Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück hat Kritik geübt an der Vielzahl von Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten. Die «Akkumulation von Heiligsprechungen von Päpsten durch Päpste» rufe inzwischen «selbst bei gläubigen Katholiken ein gewisses Stirnrunzeln hervor», schreibt Tück in der NZZ.
Anlass für die Wortmeldung des Theologen ist die kürzlich erfolgte Heiligsprechung von Papst Paul VI. durch Papst Franziskus. Die Kritik des Theologen entzündet sich dabei nicht allein an der Häufung der Selig- und Heiligsprechungen in den letzten drei Pontifikaten und insbesondere unter Johannes Paul II., sondern vor allem an der aktuellen innerkirchlichen Krisensituation. «Steht die Selbstsakralisierung der Institution Kirche nicht in krassem Missverhältnis zu den Krisen und Skandalen, die in letzter Zeit publik geworden sind?», fragt Tück entsprechend. «Man könnte meinen», so der Theologe weiter, «dass der anhaltende Bedeutungsverlust, den die päpstliche Autorität in den freien Gesellschaften erlitten hat, durch eine gesteigerte Bedeutungszuschreibung auf der Ebene des Persönlich-Charismatischen aufgefangen werden soll.»
Der Beispiele sind viele
Beispiele für diese vermehrte Selig- und Heiligsprechungspraxis gebe es genug: angefangen bei Pius X., der 1954 durch Papst Pius XII. heiliggesprochen wurde, über die Päpste Pius IX. und Johannes XXIII., die beide im Jahr 2000 durch Johannes Paul II. seliggesprochen wurden, bis hin zum polnischen Pontifex selbst, den Papst Benedikt XVI. 2011 selig- und Papst Franziskus 2014 heiliggesprochen hat. Ein weiteres Seligsprechungsverfahren läuft für den 33-Tage-Papst Johannes Paul I. Gewiss würden diese Selig- und Heiligsprechungen die Lebensleistungen der betreffenden Päpste für die Kirche würdigen. Jedoch seien sie auch nicht selten kirchenpolitisch motiviert, führt Tück weiter aus – etwa, wenn wie im Fall Pius X. und Pius IX. jeweils ein Anti- Modernist und Liberalismus-Kritiker zur Ehre der Altäre erhoben wurde, oder wenn wie im Fall Johannes XXIII. jener Papst gewürdigt wurde, der das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hatte.
Im Blick auf Papst Paul VI. warb Tück in der NZZ dafür, diesen Papst nicht als «Pillen-Papst» abzustempeln beziehungsweise den Blick auf sein Wirken nicht auf die bis heute umstrittene Enzyklika «Humanae Vitae» von 1968 hin zu verengen.