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Die Stimme der Hoffnung: Wie die Dargebotene Hand Leben rettet

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Tag und Nacht wählen Besorgte die Kurzwahl 143, um die Dargebotene Hand zu erreichen. Die anonyme Seelsorge kümmert sich dabei um alle möglichen Anliegen der Betroffenen. Doch mit wem telefonieren die Menschen dabei eigentlich?

Es ist 3.48 Uhr. Die Uhr tickt laut in der Stille des Raumes. Nur Sinas* (erfundene Person, Anm. d. Red.) Herz pocht lauter. So laut, dass sie das Pochen fast hören kann. Ihre Finger zittern, als sie die Nummer wählt. Zum Glück sind es nur drei Ziffern. Sie holt tief Luft, dann ein weiterer Versuch. Das Telefon klingelt nur zweimal, bevor eine ruhige und sanfte Stimme am anderen Ende antwortet.

«Hier ist Telefon 143, die Dargebotene Hand, ich grüsse Sie.»

Sinas Stimme stockt. Die Worte verfangen sich in ihrem Hals. Doch die Person am anderen Ende der Leitung wartet geduldig. Ein tiefer Atemzug.

«Ha… Hallo. Ich weiss nicht, was ich tun soll. Seit einiger Zeit nun schon quälen mich starke Gedanken, meinem Leben ein Ende zu setzen.»

Die Stimme am anderen Ende ist warm und einfühlsam. Sie entstammt der Kehle von David H. (Name geändert). David H. klingt hellwach, und das, obwohl er bis zum Klingeln des Telefons noch schlummernd im Bett lag. Er fragt:

«Mögen Sie von den quälenden Gedanken berichten?»

Und so beginnt das Gespräch. Wie ein reissender Fluss beginnen die Worte aus Sina herauszuströmen. Sie erzählt von ihren Ängsten, ihren Sorgen, ihrer Dunkelheit. Sina steht beispielhaft für etliche Personen, die sich mit ihren Sorgen bei der Hilfsorganisation Dargebotene Hand melden. Das hier aufgeführte Gespräch ist der Zusammenschnitt eines Audiobeispiels, der zeigt, wie ein solches Gespräch aussehen könnte (das vollständige Gespräch und weitere Beispiele unter www.143.ch).

«Die Sehnsucht, alles zu beenden, wird einfach immer grösser. Was habe ich denn schon zu verlieren? Mein Leben macht so keinen Sinn mehr und meine Familie und meine vermeintlichen Freunde nehmen mich ja sowieso nicht ernst, in dem, was ich fühle.»

David H. hört geduldig zu. Er urteilt nicht, er bewertet nicht. Er hört nur zu. Genau so, wie es Christophe Amstutz von ihm will. «Unsere Mission ist es, zuzuhören und nicht zu reden», sagt Amstutz. Mit «uns» meint der Berner die Hilfsorganisation Dargebotene Hand (DH). Der 50-Jährige ist dort Geschäftsleiter des Standorts Nordwest.

Christophe Amstutz ist Geschäftsleiter des Standorts Nordwest der Hilfsorganisation Dargebotene Hand.
Bild: Til Bürgy

Die DH bietet in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein eine Anlaufstelle für emotionale Erste Hilfe per Telefon, Chat oder E-Mail. Insgesamt unterhält sie 12 Standorte. Amstutz und David H. sind am Standort Nordwest tätig. Als einziger zweisprachiger Standort ist dieser für die Kantone Freiburg, Neuenburg, Jura und die Region Bern-West zuständig. Der Hauptsitz des Standorts liegt in Biel, von wo aus David H. Sina antwortet:

«Ich respektiere, dass Sie das so empfinden. Aber ich glaube nicht, dass es Ihrem Umfeld egal wäre, wenn Sie nicht mehr da sind.»

Dass David H. die Ruhe bewahrt, kommt nicht von ungefähr. Wie alle freiwilligen Mitarbeitenden der DH absolvierte er eine neunmonatige Pflichtausbildung, bevor er sich offiziell Zuhörer nennen durfte. In dieser Zeit durchlaufen die Freiwilligen vier Module mit verschiedenen Schwerpunkten, üben sich im passiven und aktiven Zuhören und erhalten themenspezifische Schulungen durch die Ausbildungsleiterin sowie externe Fachpersonen. In Abschlussgesprächen entscheiden die Freiwilligen dann gemeinsam mit den Ausbildenden, ob sie für die Rolle geeignet sind.

Nach der Ausbildung müssen die Freiwilligen mindestens vier Dienste pro Monat (je einmal morgens, nachmittags, abends und nachts) à fünf Stunden (nachts neun Stunden) leisten. Hinzu kommen acht Supervisionen und acht Fortbildungen pro Jahr. «Es ist notwendig, dass wir immer à jour sind, um eine qualitativ hochwertige Leistung zu erbringen», sagt Amstutz. «Unsere ehrenamtlichen Mitarbeitenden sind Profis des Zuhörens.» Schliesslich müssten sie zu jeder Zeit während ihrer Schicht bereit sein, die richtigen Auskünfte zu geben, wenn sich Hilfesuchende über die Kurzrufnummer 143 melden.

