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«Ich wollte ihm helfen»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Scham. Das empfindet die Senslerin mittleren Alters. Aber auch Wut. Wut auf den Mann, der erst ihrer Tochter und dann auch ihr alles Geld aus den Taschen zog. Sie schämt sich darüber, dass dies möglich war und sie dem Mann Glauben geschenkt hat.

Alles begann vor vier Jahren, als ihre Tochter dem Freund einer Kollegin 500 Franken auslieh. Seine Freundin war damals im Spital, und er sagte der 25-jährigen Tochter, er finde seine Bankkarte gerade nicht; er werde das Geld aber gleich zurückzahlen. So ging das über ein Jahr hinweg. «Meine Tochter erzählte mir nichts, aber ich merkte, dass es ihr nicht gut ging», sagt die Mutter.

«Er sagte mir: ‹Gäu, du hilfst mir da heraus?›»

 

Die Tochter zog sich zurück, hatte oft Kopfweh, weinte scheinbar grundlos. Bis sie mit der Wahrheit herausrückte: Sie hatte dem Mann innert eines Jahres 27 645 Franken geliehen. Ihr ganzes Vermögen. Und er zahlte keinen Rappen zurück. Nach einem Jahr versprach er ihr, 10 000 Franken zurückzugeben, erschien aber mit leeren Händen. «Da ist für sie eine Welt zusammengebrochen, und sie hat uns alles erzählt.»

«Ich verstand nicht, warum sie ihm das Geld gegeben hat», sagt die Mutter. «Sie war nicht verliebt in ihn, sie hatten keine Bettgeschichte – sie lieh es ihm einfach so.» Die Mutter nahm das Ganze in die Hand: Sie schlug dem 35-Jährigen vor, die Schulden bei ihr abzuzahlen. Sie traf sich mit ihm bei seiner Mutter, die sie kannte. «Sie half uns aber nicht, sie sagte nur zu ihrem Sohn: ‹Warum musst du diesen Mädchen immer das Geld aus der Tasche ziehen?›»

Der Mann gestand der Frau, dass er noch mehr Schulden habe, obwohl er einen guten Lohn erhalte und gratis bei seiner Mutter wohne. «Er sagte mir: ‹Gäu, du hilfst mir da heraus?›» Und so setzte sie sich mit ihm zusammen an einen Tisch. Sie trugen die Rechnungen zusammen und zählten die Schulden: 33 000 Franken. Sie erstellten gemeinsam einen Entschuldungsplan: Die Frau gab ihm die 33 000 Franken, damit er die Schulden zurückbezahlen und reinen Tisch machen konnte. Sie vereinbarten in einem Vertrag, mit welchen Monatsraten er das Geld – und auch die Schuld gegenüber der Tochter – abzahlen werde. «Er dankte mir für meine Hilfe und umarmte mich.»

Die erste Monatsrate kam denn auch anstandslos. «Doch bereits am Ende des nächsten Monats zahlte er nichts», erzählt die Frau. Sie wollte ihn treffen, doch er hatte nie die Zeit dazu. Und wenn sie ihn trotzdem per Zufall in der Region sah und ihn später darauf ansprach, stritt er alles ab. «Er kann sehr überzeugend lügen.»

Der Mann zog mit seiner schwangeren Freundin zusammen. Er leaste ein Auto und bezahlte dafür monatlich 840 Franken. Er machte Ferien in Österreich und bestellte Material im Wert von 9000 Franken: einen Skiträger für das Auto, Skianzüge und vieles mehr. «Er lebt ein gutes Leben, und wir haben nichts mehr.» Das ganze Ersparte ist weg. «Wir mussten schon das Auto wechseln.» Die Familie dreht jeden Rappen zwei Mal um. Ferien liegen nicht drin.

