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Gerhard Andrey: «Wir müssen unseren Energiekonsum überdenken»

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Strommangel dürfte bereits in diesem Winter bittere Realität werden. Wie kommt es dazu, und was kann getan werden? Die FN haben mit dem Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey (Grüne) über die Lage gesprochen. 

Alle reden davon, dass es im Winter zu Stromengpässen kommen wird – wie kritisch schätzen Sie die Lage ein?

Es sieht tatsächlich danach aus, dass wir Schwierigkeiten bekommen werden im kommenden Winter. Aber auch in den kommenden Jahren dürfte die Lage angespannt bleiben, weil wir zu lange auf Öl und Gas gesetzt haben und nun der Bau von Solar- und Windanlagen sehr hektisch angegangen werden muss.

Was sind die Ursachen des drohenden Engpasses?

Einerseits akzentuieren sich die bereits in der Covid-Krise entstandenen Störungen in den internationalen Lieferketten. An gewisse Materialien zu kommen wird schwieriger, und zudem fehlen Fachkräfte. Andererseits werden Energieträger strategisch eingesetzt, um Kriegsführung zu betreiben, was wir nun in Europa zu spüren bekommen.

Und zwar bereits in diesem Winter?

So sagen es jedenfalls die Energiebranche und die Verwaltung voraus. Aber es ist noch nicht alles verloren. Wir können sehr wohl etwas dagegen tun, indem wir mit weniger Energie klarkommen. Darüber wird meines Erachtens viel zu wenig geredet. Wir haben immer noch einen unglaublichen Energiekonsum und gehen davon aus, dass das ewig so weitergehen kann. Das muss sich ändern – nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen.

Haben Sie denn bereits einen Vorrat an Kerzen und Kaminholz angelegt?

(lacht) ich habe tatsächlich LED-Birnen bestellt, die noch zwei Stunden nach Stromabschaltung weiterbrennen können. Darüber wurde am Montag im Radio berichtet, und das wollte ich ausprobieren.

Sie haben diese möglicherweise dramatische Zuspitzung der Lage selbst also auch nicht früher vorausgesehen?

Die Pandemie und den Krieg in der Ukraine, die auf die Klima- und Biodiversitätskrise obendrauf kommen, konnte niemand so voraussehen. Hingegen schockiert es mich selbst, wie sehr wir Grünen richtig lagen, wenn wir schon vor Jahren auf die Gefahr hingewiesen hatten, sich von Energieträgern aus politisch problematischen Ländern wie Russland abhängig zu machen.

Die Schweiz hätte viel früher damit beginnen sollen, in den erneuerbaren Energien eine Führungsposition einzunehmen, auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. In den 1990er-Jahren war die Schweiz Pionierin in der Fotovoltaik. Diese Position hat sie leider verspielt, und das ist auch fehlendem politischem Willen geschuldet.

Die Schweiz hat derweil vielmehr auf fossile Energien und AKW gesetzt, warum?

Wie so oft wissen etablierte Akteure ihren Besitzstand und ihre Interessen gut zu vertreten. Es ist kein Geheimnis, dass die Erdöl- und die Nuklearlobby in Bern stark sind. Die Politik hat sich an diesen etablierten Interessen orientiert und nicht an dem, was es für eine unabhängige, nachhaltige Energieversorgung braucht, nämlich Sonnen- und Windenergie, Biomasse und Wasserkraft.

Fossile Energien und Nuklearstrom waren lange sehr billig zu haben. Fehlte der Politik schlicht der Schneid, den Menschen die Notwendigkeit des kostspieligen Energieumbaus zu verklickern? Kommt darum die Umsetzung der Energiestrategie 2050 nicht richtig in Fahrt?

Das Problem ist, dass viel Ungewissheit gestreut und nicht ehrlich gerechnet wurde. Denn es ist glasklar: Sowohl die Sonnen- als auch die Windenergie sind die preiswertesten Energieformen. Sie sind viel effizienter geworden und deshalb insgesamt günstiger als Erdöl, Erdgas und Uran.

Jetzt ist der Stromengpass aber real, welche Optionen hat die Schweiz, um aus dieser Situation kurzfristig und langfristig herauszukommen?

Ich wiederhole mich: Die einfachste Lösung ist, Energie gar nicht erst zu verbrauchen. 

