Autor: Irmgard Lehmann
FreiburgDie Stars am Sonntag in der Kollegiumskirche St. Michael waren eindeutig die Solisten. Vorab Julian Prégardien, der mit seinen 24 Jahren über einen unglaublich makellos reinen und expressiven Tenor verfügt.
Mit mustergültiger Wortdeutlichkeit und einer Präsenz sondergleichen interpretierte er in Haydns Oratorium «Die Schöpfung» seinen Part als Uriel. Ja, Julian, aufgewachsen in Frankfurt, ist der Sohn des berühmten Tenors Christoph Prégardien.
Hohe Gesangskunst
Der aus Amsterdam stammende Bariton Thomas Oliemans in der Rolle des Raphael stand jedoch dem Tenor in keiner Weise nach. Auch er mit tadelloser Aussprache. Seine Pianissimos gestaltete er so präzise, so intonationsklar und mit so viel Verve, dass einzig das Prädikat «grossartig, umwerfend» dieser hohen Gesangskunst gerecht wird.
Lob gebührt aber auch der in England geborenen Sopranistin Jessica Muirhead (Gabriel). Sie beeindruckte mit einem leuchtenden, aparten Jubelsopran. Doch leider liess ihre Diktion einiges zu wünschen übrig – was im Trio mit zwei so hochgradigen Männerstimmen doppelt auffiel.
Nachwuchskünstler
Entscheidende Impulse für diese aussergewöhnliche «Schöpfung» gab der in Bayern geborene Dirigent Patrick Lange. Mit einer Unbekümmertheit – diesen Eindruck hinterliess er jedenfalls – dirigierte der 28-Jährige das hervorragende Kammerorchester Genf und das Ensemble vocal Villars-sur-Glâne. Die jungen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten (noch keine erfolgsverwöhnten Routiniers) – sorgten für eine mitreissende, vitale Aufführung.
Aber auch das Ensemble vocal Villars-sur-Glâne (Dirigent Philippe Morard) leistete seinen Part. Wenn auch im ersten Teil der Chorklang punkto Dynamik und Diktion zu wünschen übrig liess, fand die Chorgemeinschaft vorab im dritten Teil zu Pianozauber, zu Glanz und Dramatik.
In Haydns «Schöpfung» die Worte nicht zu verstehen kommt einer Einbusse gleich. Und das ist wohl einem grossen Teil der Anwesenden (Französischsprachigen) so ergangen. Schade, dass die Übersetzung ins Französische so mager ausfiel. Warum kann man nicht die ellenlangen Texte über Orchester, Dirigenten, Chöre und Solisten kürzen und dafür eine Übersetzung ins Programm aufnehmen?
Fehl am Platz
Etwas deplatziert wirkte die Rede von Anne-Marie de Weck, stellvertretende Leiterin der Bank Lombard Odier. Klar ist man dankbar, wieder einmal in positivem Kontext von einer Bank zu hören. Aber muss denn ein Sponsoring auch noch mit einer Rede untermauert werden?
Standing Ovations
Die Aufführung in der Kollegiumskirche war bis zum letzten Platz besetzt. Sie bewegte spürbar Geist und Herz; die Standing Ovations waren Beweis hiefür. Junge Menschen waren hier am Werk, junge Solisten, junge Instrumentalisten und ein blutjunger Dirigent. Jetzt müsste sich nur noch das Klassik-Publikum ein bisschen verjüngen.