Der Mann hatte immer gute Gründe, warum er jetzt gerade nichts zurückzahlen könne, aber bald schon Geld habe – beispielsweise eine Lebensversicherung, die ausbezahlt wird. «Wir waren in ständigem Kontakt, er rief mich unter der Woche täglich an, manchmal auch mehrmals am Tag.» Er sagte, die Gespräche täten ihm gut und beruhigten ihn. «Ich wollte ihm Halt geben und die Möglichkeit, sein Leben neu zu ordnen.»

Doch es floss kein Geld. Oder fast keins. «Als ich ihn einmal wirklich stark bedrängte, brachte er mir dreihundert Franken vorbei», sagt die Frau. «Er sagte mir, er habe es aus dem Kässeli seines kleinen Sohnes genommen, weil ich ihn nicht in Ruhe liess.»

Die Frau ist noch heute erstaunt, wie ruhig der Mann immer blieb. Ab und zu besuchte er sie. Wenn sie ihn dann früher oder später beschimpfte, reagierte er nicht. Er nahm sie in den Arm und sagte: «Zusammen schaffen wir das.»

Irgendwann wusste die Frau nicht mehr ein noch aus. Sie ging zur Polizei – und erfuhr, dass ihre Familie nicht das einzige Opfer des Mannes war. «Auf Anraten der Polizei haben wir im September 2017 die Betreibung eingeleitet.» Sie sah die Beitreibungsliste ein: Der Mann hat Steuerschulden, bezahlte Krankenkassenprämien nicht, Kreditkartenrechnungen sind offen – und auch zahlreiche Private haben ihn betrieben.

«Er schämt sich nicht einmal für seine Schulden», sagt die Frau. «Er hat mir erzählt, dass er auch ganz viel Geld erhalten hat, ohne dass die Leute dafür eine Quittung verlangten. ‹Die können nichts gegen mich unternehmen›, sagte er mir fast stolz.»

Die Frau hat andere Gläubiger des Mannes kontaktiert. «Sie waren froh, konnten sie mit mir darüber sprechen.» Denn da ist diese Scham, dass man auf einen Betrüger hereingefallen ist: Sie macht, dass die Betroffenen lieber schweigen, als sich jemandem anzuvertrauen. «Man fühlt sich hilflos.» Darum spricht die Frau nun mit den «Freiburger Nachrichten»: Damit andere vor dem Mann gewarnt sind. Und damit noch mehr Betroffene sich wehren.

Forensik

«Narzissten begehen gravierende Delikte»

Erstellen forensische Psychiater ein Gutachten über einen Täter für ein Gericht, dann kommt darin oft das Wort Narzisst vor. Rigobert Hervais Kamdem, Direktor des Freiburgischen Zentrums für forensische Psychiatrie, betont, dass Narzissten gravierende Delikte begehen, wenn sie kriminell werden. «Das kann ein Betrug sein, bei dem es um grosse Geldmengen geht; aber auch schwere Gewaltdelikte.» Die Mehrheit der Personen, die vor Gericht stehen, seien keine Narzissten. Doch habe ein grosser Anteil jener, die schwerwiegende Delikte begehen, ausgeprägte narzisstische Züge.

«Narzissten haben kein grosses Selbstvertrauen und kaschieren dies, indem sie Kompetenzen vorspielen, die sie nicht besitzen», sagt Rigobert Hervais Kamdem. Sie seien sich meist nicht bewusst, dass ihr Selbstvertrauen klein sei. «Sobald die Gefahr besteht, dass die Maske fallen könnte, können sie eine kriminelle Tat begehen.» Das könne ein Betrug sein, um an das Geld zu kommen, mit dem sie ihren teuren Lebenswandel finanzieren. Oder aber auch eine Gewalttat gegen die Person, die dahinter kam, dass der Narzisst nur etwas vorgespielt hat. «Ein Narzisst verträgt es nicht, dass er entlarvt wird und seine Fassade in sich zusammenfällt.»

Psychopathen und Narzissmus

Ein Narzisst sei sehr kalt und kenne keine Empathie; er sei ein Manipulator und könne sehr gut reden, sagt Rigobert Hervais Kamdem. «Es sind oft charmante Menschen.»