Wir müssen uns ernsthaft mit unserem Konsum- und Mobilitätsverhalten auseinandersetzten, um den Energiebedarf zu reduzieren.

Dann müssen wir den Solarzubau endlich vorantreiben, und zwar schneller, als dies aktuell der Fall ist. Das Gleiche gilt für die Wind- und Wasserenergie, wobei die Möglichkeiten bei der Wasserenergie nur noch begrenzt sind. Vor allem die Sonnenenergie muss auf jedem geeigneten Dach zur Normalität werden.

Sparen kommt aber selten gut an.

Doch, ich sehe das auch positiv. Not macht erfinderisch, und wenn die Schweiz in etwas gut ist, dann ist es im Finden von innovativen und besseren Lösungen. 

Solche brauchen aber Zeit, und der von ihnen angesprochene Ressourcen- und Fachkräftemangel wird auch nicht für eine schnelle Lösung der Probleme sorgen.

Das werden wir sehen. Die Schweiz hat den Vorteil, dass sie ein grösseres Portemonnaie hat als andere, was zwar global gesehen nicht unbedingt gerecht ist, es ihr aber ermöglicht, Materialien zu besorgen, wo andere nicht mehr mithalten können.

Eine Idee des Bundesrates zur kurzfristigen Problemlösung besteht in der Stromkontingentierung bei Unternehmen, was halten Sie davon?

Wir Grünen plädieren für eine liberalere Lösung im Sinne einer Auktion: Ein Unternehmen, das die Möglichkeit hat, weniger Strom zu verbrauchen, sollte dieses Potenzial anderen Unternehmen, die diesen Strom brauchen, verkaufen können. Dieses Modell würde ich sogar auf individueller Ebene anwenden. Es wäre toll, wenn es einen finanziellen Anreiz zum individuellen Stromsparen gäbe.

Von verschiedener Seite wird der Weiterbetrieb von Kernkraftwerken gefordert, ist das kurzfristig keine Option?

Bei den AKW kann man gerade aktuell sehen, wie schwierig der Weiterbetrieb ist, weil die Fliessgewässer zu warm sind, um sie zu kühlen. Zudem verfügen wir in der Schweiz über kein Uran, vielmehr kommt auch dieses unter anderem aus Russland. Für den Abfall gibt es immer noch keine Lösung und schliesslich sind AKW nicht wirtschaftlich. Die Kosten stehen in keinem Verhältnis zu Investition und Betrieb von Solar- und Windanlagen.

Und warum ist die Wasserkraft an ihre Grenzen gekommen?

Es macht keinen Sinn, zusätzliche Bäche zu stauen, um Mikrokraftwerke zu installieren. Denn auch hierfür wird in Zukunft immer häufiger das Wasser fehlen. Zudem entsteht ein unverhältnismässiger Schaden an der Biodiversität. Potenzial gibt es noch punktuell im Hochgebirge, wo sich der Bau von Speicherstauseen anbietet und grosse Fotovoltaik- und Windanlagen denkbar sind.

Gerade in Sachen Windenergie gibt es aber viel Widerstand in der Bevölkerung.

Für mich ist die Windenergie vergleichbar mit der Wasserkraft. Vor Jahrzehnten waren die Bergdörfer wohl auch nicht besonders begeistert von der Idee, dass ihre Täler mit Wasserkraftwerken verbaut werden. Dennoch haben sie sich arrangiert, weil sie über den Wasserzins entschädigt wurden. Gleiches ist denkbar bei der Windkraft. Der Vorteil bei der Windkraft, aber auch bei der Fotovoltaik, ist zudem, dass sie relativ einfach zurückgebaut werden können, sollten dereinst Alternativen auf den Markt kommen.

Viele Menschen empfinden Windanlagen aber als Verschandelung der Natur. Sie sorgen sich zudem um Lärm und die Vögel, die zu Schaden kommen. 

Es ist so, Windkraft ist ein sehr emotionales Thema und je nach Region aus verschiedenen Gründen. Im Kanton Freiburg ist es das mangelnde Mitspracherecht der Bevölkerung. Was den ökologischen Fussabdruck angeht, möchte ich daran erinnern, dass Katzen, der Verkehr oder der Klimawandel den viel grösseren Einfluss auf das Vogelsterben haben. Aber ja, auch eine Windanlage hat einen Fussabdruck.

