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Der neue Statthalter von Justitia

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Gilbert Kolly ist am Zügeln. Bücher, Unterlagen und Familienbilder räumt der Freiburger weg, um sie ein paar Türen weiter im etwas grösseren Büro des Bundesgerichtspräsidenten neu zu platzieren.

 

 Herr Kolly, Sie übernehmen am 1. Januar das Präsidium des Bundesgerichts. Was verändert sich für Sie an diesem Datum?

Vieles. Bisher habe ich mich als Richter um Fälle in meiner Abteilung gekümmert. Jetzt als Präsident des Bundesgerichts habe ich ganz andere, zusätzliche Aufgaben. Der Bundesgerichtspräsident vertritt das Gericht nach aussen, er geht ins Parlament und in die parlamentarischen Kommissionen nach Bern, in die internationalen Gremien und juristischen Organisationen. Dann führt der Bundesgerichtspräsident die Verwaltungskommission aus drei Richtern, welche alle Aufgaben wahrnimmt, die nicht direkt mit Rechtsprechung zu tun haben: Verwaltung, Personal, Finanzen, Oberaufsicht.

 

 Sie werden sich also nicht mehr oft um Ihre Dossiers kümmern können?

Ich bleibe weiterhin Mitglied der Ersten zivilrechtlichen Abteilung. Allerdings erlaubt es die Belastung als Bundesgerichtspräsident nicht mehr, gleich viel in der Abteilung zu machen wie vorher. Aber als Präsident bleibe ich weiterhin in der Rechtsprechung tätig.

 

 Sie werden öfter zwischen der Deutsch- und der Welschschweiz hin- und herreisen. Wo fühlen Sie sich mehr zu Hause?

In Freiburg, wo beide Sprachen vertreten sind. Aber hier am Gericht haben wir mit allen Landessprachen zu tun. Jeder spricht in seiner Sprache und muss die anderen verstehen.

 

 Sie sind bilingue. Welche Sprache sprechen Sie häufiger?

Ich bin französischsprachiger Bundesrichter. In den Sitzungen hier oder dem Parlament gegenüber spreche ich Französisch.

 

 Wären Sie als offiziell Deutschsprachiger auch als Bundesgerichtspräsident gewählt worden?

Für den Vorschlag zum Präsidium spielt das eigentlich keine Rolle. Es war ein Kriterium bei der Wahl ans Bundesgericht, weil es Richter aller Landessprachen braucht. Für das Präsidium waren andere Faktoren wichtig: die Anciennität, dass ich aus der Verwaltungskommission die administrative Seite kenne, und ich war ja auch Vizepräsident.

 

 Und die Parteizugehörigkeit? Die CVP Schweiz hat jedenfalls Ihre Wahl gewürdigt …

 Man muss unterscheiden: Für die Wahl ans Gericht wird der Proporz beachtet. Aber nachher, wenn man einmal im Haus ist, spielt die Partei keine Rolle mehr.

 

 Sie werden mit der Politik in Berührung kommen.

 Der Bundesgerichtspräsident betreibt keine Politik. Aber er vertritt natürlich die Interessen des Bundesgerichts und generell der Bundesjustiz gegenüber den politischen Behörden. Beispielsweise hat das Parlament darüber diskutiert, ob man die Verfassungsgerichtsbarkeit einführen soll. Soll das Bundesgericht die Kompetenz erhalten, Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen? Wir haben klar erklärt, wir hätten keine offizielle Meinung und äusserten uns nicht, da es um einen politischen Entscheid ging. Aber hätte das Parlament die Einführung beschlossen, dann hätten wir schon angehört werden wollen über das Wie und das Wo.

 

 Wie viel Ihrer künftigen Arbeit wird in Bern stattfinden?

Ich schätze, dass die gesamte Tätigkeit als Präsident rund die Hälfte der Arbeitszeit beanspruchen wird.

 

 Je höher ein Gericht ist, umso wissenschaftlicher wird die Arbeit.

Aufgabe des Bundesgerichts ist es, die Fälle zu beurteilen, die zu uns kommen. Aber über den Einzelfall hinaus ist es die Hauptaufgabe des Bundesgerichts, besorgt zu sein, dass Bundesrecht in der ganzen Schweiz einheitlich angewendet wird. Es ist auch seine Aufgabe, für die Weiterentwicklung des Rechts besorgt zu sein. In den Kantonen werden die Prozesse gemacht, geführt und entschieden. Zu uns sollten die Fälle kommen, bei denen über Grundsätzliches entschieden wird. Doch in der Schweiz ist es in der Bevölkerung verankert: Man hat das Recht, ans Bundesgericht zu gehen. Das ist grundsätzlich positiv, aber auch eine Herausforderung. Wir sind schlichtweg nicht in der Lage, jeden Prozess in der Schweiz zu übernehmen.

 

 Hinter jedem Fall stehen Personen. Wie nahe stehen Sie zu diesen?

Wir sind uns bewusst, dass bei uns Leute prozessieren. Für jeden, der zu uns kommt, ist sein Fall ein wichtiger. Der Bürger hat ein Anliegen, er hat ein Problem, er hat vor der Vorinstanz nicht Recht bekommen, und will, dass das Bundesgericht den Fall beurteilt. Das ist ein Vertrauensbeweis uns gegenüber. Aber nicht jeder dieser Fälle ist juristisch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung.

