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Ein ganz normaler Tag in Venedig

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Hinter Mestre beginnt der Sumpf. Reiseführer reden ihn als «Lagune» schön, doch nur rund zehn Prozent davon sind dauerhaft vom Wasser bedeckt. Der Rest ist ein kaum passierbarer Matsch, in den die Venezianer im 5. Jahrhundert vor den einfallenden Germanen und Hunnen flüchteten. Mit Erfolg: Venedig wurde 1300 Jahre lang nie erobert, auch wenn es nicht wenige versucht haben. Zum Beispiel der König der Lombarden, Pepin, der 810 nach sechsmonatiger Belagerung vom Sumpf, respektive den darin hausenden Krankheiten, in seine Schranken gewiesen wurde.

Die Venezianer sorgten lange aktiv dafür, dass die Lagune ein ekliges Hindernis blieb. Um die fortschreitende Verlandung einzudämmen, leiteten sie im 15. und 16.   Jahrhundert kurzerhand alle Flüsse um, die in die Lagune mündeten. Das half, bis Napoleon die Stadt 1797 als Erster besetze.

Der Todesstoss aber kam 1846 in Form der Eisenbahnbrücke, auf der ich an diesem Bilderbuchfrühlingstag komfortabel der Wasserstadt entgegen­gleite. Wobei komfortabel eine eher unglückliche Beschreibung ist: Der Zug ist zum Brechen voll mit Touristen, die das erstbeste Ruderboot als Gondola erkennen wollen. Hätten die Venezianer die Brücke gebaut, wenn sie das geahnt hätten?

Doch trotz der Touristenhorden ist Venedig atemberaubend, nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Kanalisation. Da hilft nur die Flucht in die Höhe: Auf dem Campanile der Kirche San Giorgio Maggiore bilde ich mir ein, die zahlreichen Boote bei der Piazza San Marco würden auch heute noch Waren aus Dalmatien löschen und feilhalten. Doch der Schein trügt: Die Hektik rührt alleine daher, dass nur ein Selfie vor der Seufzerbrücke glaubhaft beweisen kann, dass man in Venedig war. Zum Glück datiert das unsere von einem früheren Besuch. Beim heutigen Gedränge auf dem Ponte della Paglia müssen sich die meisten mit einem Schnappschuss über fremde Köpfe hinweg zufriedengeben.

Dass der Ponte della Paglia überhaupt noch steht, ist erstaunlich, denn Venedig ist in wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut und versinkt unaufhaltsam im Meer. Ein Grund sind die Flussumleitungen, wodurch heute mehr Sedimente aus der Lagune geschwemmt werden als nachfliessen. Venedig liegt bereits 23 Zentimeter tiefer als noch 1900 und sinkt um weitere ein bis zwei Millimeter pro Jahr. Kein Wunder, stehen die meisten Gebäude schief oder drohen gar einzustürzen. Der berühmte Campanile auf der Piazza San Marco krachte zum Beispiel bereits 1902 zusammen. Beim Wiederaufbau wurden seine Fundamente verstärkt, aber gegen die durch den Klimawandel steigenden Fluten wird das wenig ausrichten.

Ich geniesse den letzten Blick auf das untergehende Juwel beim Mittagessen auf der Guidecca. Die Vaporettofahrt über den Kanal kostet unglaubliche 7.50 Euro, genau so viel wie mein angeblich typisch venezianisches Essen. Wie genau der Wirt auf die Idee kommt, mir eine Pizza alle Melanzane als typisch venezianisch zu verkaufen, ist mir ein Rätsel. Auberginen kamen erst im frühen Mittelalter nach Europa, und Tomaten wurden in Italien nicht vor 1800 gegessen! Aber ich lasse mir den traumhaften Blick über den ausgebaggerten Canale auch von den laut stinkenden Vaporetti nicht vermiesen.

Auf dem Weg zurück zum Bahnhof umgehe ich den Rialto geschickt, und doch erfasst mich bei der Kirche San Roco eine Welle Kreuzfahrttouristen. Trotz aktiven Gegenmassnahmen der Regierung wird die Stadt nach wie vor vom Massentourismus überschwemmt. Die wenigen verbliebenen Einwohner sehen wenig Nutzen in Besuchern, die nur für ein paar Stunden durch die Stadt rennen, billiges Essen konsumieren und neben verwackelten Fotos höchstens eine Plastikgondola made in China mit nach Hause nehmen. Der Tourismus droht aber nicht nur historische Städte wie Venedig in Vergnügungsparks zu verwandeln, er gefährdet auch ganz akut unsere Umwelt. Während ich mir meinen Weg durch die wilde Horde bahne, die der mitgereiste Führer gerade auf die bevorstehenden Tintoretto-Bilder einschwört, verwünsche ich alle Touristen nach Rimini.

Doch dann dämmert es mir: Ich bin keinen Deut besser. Und ich habe noch nicht mal eine Plastikgondola gekauft!

Beschämt überquere ich den Rio de le Muneghete Richtung Bahnhof und erhasche einen letzten Blick auf den Canale Grande. Der nächste Zug zurück nach Padova fährt in sieben Minuten. Doch so einfach lässt mich Venedig nicht gehen. Ewig stehe ich Schlange beim Ticketautomaten. Endlich bin ich an der Reihe und kann den von mir favorisierten Zug auswählen. Ich klicke auf «pagare biglietto» und schiele auf die grosse Uhr: Es müsste reichen. Doch der Automat streikt: Der gewählte Zug fährt in weniger als drei Minuten, informiert er mich höflich. Sind Sie sicher, dass Sie diese Fahrkarte kaufen möchten? Ja! «Attendere prego» … Zum Glück haben italienische Züge immer Verspätung! Verschwitzt mische ich mich unter die andern Touristen im hoffnungslos überfüllten Zug. Ja, Venedig, ich komme wieder.

Daniel Wegmann ist Professor für Bioinformatik an der Universität Freiburg und entwickelt statistische Verfahren, um evolutive und ökologische Prozesse aufgrund grosser Datensätze zu beschreiben. Er hat in Bern und den USA studiert und ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die regelmässig naturwissenschaftliche Themen bearbeitet.

Gastkolumne

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