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Gerechtigkeit durch die Glasscheibe

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Jedes Jahr werden im Kanton Freiburg mehr Fälle von sexueller Gewalt gemeldet. Seit 20 Jahren kämpft die Brigade für Sittlichkeitsdelikte und Misshandlungen darum, Gerechtigkeit für Opfer zu gewährleisten.

Jan Buchs sitzt auf einem schwarzen Lederstuhl. Hinter einer verdunkelten Glasscheibe, durch die nur er die andere Seite sehen kann, die andere Seite ihn aber nicht. Er trägt Kopfhörer und sitzt neben einem Monitor. Aufmerksam verfolgt er das Geschehen auf der anderen Seite der Scheibe.

Dort befindet sich ein büroartiger Raum mit grau-weiss gemustertem Teppichboden, einem weissen Regal und sattgrünen Pflanzen. Eine Kollegin von Buchs sitzt einem jungen Mädchen gegenüber. Sie stellt schwierige Fragen. In einfachster Sprache. Schliesslich ist das Mädchen gerade mal fünf Jahre alt. Trotzdem sind ihre Aussagen von unschätzbarem Wert. Sie bilden die Basis für die Ermittlungen von Buchs und seinem Team. Er und seine Kollegin sind Inspektoren, das Mädchen ein Opfer eines Sexualdelikts. Die Inspektorin befragt, Buchs begutachtet, die Ermittlungen laufen.

So oder ähnlich wie in dieser fiktiven Szene laufen gefilmte Einvernahmen der Brigade für Sittlichkeitsdelikte und Misshandlungen ab. Eine unauffällig in dem weissen Regal platzierte Kamera und ein Mikrofon zwischen der Inspektorin und dem Opfer zeichnen die Einvernahme auf. Die Brigade führt diese bei minderjährigen und geistig beeinträchtigten Opfern durch, um sicherzustellen, dass Opfer und Beschuldigte sich nicht noch einmal gegenüberstehen müssen. Bei Bedarf kann die Einvernahme direkt live in den Gerichtssaal übertragen werden. Die jüngsten Opfer, die die Brigade einvernimmt, sind etwa fünf Jahre alt. «Davor ist das sprachlich noch nicht so richtig möglich», sagt Jan Buchs.

Von Kindesmissbrauch bis Prostitution

Buchs ist stellvertretender Chef der Brigade für Sittlichkeitsdelikte und Missbrauchshandlungen (BSM). Diese ermittelt seit 20 Jahren bei jeglicher Art von Straftaten gegen die sexuelle Integrität. Dazu gehören Delikte wie illegale Pornografie, Prostitution, Kindesmisshandlungen, Vergewaltigung und vieles mehr.

Die BSM und die Jugendbrigade, die bis 2004 eine gemeinsame Brigade darstellten, werden als Untereinheit der Kriminalpolizei im «Kommissariat Spezialisierte Kriminalität» gelistet. Wie der Name schon sagt, ist die Brigade auf bestimmte Fälle spezialisiert. Welche sie bearbeitet und welche nicht, hängt von der Dringlichkeit ab. Obwohl nie ein Fall abgewiesen wird, kommen nicht alle Fälle bis zur BSM. «Einfachere Ermittlungen führen auch die Gendarmerie oder andere Brigaden durch», sagt Buchs. Alle schwerwiegenden Fälle, wie Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung, landen aber unweigerlich auf dem Tisch einer Inspektorin oder eines Inspektors der BSM. Um in Notfällen sofort Ermittlungen einleiten zu können, ist immer eine Inspektorin der Brigade auf Pikett-Dienst bei der Kriminalpolizei.

Gefilmte Einvernahmen von Minderjährigen darf ebenfalls nur die BSM selbst vornehmen. «Dafür braucht es eine spezielle Ausbildung des schweizerischen Polizeiinstituts, ohne die das nicht möglich ist», sagt Buchs. Die Strafprozedur verlange, dass die gefilmte Einvernahme von zwei Spezialisten gemacht wird: einer Person, welche die Einvernahme durchführt, und einer, die sie im Nebenraum hinter der Scheibe begutachtet.