Echte Psychopathen trügen immer auch narzisstische Züge in sich. «Einige wissenschaftliche Autoren sind der Meinung, ein Psychopath sei ein aggressiver Narzisst», sagt der forensische Psychiater.

njb

 

Psychologie

«Narzissten haben ein grandioses Selbstbild»

Menschen, die andere sehr gut um den Finger wickeln können, dabei aber nur an sich selber denken: Sie passen in das Bild des Narzissten. Die betrogene Sensler Familie (siehe Haupttext) geht denn auch davon aus, dass der Mann, der ihr alles Geld abgenommen hat, ein Narzisst ist.

Narziss ist in der griechischen Mythologie der schöne Sohn des Flussgottes Kephissos und der Leiriope. Als er sich über eine Quelle beugt, um zu trinken, sieht er sein Spiegelbild und verliebt sich in sich selber. Sigmund Freud brachte den Begriff vor rund hundert Jahren in die Psychoanalyse ein.

In jedem von uns

«Ein kleiner Narzisst steckt in uns allen», sagt Petra Klumb, Psychologieprofessorin an der Universität Freiburg. «Diese Seite kann uns beflügeln und zu positiven Resultaten führen.» Wessen narzisstische Seite zu wenig ausgeprägt ist, kommt weniger gut durchs Leben. Wer aber zu narzisstisch ist, leidet an einer Persönlichkeitsstörung.

«Narzissten haben ein grandioses Selbstbild», sagt Petra Klumb; sie fühlten sich allen anderen überlegen. «Tief im Innern wissen sie aber, dass dies unrealistisch ist.» Narzissten müssten einen grossen Aufwand treiben, um diese Zweifel abzuwenden. «Ihre Stimmung kann sich sehr schnell verändern, mehr als bei anderen – weil sie sich einmal allen überlegen fühlen und dann sehr schnell wieder daran zweifeln und nach Lob streben.»

«Sie können sehr charmant und überzeugend sein», sagt Petra Klumb. «Man kann ihnen verfallen.» Die negativen Seiten seien Folgen des Selbstschutzes: Weil eine narzisstische Person daran glauben wolle, dass sie die tollste Person unter der Sonne sei, könne sie sehr schlecht mit Kritik umgehen. «Bereits die kleinste Kritik kann zu aggressiven Ausbrüchen führen.»

Obwohl Narzissten so empfindlich sind, können sie sich nicht in andere Personen hineinfühlen: «Sie haben keine Empathie.» Gleichzeitig nehmen sie soziale Situationen sehr genau wahr und wissen, wie sie mit wem reden müssen, um bei der Person anzukommen.

«Narzissten sind miserable Führungspersonen», sagt Petra Klumb. Sie wollten alle Lorbeeren für sich. Wenn aber etwas schiefgehe, schöben sie die Verantwortung immer auf die anderen ab. «Und sie haben keine Skrupel, jemanden vor allen anderen blosszustellen, nur um sich selber besser darzustellen.»

Einfühlungsvermögen fehlt

«Narzissten können skrupellos schummeln, um sich Dinge zu ermöglichen, die sonst nicht möglich wären», sagt Pet­ra Klumb. «Sie nehmen dabei nicht wahr, ob sie dabei jemanden schädigen.» Sie könnten sich auch nicht in die Person hineinfühlen, die dabei auf der Strecke bleibe und etwas verliere.

Weil Narzissten so charmant sein können und sich stets von ihrer besten Seite präsentieren, geht es meist lange, bis jemand merkt, mit wem er es wirklich zu tun hat. Gerade für Altruisten kann das schwierig sein: «Altruisten können sich gar nicht vorstellen, dass sich jemand so egoistisch verhält und nicht zu seinem Wort steht», sagt Petra Klumb. Sie hätten darum noch mehr Mühe, einen Narzissten zu erkennen.

njb

 

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