Auch Sina hat in diesem fiktiven Beispiel die Anlaufstelle über die Kurzwahl 143 erreicht. Sie schluckt schwer.

«Wer weiss.»

David H. kennt diese Gespräche. Seit über 12 Jahren arbeitet er bereits ehrenamtlich bei der DH. Heute ist er einer von 41 Freiwilligen des Standorts Nordwest, die am Telefon die Sorgen der Anrufenden entgegennehmen. Etwas wenig, findet Christophe Amstutz. «Ideal wären 60 Mitarbeitende», sagt der 50-Jährige. Damit wäre es möglich, die nötigen Schichten doppelt zu besetzen. Schliesslich laufen stets zwei Telefonlinien parallel auf die 143 Nordwest. Klingelt die zweite Linie, während die erste bereits besetzt ist, müsse die oder der Mitarbeitende priorisieren, erklärt Amstutz. «Notfälle gehen immer vor», stellt er dabei klar. Notfälle wie Sina, die auf der ersten Linie mit David H. verbunden ist. Er fragt sie:

«Haben Sie vor, Ihre Gedanken in die Tat umzusetzen?»

Kurz herrscht Stille am anderen Ende der Leitung. Mit so einer Frage hatte Sina nicht gerechnet. David H. bleibt ruhig. Er weiss, dass er Sina nur helfen kann, wenn diese das zulässt. Er kennt sie erst seit wenigen Gesprächsminuten am Telefon und kann folglich auch keine Entscheidung für sie treffen. Für Geschäftsleiter Amstutz eine wichtige Erkenntnis. «Jeder will Leben retten, aber nicht gegen den Willen des anderen», sagt er. Lasse die Person Hilfe zu, könne die oder der Freiwillige versuchen, sie zu stabilisieren und Hilfe zu organisieren. Aber: «Unsere Freiwilligen können nicht verantwortlich für die Anrufenden sein.» Die Lösung liege stets bei diesen selbst. Die Aufgabe der Freiwilligen sei es lediglich, sich Zeit zu nehmen und zuzuhören. So wie es David H tut. Er wartet, bis Sina die Stille durchbricht.

«Vielleicht, ich würde mich wohl erhängen.»

Sinas konkretes Beispiel überrascht David H. nicht. Er ist sich dessen bewusst, dass suizidale Personen fast immer einen klaren Plan verfolgen. Über Alternativen hingegen denken sie nicht viel nach. In solchen Fällen könne es helfen, zu versuchen, das Blickfeld der suizidalen Person zu erweitern, erklärt Amstutz. Das könne genügen, damit die Person anders über ihren Plan nachdenke. David H. antwortet unmittelbar und mit einfühlsamer Stimme.

«Oh, das ist aber sehr brutal.»

David H. gibt unumwunden zu, dass ihn solche Gespräche nicht kaltlassen. Er weiss jedoch, wie er damit umgehen muss, damit sie ihn nicht zu sehr belasten. Für sehr schwierige Situationen steht den Freiwilligen laut Amstutz allzeit auch ein Begleitdienst zur Verfügung. «Die ehrenamtlichen Mitarbeitenden können ihren Dienst jederzeit mit dem Begleitdienst aufarbeiten, wenn sie etwas belastet», sagt der Berner. Zudem können sich die Freiwilligen beim Schichtwechsel mit der nachfolgenden Person austauschen. Um die Mitarbeitenden zu entlasten, gibt es im Büro in Biel unter anderem ein Bett und eine Dusche. Amstutz will, dass die Freiwilligen ihre Tätigkeit nicht von zu Hause aus, sondern vom Büro aus erledigen. «Emotionen sind an Orte gebunden. Die Freiwilligen sollen die Arbeitslast nicht mit nach Hause tragen.» Eine Last, die David H. Sina erleichtern will. Sie entgegnet:

«Ich habe ja nicht gesagt, dass ich es mache, aber falls, dann am ehesten so.»

Das Telefongespräch wird bei der DH immer völlig anonym geführt. Ausser der Stimme kennen die Gesprächspartner nichts voneinander. Sina weiss nichts über David H., David H. nichts über Sina. Keine Namen, kein Alter, kein Wohnort. Weil die Telefonlinie verschlüsselt ist, bleibt auch die Telefonnummer des Anrufenden ein Geheimnis. Das hat einen guten Grund: «Die vollständige Anonymität dient dem beidseitigen Schutz», sagt Amstutz. Anrufende müssten sich somit keine Sorgen um die Vertraulichkeit ihrer Aussagen machen. «Alles, was bei der DH passiert, bleibt bei der DH.» So können sich beide Seiten ganz auf das einzig Relevante konzentrieren: das Gespräch. David H. spricht sanft:

«Ok. Ich bin aber froh zu hören, dass Sie diesen Entschluss noch nicht gefasst haben.»