100 offene Fälle

Derzeit zählt die BSM 24 Mitarbeitende. Damit ist der Sektor einer der am stärksten wachsenden bei der Freiburger Kantonspolizei: «Vor zehn Jahren waren wir nur zu neunt», erinnert sich Buchs. Auch wenn das Team schon gross genug sei, könnte die Brigade noch immer zusätzliche Kräfte brauchen. Arbeit gebe es schliesslich genug:

Derzeit arbeiten wir ungefähr an 100 offenen Fällen.

Jan Buchs
Stellvertretender Chef der Brigade für Sittlichkeitsdelikte und Misshandlungen

Fallzahlen steigen

Der Grund für die starke Aufstockung des Teams liegt im starken Anstieg der Fallzahlen. Die gemeldeten Straftaten gegen die sexuelle Integrität nehmen sowohl im Kanton als auch schweizweit jährlich markant zu. Im Jahr 2018 haben die Ermittlungsbehörden in der Schweiz etwa 7500 Fälle, im Kanton Freiburg 205 Fälle registriert. 2022 waren es auf nationaler Ebene knapp 9200 und auf kantonaler Ebene deren 349. Das Jahr 2022 markierte nationale und kantonale Höchstwerte.

Auch die besonders schweren Delikte haben im Kanton Freiburg allein zwischen 2021 und 2022 deutlich zugenommen. Die Zahl der Fälle von sexuellen Handlungen mit Kindern ist innerhalb eines Jahres um 25 Prozent gestiegen. Gleichzeitig verzeichneten die kantonalen Behörden bei der Vergewaltigung eine Zunahme von 60 Prozent und bei der sexuellen Nötigung gar eine Zunahme von 71 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Veränderung der Anzahl der gemeldeten Straftaten gegen die sexuelle Integrität im Kanton Freiburg zwischen 2018 und 2022.
Grafik: Sven Florin
Schweizweite Veränderung der Anzahl der gemeldeten Straftaten gegen die sexuelle Integrität zwischen 2018 und 2022.
Grafik: Sven Florin

Nimmt die Gewalt wirklich zu?

Auf diese Statistiken angesprochen, entgegnet der stellvertretende Brigadechef Jan Buchs, dass steigende Zahlen nicht unbedingt mehr Gewalt bedeuten. Die Anzeigenrate sei durch die stärkere gesellschaftliche und mediale Thematisierung der Problematik stark angewachsen, führt Buchs aus:

Wir stellen seit der ‹Me Too›-Bewegung fest, dass vermehrt Straftaten angezeigt werden. Opfer wurden dadurch ermutigt, eine Anzeige zu machen.

Das gelte auch für schwerwiegende Delikte wie Vergewaltigungen oder sexuelle Nötigung. «Das Tabu ist heute weniger gross als noch vor zehn oder 20 Jahren. Das führt dann auch zu mehr Anzeigen.»

Eine wirklich feststellbare Zunahme der Sexualdelikte sieht der stellvertretende Brigadechef nur bei der illegalen Pornografie. Der vereinfachte Zugang zu dieser sowie eine tiefere gesellschaftliche Hemmschwelle seien der Grund dafür.

Hohe Dunkelziffer

Dennoch ist sich Buchs sicher, dass weiterhin etliche Fälle nicht gemeldet werden. Einen Grund dafür sieht er in der Örtlichkeit der Sexualdelikte. Mit Ausnahme der Tatbestände der sexuellen Belästigung und des Exhibitionismus geschieht ein Grossteil der Sexualstraftaten im privaten Raum, wie ein Blick in die jährlich erscheinende polizeiliche Kriminalstatistik zeigt: So geschahen im Jahr 2022 rund 70 Prozent der sexuellen Strafhandlungen mit Kindern, 60 Prozent der sexuellen Nötigungen sowie 80 Prozent der Vergewaltigungen hinter verschlossenen Türen. 

Es gebe zwar auch Delikte wie Vergewaltigungen, bei denen das Opfer von einer wildfremden Person auf der Strasse überfallen wird, so Buchs. Diese Fälle seien aber deutlich in der Minderheit. In vielen Situationen kennen sich Täter und Opfer gut, fährt Buchs fort. Die Ermittelnden sprechen im Polizeijargon schon von «Vieraugendelikten». Er führt aus:

Straftaten von sexueller Gewalt passieren oftmals im familieninternen Kreis.

Das Problem dabei: Der Aspekt der Nähe oder Familie kann ein Opfer davon abhalten, Anzeige zu erstatten. «Es hat vielleicht Gefühle für den Täter oder Angst, die Familie zu zerstören», sagt Buchs. Das erschwere die Arbeit der Brigade. 

