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Die Mediation im kollektiven Gedächtnis

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Die Mediation im kollektiven Gedächtnis

Auszug aus dem Vortrag von Professor Urs Altermatt

«Gedanken eines Historikers zur Zeit zwischen 1803 und 2003»: So hiess der Vortrag, den Urs Altermatt, Rektor und Professor für Zeitgeschichte, anlässlich der 200-Jahr-Feier zur Mediation am Samstag, den 5. Juli, in Freiburg gehalten hat. Die FN bringen eine gekürzte Fassung.

Von URS ALTERMATT

Im kollektiven Gedächtnis der Schweizer nimmt die Mediationszeit von 1803-1813 keinen oder nur einen marginalen Platz ein. Selbst hier in Freiburg erinnerte man sich mit grosser Verspätung des ersten «Landammannes der Schweiz » und liess erst 2003 an dessen Stadtpalais (Pierre-Aeby-Gasse 16) feierlich eine Gedenktafel anbringen.

Auf gesamtschweizerischer Ebene wurde die Mediationsakte erst in diesem Jahr, 2003, in die offizielle Geschichtspolitik einbezogen. Auf Initiative des Kantons St. Gallen reisten am 19. Februar 2003 Vertreter der sechs Mediationskantone und des «Vororts» Freiburg mit Beteiligung des Bundespräsidenten nach Paris, um die Entgegennahme der Mediationsakte durch eine schweizerische Delegation 1803 zu feiern.

Warum erst jetzt?

Eine vergleichbare Feier hatte vor hundert Jahren – 1903 – nicht stattgefunden. Warum diese marginale Stellung der Mediationsverfassung in der schweizerischen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur? Immerhin machen die 1803 gegründeten Kantone Aargau, Graubünden, St. Gallen, Tessin, Thurgau und Waadt 42,5 Prozent des heutigen Territoriums der Schweiz aus.

Die Mediationsverfassung hatte von 1803 bis 1813 nur ein kurzes Jahrzehnt lang Bestand, weswegen sie im kollektiven Gedächtnis häufig mehr als Übergangszeit zur Restaurationsperiode denn als eigenständige Zeitepoche angesehen wird. Zudem haftet der Verfassung der Bedenken erregende Ruf der Intervention einer fremden Macht an. Welches Land gesteht gerne ein, dass seine Verfassung auf ausländische Vermittlung zurückgeht!

Das «helvetische Malaise»

Kein Zweifel: Seit den 1960er Jahren mühen sich die Schweizerinnen und Schweizer, Politiker und Intellektuelle, mit ihren nationalen Jubiläen ab.

Das «helvetische Malaise» manifestiert sich auch oder gerade im Geschichtsbewusstsein. Die kritische Haltung ist auf viele Faktoren zurückzuführen, die mit der postmodernen Gesellschaft zusammenhängen. Dazu kommt, dass am Anfang der modernen Schweiz kein eigentlicher Staatsgründungsakt steht, sondern ein fünfzigjähriger Prozess mit Revolutionen und Gegenrevolutionen, Putschen und Befreiungsbewegungen, Interventionen und Mediationen.

Daher blieb die Erinnerung an 1848, das Gründungsjahr des Bundesstaates, lange Jahrzehnte konfliktiv.

Anders als in den USA

Auch wenn das europäische Revolutionsjahr 1848 den Weg zum modernen Bundesstaat ebnete, besitzt es in der schweizerischen Erinnerung nicht denselben Glanz wie die Unabhängigkeitserklärung von 1776 in den USA oder der revolutionäre Sturm auf die Bastille von 1789 in Frankreich. In der Schweiz gibt es kein eigentliches Denkmal, das prominent an das Gründungsjahr von 1848 erinnert. Entsprechend ist wenig aus jener Zeit im kollektiven Gedächtnis haften geblieben.

In der Heldengalerie unbekannt

Mit Verlaub – wer kennt den ersten Bundespräsidenten mit Namen? In Winterthur erinnert zwar ein Denkmal an diesen Gründungsvater, doch Jonas Furrer ist in der Heldengalerie der Schweizer fast so unbekannt wie der erste Mediations-Landammann Louis d’Affry. Wer weiss, in welchem Gebäude die verfassungsgebende Versammlung in Bern tagte? Das heutige Parlamentsgebäude wurde erst 1902 eingeweiht.