Kann es im Gegenzug sein, dass wir auf Windkraft setzen, um die boomende E-Mobilität zu ermöglichen?

Es kann nicht sein, dass wir ganze Landstriche für eine übertriebene Auto-Mobilität hergeben müssen. Es braucht ein Umdenken für mehr Velos, E-Bikes und ÖV, dann braucht es auch weniger Windräder.

Bis jetzt hat die Schweiz vor allem darauf gesetzt, sich an nachhaltigen Energieanlagen im Ausland zu beteiligen, etwa an Windanlagen. Ist das keine Option?

Die Schweiz sollte die Energieproduktion grundsätzlich im eigenen Land vorantreiben. Gleichzeitig haben wir nicht die gleichen Möglichkeiten wie Norddeutschland in Sachen Windenergie. Dafür haben wir Speicherpotenzial mit der Wasserkraft. Das heisst, wir müssen innerhalb von Europa zusammenarbeiten. Deshalb ist es zwingend, dass wir unsere Beziehungen zur EU verbessern. 

Könnte man im Notfall auf die Solidarität unter den Ländern zählen?

Es muss klar eine Balance erreicht werden zwischen dem, was die Schweiz anbieten kann, und ihrer Abhängigkeit von ausländischem Strom. 

Wenn es aber hart auf hart kommt, werden wir nicht darauf zählen können, dass wir französischen Nuklear- oder deutschen Windstrom bekommen. Denn innenpolitisch wäre es aus der Sicht dieser Länder kaum vertretbar, dass sie ihren Strom exportieren, während die eigenen Leute frieren.

Zurück zum lieben Geld: Wie soll der Energieumbau finanziert werden?

Eine Möglichkeit ist, die heute externalisierten Kosten endlich in die Preise von fossilen Energieträgern zu integrieren. Das stösst aber in vielen Ländern auf grossen Widerstand, in der Schweiz war dies zuletzt beim CO2-Gesetz der Fall. Wichtig dabei ist allerdings, dass Preise, die der Kostenwahrheit entsprechen, auch immer sozialverträglich flankiert werden. Eine andere Möglichkeit besteht in Verboten, zum Beispiel von Ölheizungen, wie diese einige Kantone bereits erlassen haben. Die dritte Variante besteht darin, dass öffentliche Mittel gezielt in nachhaltige Energieprojekte investiert werden. Bei den Bundesbahnen, beim Gotthardtunnel oder all den Staumauern hat man schliesslich auch nicht gesagt, das überlassen wir der Privatwirtschaft, das kommt schon gut. Nein, das waren politische Entscheidungen, die die Willensnation Schweiz getroffen hat.

Serie

Stromengpass 

Die «Freiburger Nachrichten» beleuchten in einer Serie die Gründe und Auswirkungen eines drohenden Stromengpasses. Wir sprechen darüber mit Expertinnen und Politikern und fragen nach möglichen Lösungen für das Problem. rsa

Kommentar (1)

  • 10.08.2022-Leser

    Gutes Interview…. ich bin zwar nicht auf der gleichen Parteilinie wie Gerhard Andrey, aber es ist klar, dass Energiesparen wohl einer der Hauptpunkte ist, damit wir nicht früher oder später in eine Energiekrise kommen, wie es übrigens schon länger in anderen Ländern aufgrund von zuviel Klimaanlagen etc.. der Fall ist.
    Und genau hier sieht man heute ja den Widerspruch.. alle reden vom Klimawandel und Ökostrom, aber der Wandel muss auch bei jedem im persönlichen Handeln vonstatten gehen… ein superisoliertes Minenergiehaus zu bauen ist ok, aber es bringt dann wenig, wenn man draussen einen Pool hat und gleichzeitig Klimaanlagen kauft um die Räume zu kühlen und dann ggf. noch mehrere E-Autos in der Garage parkt… es sei denn man produziert sämtlichen Strom selber…
    Und beim Indiviualverkehr sehe ich leider gerade im Kanton und der Stadt Freiburg null Fortschritte… die ÖV Anbindungen zwischen den Kommunen ist quasi inexistent… ausser für Schülertransporte… Leben auf dem Land ohne Auto daher gar nicht machbar, denn die 30% über 60 fahren kaum im Winter mit dem E-Bike herum…

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