Ein Grossteil der Sexualdelikte passiert hinter verschlossenen Türen, erklärt Jan Buchs.
Bild: Charles Ellena

Kein typisches Opfer

Täterprofile erstellt die Brigade keine. Auch wenn es hier und da Wiederholungstäter gebe, liessen sich keine konkreten Muster für sexuelle Gewalt ableiten, so Buchs. Für ihn fällt die sexuelle Gewalt unter jene Straftaten, die sich über alle sozialen Schichten, Bildungsniveaus, Altersstufen und Nationalitäten gleichermassen erstrecken. Er betont:

Es gibt keinen typischen Täter oder ein typisches Opfer. Jeder kann Täter oder Opfer werden.

Die eigentliche Mission der Brigade bestehe ohnehin darin, den Straftaten nachzugehen und Fälle aufzuklären. Den Täter zu identifizieren gelinge in den meisten schwerwiegenden Fällen, da sich die Opfer und die Täterschaft kennen. «Die Schwierigkeit besteht dann darin, den Sachverhalt richtig festzustellen.» Häufig fehlen hierbei materielle Hinweise, und das Gericht muss sich auf die Glaubwürdigkeit der Parteien stützen, um ein Urteil zu fällen. «Der Fall ist dann keineswegs aussichtslos. Auch Aussagen sind Beweise, die zu Verurteilungen führen können», erklärt Buchs. Hierfür sei eben die gefilmte Einvernahme von enormer Wichtigkeit.

Aufklärung ist das A und O

Um die Anzeigebereitschaft der Opfer weiter zu fördern und das Thema zusätzlich zu enttabuisieren, arbeitet die BSM eng mit verschiedenen Institutionen wie dem Jugendamt, Friedensgerichten oder Opferberatungsstellen zusammen. Zudem führt sie mit der mit ihr verbundenen Jugendbrigade Präventionskampagnen durch, bei denen sie Schulkinder je einmal in der Primar- und der Orientierungsschule über den allgemeinen Umgang mit Gewalt jeglicher Art unterrichtet. «Das sind alles Hilfsmittel, die ein Opfer dazu bringen können, weniger Angst zu haben und sich zu trauen, Anzeige zu erstatten», stellt Buchs klar.

Aus Sicht des stellvertretenden Brigadechefs ist die frühzeitige Aufklärung ein zentraler Aspekt in der Prävention. «Die Gesellschaft von Kindesbeinen an zu sensibilisieren, ist ein Lösungsansatz im Kampf gegen Gewalt im Allgemeinen als auch gegen sexuelle Gewalt», sagt er.

Es ist ein Kampf, den Jan Buchs und das Team der Brigade für Sittlichkeitsdelikte und Misshandlungen täglich auf den schwarzen Ledersitzen hinter der Glasscheibe führen. Mit der Überzeugung, für Gerechtigkeit und den Schutz derer zu kämpfen, die ihre Stimme oftmals erst im büroartigen Raum auf der anderen Seite der Scheibe finden.

Deliktspezifische Aufklärungsraten

Die Erfolgsaussichten, eine Straftat gegen die sexuelle Integrität aufzuklären, sind je nach Delikt sehr unterschiedlich. Das zeigt auch die polizeiliche Kriminalstatistik: Gemäss dieser konnten im Jahr 2022 im Kanton Freiburg knapp 84 Prozent aller Sexualdelikte aufgeklärt werden. Während bei der illegalen Pornografie 100 Prozent der Fälle aufgeklärt werden konnten, waren es beim Exhibitionismus nur knapp zwei Drittel. Der stellvertretende Leiter der Brigade für Sittlichkeitsdelikte und Missbrauchshandlungen, Jan Buchs, erklärt dies wie folgt: «Anzeigen wegen Pornografie beziehen sich fast immer auf einen bereits identifizierten Täter. Beim Exhibitionismus hingegen treffen Täter und Opfer zufällig aufeinander und kennen sich nicht.» Letzteres erschwere es, den Täter zu identifizieren.

Dass ein Fall aufgeklärt werde, bedeute aber nicht automatisch, dass der Beschuldigte auch wirklich verurteilt werde, stellt Buchs klar: «Die Aufklärungsrate beziffert die gemachten Anzeigerapporte, nicht die Statistik der Verurteilungen.» (sf)

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