Zu unterschieden sind zwei Gedächtnisstränge: Das mythische Gedächtnis bezog sich auf 1291, die Freiheitskriege der alten Eidgenossen und Wilhelm Tell und das staatsbürgerliche auf 1848, den Bundesstaat und die Verfassung.

Wie die 1.-August-Feier entstand

Ende 1891 wurde mit Joseph Zemp der erste christlichdemokratische Politiker auf dem langen Weg zur «Zauberformel» in den Bundesrat gewählt.

Aus der Bundesfeier von 1891 entwickelte sich die «Erst-August-Feier» als nationaler Feiertag, der allerdings erst 1993 auf Anstoss nationalkonservativer Kreise zu einem arbeitsfreien Tag wurde. Auf eine dahingehende Petition aus dem Jahr 1911 hatte der Bundesrat noch geantwortet, die bisherige schlichte Feier mit Glockengeläute und Höhenfeuern entspreche «den einfachen und arbeitsamen Überlieferungen» des Schweizer Volkes.

Das 100-jährige Jubiläum von 1948

Mit der politischen Integration der Sozialdemokraten verstärkte sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg die Konkordanzdemokratie. In der Folge wurde 1948 das hundertjährige Jubiläum der Bundesverfassung von allen politischen Milieus gefeiert.

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist wiederum ein grundlegender Paradigmawechsel auf der Ebene des kollektiven Gedächtnisses zu beobachten. Als es darum ging, die 700-Jahr-Feier 1991 zu organisieren, lehnten die Innerschweizer zunächst die geplante Expo CH91 in Volksabstimmungen ab.

Anders 1998. Bei den Gedenkanlässen der 150-Jahr-Feier des Bundesstaates machten die politischen und kulturellen Eliten aktiv mit.

Was die Mediation bewirkt hat

Woran ist 2003 an einer Jubiläumsfeier von Seiten des Historikers in Bezug auf die Mediation zu erinnern?

Erstens: Für die sechs Mediationskantone brachte die Mediation die gleichberechtigte Zugehörigkeit zur Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Zweitens: Auf Bundesebene brachte die Mediationsakte ein Jahrzehnt relativer innerer Ruhe und Ordnung, auf dessen Grundlage sich der Bundesstaat über restaurative und progressive Phasen entwickeln konnte.

Da die Schweiz nach den verheerenden Kriegsjahren von 1798 bis 1802 nur noch kurze Zeit direkt in europäischen Kriegen involviert war, konnte die wirtschaftliche Industrialisierung in weiten Regionen rasch voranschreiten und die Fundamente für die bürgerliche Gesellschaft schaffen. 1802 wurde die Giesserei Georg Fischer in Schaffhausen, 1805 die Spinnerei
Escher-Wyss in Zürich, 1809 die Metallwerke von Roll im Kanton Solothurn gegründet.

Drittens: Auch wenn es noch keine Parteien im modernen Sinn gab, haben die liberalen und konservativen Strömungen den Grundstein zur Bildung der politischen Gruppierungen und Parteien gelegt.

Als Fazit halte ich fest: Die Mediationsakte bildete eine entscheidende Wegkreuzung auf dem Weg zum Bundesstaat von 1848.

Von Frankreich beeinflusst

In einem viel höheren Ausmass als es das herkömmliche Geschichtsbild wahrhaben will, war die Schweiz 1789 bis 1815 vom europäischen Umbruch betroffen.

Wie der Verfassungshistoriker Alfred Kölz schreibt, übernahm die Schweiz – wegen ihrer geografischen Lage in der Nähe Frankreichs, wegen ihrer frühen Industrialisierung und wegen ihrer einheimischen französischsprachigen Bevölkerung in der Romandie – in ihr politisches System am frühesten, am stärksten und am dauerhaftesten Ideen der Französischen Revolution und verband diese in glücklicher Mässigung – dank der Mediation Napoleons – mit der eidgenö

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