David H. müsste nicht nachts um kurz vor vier mit wildfremden Leuten telefonieren. Der gelernte Jurist ist schon seit Jahren im Rentenalter. «Was ich hier mache, gibt mir einen Sinn. Das kannst du so nirgendwo anders erleben», begründet er seine ehrenamtliche Tätigkeit. Er selbst lerne jeden Tag Neues in seiner «Lebensschule».

Ein vorgefertigtes Profil für den Beruf des Zuhörers bzw. der Zuhörerin gibt es nicht, meint Christophe Amstutz. Das Wichtigste sei, offen zu sein und sich für Menschen zu interessieren. Geschlecht, Alter oder beruflicher Werdegang seien dabei zweitrangig. «Die Lebenserfahrung ist wichtig, nicht die Berufserfahrung.» Auch die Zweisprachigkeit ist seit letztem Jahr keine zwingende Voraussetzung mehr. Nicht verhandelbar ist laut Amstutz einzig der Zeitaufwand. Die Arbeit entspreche einem Pensum von rund 20 Prozent. Für Vollzeitbeschäftigte sei sie somit weniger geeignet. Da die Arbeit nicht entlohnt wird, ist zudem eine intrinsische Motivation gefragt. Diese bewegt auch David H. dazu, seit Jahren mitten in der Nacht die Anrufe wildfremder Personen anzunehmen. Er ist mit Herzblut dabei, denn er weiss, dass er damit einen Unterschied machen kann. Für Menschen wie Sina. Sie seufzt.

«Keine Ahnung, das Ganze ist eine sehr schwierige Situation.»

Vollkommene Anonymität zum Schutz beider Seiten ist eines der Kernprinzipien der Dargebotenen Hand.
Bild: Til Bürgy

Das Gespräch dauert an. David H. bleibt geduldig. Auch wenn die Leitung durch eine Person länger besetzt ist. Bei der DH gibt es keine konkrete Zeitbeschränkung für die Gespräche. Er überlässt Sina die Regie. Gerade bei heiklen Fällen ist dies wichtig. Er fragt freundlich:

«Wie kann ich Sie in der Situation, in der Sie sich befinden, hilfreich unterstützen?»

Sina überlegt kurz. Sie sagt:

«Ich weiss es nicht. Dass Sie sich für mich die Zeit und mich ernst genommen haben, hat mir schon sehr geholfen. Ich bin nun müde und möchte schlafen.»

David H. versucht nicht, sie umzustimmen, weiteren Rat oder mögliche Tipps zu geben. «Du bist nicht da, um deine Meinung zu sagen», sagt er über seine Rolle. Er ist schlicht Zuhörer. Das hat er internalisiert. Er verabschiedet sich.

«Ok, machen Sie das. Ich bedanke mich für Ihre Offenheit und das Vertrauen. Tragen Sie sich Sorge. Und melden Sie sich jederzeit wieder bei uns.»

«Ja, mache ich. Vielen Dank. Tschüss.»

Das Telefonat endet. Sina atmet durch. Das Gespräch hat ihr gutgetan. Sie fühlt sich leichter. Nicht gut, aber besser. Im Wissen, dass sie jederzeit wieder die 143 wählen kann.

Auch David H. legt den Hörer auf. Er steht auf und legt sich wieder in sein Bürobett. Aber nur solange, bis das Telefon wieder klingelt.

Zahlen & Fakten

Weit mehr als nur Suizidgefährdete

Die Anrufstelle Dargebotene Hand (DH) bietet Unterstützung für alle möglichen Lebenssituationen, betont der Geschäftsleiter des Standorts Nordwest, Christophe Amstutz. Suizidalität ist dabei nur einer von diversen Beratungsinhalten und war 2023 im Kanton Freiburg der zehnthäufigste Grund für Betroffene, die Kurzrufnummer 143 zu wählen. Am häufigsten kontaktierten Freiburger Betroffene im vergangenen Jahr die DH wegen Problemen bei der Bewältigung ihres Alltags: Knapp zwei Drittel der insgesamt 2200 Gespräche drehten sich darum. Psychisches Leiden und Einsamkeit sind weitere Themen, mit denen sich Menschen aus Freiburg 2023 oftmals an die DH wandten. Zirka 60 Prozent der Anrufenden aus dem Kanton Freiburg sind zwischen 41 und 65 Jahren alt. Fast drei Viertel aller Anrufe stammen von Frauen. Die meisten Anrufe erfolgen abends, auch wenn sie sich über den gesamten Tag sowie die Nacht verteilen. Jede vierte Person ruft regelmässig an. «Einige rufen sogar mehrmals täglich an», erzählt Amstutz.

Was alle Anrufenden eint, ist das Mitteilungsbedürfnis. Schmunzelnd erzählt Amstutz die Anekdote eines Mannes, der einst anrief und ins Telefon schrie, dass die Schweizer Nati gewonnen habe. Aber auch das ginge in Ordnung: «Wir sind für alle möglichen Situationen da.» (sf)

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