereitstehen. Ich denke eher, dass ich auf einem Elektrovelo durch die Stadt fahren würde.

Aber die Episode zeigt dennoch den Respekt, den Sie aus dem gegnerischen politischen Lager erfahren haben.

Wie die übrigen Spitzenpolitiker in der Schweiz kann ich unterscheiden zwischen der persönlichen und der politischen Ebene. Das wird in der Öffentlichkeit oft falsch verstanden. Diejenigen Leute, mit denen ich heute streite, das sind morgen meine Verbündeten bei anderen Sachfragen. Wir haben ein System von ständig wechselnden Allianzen. Ich habe den Ruf, klar zu sein, wenn ich nicht einverstanden bin mit jemandem oder et-was, aber auch, dass dies nie persönlich zu nehmen ist. Die politische Auseinandersetzung muss frontal geführt werden, aber sie muss so geführt werden, dass man sich morgen wieder begegnen und zusammenarbeiten kann.

Haben das alle verstanden?

Es gibt Leute, die darob manchmal etwas erschrecken. Aber nicht Leute auf dieser Ebene. Sie werden nicht Parteipräsident, wenn Sie Angst haben, dass man Ihnen frontal widerspricht. Ein anderes Beispiel: Ich war beteiligt an der Abwahl von Christoph Blocher als Bundesrat. Aber zwei Jahre später haben wir gemeinsam eine Pressekonferenz gemacht, um eine risikoärmere Strategie der UBS zu verlangen.

Man schreibt Ihnen Attribute wie Kommunikation, Fleiss, Autorität, Strategie zu. Stimmen alle?

Nicht unbedingt: Ich sehe mich nicht so als autoritär. In meiner täglichen Arbeit bin ich eher partizipativ als autoritär. Aber nur partizipativ kann man eine Partei auch nicht führen.

Und welches Attribut sticht heraus?

Wahrscheinlich das Strategische: etwas bis zum Schluss zu planen, nicht nur die zwei, drei nächsten Schritte, sondern auch das Ende. Diesbezüglich fällt immer wieder auf, wie fahrlässig manche in der Politik arbeiten.

Sie mögen es gerne frontal: Wo ist die Grenze zur Arroganz?

Die politische Gegnerschaft spricht ab und zu von Populismus. Ich versuche einfach so zu sprechen, dass man mich versteht. Das wird dann als populistisch verschrien. Aber das ist unsere Arbeit. Als Politiker sollten wir so arbeiten, dass man uns versteht, auch im Volk.

Ihr Stil als Parteipräsident ist im Ständerat eigentlich nicht gern gesehen. Wie haben Sie den Spagat geschafft?

Fantastisch. Auch weil es ein Ort ist, an dem man sehr konstruktiv miteinander umgeht. Kompromisse stehen da nicht am Anfang der Diskussion, sondern in der Regel werden im Ständerat klare Positionen vertreten, und dann sucht man gemeinsam eine Lösung. Das ist meine Art des Politisierens.

Ist es Ihnen nie schwergefallen, die Aktentasche des Parteipräsidenten vor dem Ständeratssaal zu deponieren?

Nein, und ich muss sagen, ich bin meinen Kollegen sehr dankbar, dass sie mich immer als Ständerat und Vertreter von Freiburg wahrgenommen haben und nicht als Parteipräsidenten.

Wird Ihnen die Elefantenrunde nach Wahlen und Abstimmungen fehlen?

Nein, die ist zu kurz. Es gibt da meistens vorbereitete Statements. Ich habe nie verstanden, warum die Leute sich das antun an einem Sonntagnachmittag. Die Elefantenrunde werde ich nicht vermissen. Aber ich werde den Kontakt zu meinen Kollegen als Parteipräsident vermissen, das schon.

Soll man in der «Arena» des Deutschschweizer Fernsehens auf Lebzeiten einen Platz für Sie freihalten?

Ich bin bei über 40 «Arenas» gewesen. Das mag ich. Die «Arena» ist viel besser als ihr Ruf. Das Format erlaubt es, ein Thema ziemlich gründlich zu diskutieren. Ich habe ein paar Beispiele erlebt, wo wir während der Sendung politische Lösungen gefunden haben. Man hört den anderen zu und merkt plötzlich: Diese Lösung könnte man auch mittragen.

Aber wenn Sie nicht mehr Parteipräsident sind, haben Sie Ihre letzte «Arena» wohl hinter sich.

Der Moderator Sandro Brotz und ich haben bereits vier Mal gesagt, das sei meine letzte «Arena». Ich würde nicht darauf wetten.

Mit wem haben Sie sich am liebsten gestritten?

Am öftesten wahrscheinlich mit Toni Brunner: Er wurde am gleichen Tag Parteipräsident bei der SVP wie ich bei der SP. Meine Frau hat oft gesagt, dass ich Toni Brunner öfter sehe als sie.

Auch gerne?

Ja, er ist halt spektakulär. Es wird schnell unterhaltsam mit ihm. Aber rein intellektuell finde ich CVP-Präsident Gerhard Pfister eine spannende Person.

Die SP ist eine streitlustige Partei. Einverstanden?

Ja, klar. Und das ist gut so. Ich habe immer die Vorstellung gehabt, dass wir die Kraft sind, dank der links der Mitte die relevanten Debatten geführt werden. Ich möchte nie in einer Partei arbeiten, die eine reine Kopfnickerfunktion hat.

Wie schafften Sie es, die verschiedenen Strömungen erfolgreich zu vereinen?

Wenn wir vor Schwierigkeiten standen, habe ich immer den Debatten Raum gegeben und sie laufen lassen. Ich bin überzeugt, dass die SP nur eine Zukunft hat, wenn sie eine breite linke Volkspartei ist.

Bei der Frage um Ihre Nachfolge öffneten sich Gräben: Ist die Wahl wegweisend dafür, in welche Richtung die Partei geht?

Ein Stück weit vielleicht, aber viel weniger, als man es in der Öffentlichkeit sagt. Als Parteipräsident ist man zwingend in der Partei eingemittet. Die Partei von einer Randposition aus zu führen, ist zum Scheitern verurteilt. Mattea Meyer und Cédric Wermuth sind viel zu klug, um zu scheitern.

Sind Sie glücklich mit der Lösung: ein Duo, eine Frau und ein Mann?

Ich hätte mich nicht in ein Co-Präsidium wählen lassen. Aber die zwei sind sehr gut. Und ich glaube, es stimmt auch, dass sich die SP mit dieser Wahl näher an den sozialen Bewegungen positioniert wie Klimajugend oder Frauenstreik. Das finde ich positiv.

Nachfolge

Ein Duosteht bereit

Am Parteitag der SP Schweiz am Samstag in der Messehalle Basel tritt Christian Levrat (50) als Parteipräsident zurück. Er hat das Amt seit 2008 inne und ist der am längsten amtierende SP-Präsident seit Helmut Hubacher (1975 bis 1990). Bei den anderen grossen Parteien war zuletzt nur Ueli Maurer für die SVP gleich lange Präsident. Für die Nachfolge Levrats stellt sich ein Duo gemeinsam zur Wahl: der 34-jährige Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth und die knapp 33-jährige Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer. Offiziell tritt Martin Schwab von der SP Nidau gegen sie an. Erst kandidierten auch die Zürcher Nationalrätin Priska Seiler Graf sowie der Walliser Nationalrat Mathias Reynard für ein Co-Präsidium. Die beiden zogen ihre Kandidatur jedoch später zurück.

uh

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