 

 Haben Sie manchmal den Eindruck, Ihr Gericht wird von Bürgern für ihre Anliegen missbraucht?

Sicher gibt es Fälle, die nicht zu uns kommen sollten. Es ist schwierig, den Zugang zu steuern. Wenn es Rekursmöglichkeiten gibt, werden sie genützt. Es gab den Vorschlag für ein sogenanntes Annahmeverfahren, um das Bundesgericht zu entlasten. Das würde bedeuten, dass wir sagen können: Diesen Fall nehmen wir, oder wir nehmen ihn nicht. Aber das ist politisch nicht durchgekommen. Es ist ja nachvollziehbar: Der Rechtsuchende will, dass sein Fall nicht in seinem Kanton endgültig entschieden wird, wo jeder jeden kennt.

 

 Ein Misstrauensvotum gegen kantonale Gerichte?

Ich glaube nicht. Eher ein Zeichen der Zeit. Man hinterfragt Autoritäten mehr als früher. Wir stellen fest, dass die kantonalen Gerichte in aller Regel sehr gute Arbeit machen. Obwohl sie sehr stark belastet sind.

 

 Immer mehr Bürger sagen: Ich gehe bis nach Strassburg. Hat das Bundesgericht an Status verloren?

Entgegen der verbreiteten Meinung kann man im eigentlichen Sinn gar nicht beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg rekurrieren. Wir sind die letzte Instanz. Strassburg führt auf Beschwerde hin ein Verfahren gegen die Eidgenossenschaft. Dort geht es nur um die Frage: Hat eine schweizerische Gerichtsbehörde die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt?

 

 Wie weit können Sie sich als Persönlichkeit in Ihre Arbeit einbringen?

Die Persönlichkeit schimmert immer durch. Es gibt natürlich rein technische Fragen. Aber oft, wenn wir entscheiden, ist ein gewisser Ermessensspielraum dabei. Da spielen die Persönlichkeit und die eigenen Erfahrungen mit.

 

 Man spricht oft vom gesunden Menschenverstand …

Als ob wir diesen nicht hätten. Es ist wahrscheinlich wie überall: Es gibt Juristen mit und ohne, aber es gibt auch Nicht-Juristen mit und ohne gesunden Menschenverstand. Man muss sich immer fragen, ob das, was man am Schluss als Resultat hat, sinnvoll ist. Das Recht definiert schliesslich die Regeln des Zusammenlebens, und die müssen für den Durchschnittsbürger nachvollziehbar sein.

 

 Haben Sie sich für Ihr neues Amt bestimmte Ziele gesetzt?

Wir kommen heute an die Grenze der Anzahl Fälle, welche wir bewältigen können. Letztes Jahr hatten wir etwa 7400 Fälle, dieses Jahr werden wir bei rund 7800 sein. Das ist eine grosse Zunahme, und wir müssen nach Lösungen suchen, die eine gewisse Entlastung bringen. Das Plenum des Gerichts hat beschlossen, dazu eine Arbeitsgruppe einzusetzen unter dem Vorsitz des Bundesgerichtspräsidenten.

 

 Ist die Arbeitslast die Hauptherausforderung?

Ja. Wir wollen nicht grösser werden. Wir sind 38 Bundesrichter. Schon heute ist es nicht einfach, innerhalb des Gerichts die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu garantieren. Wenn wir grösser werden, wird das noch schwieriger.

 

 Ihre Karriere begann am Gericht in Tafers. Was haben Sie von dort mitgenommen?

Es ist ganz entscheidend, dass man einmal an der Front tätig gewesen ist und die juristische Alltagsrealität kennengelernt hat. Man versteht dann vieles besser. Hier in Lausanne ist man weiter weg. Man vergisst die Basis ein bisschen, aber doch nicht ganz.

Zur Person

Karriere: Von Tafers nach Mon-Repos

In vier Jahren wird Gilbert Kolly 65 Jahre alt sein. Er dürfte dann sein Amt als Bundesgerichtspräsident abgeben. «Es ist die Krönung einer juristischen Karriere und meine letzte berufliche Herausforderung», so Kolly. «Der Präsident ist gewählt für zwei Jahre, er kann einmal wiedergewählt werden, und das Parlament erwartet eigentlich, dass man vier Jahre macht.» Kolly wird also voraussichtlich vier Jahre als höchster Richter des Landes wirken. Genau gleich lang war er Präsident des Bezirksgerichts in Tafers, wo 1979 seine Richterkarriere begann. 1982 wurde Kolly Kantonsrichter und 1998 Bundesrichter. Beim Bundesgericht ist der Freiburger in jener Abteilung tätig, die sich mit Beschwerden in Zivilsachen, namentlich aus dem Bereich des Vertragsrechts, des Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechts sowie der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit beschäftigt. Seit acht Jahren sitzt Kolly auch in der Verwaltungskommission. Zuletzt war er Vizepräsident des Gerichts.uh

Zur Organisation

Ein starker Pfeiler mit kleinem Budget

Das Bundesgericht ist die höchste richterliche Behörde der Schweiz; es verkörpert die dritte Staatsgewalt mit einem Anteil von 0,2 Prozent des gesamten Staatsbudgets. Der Hauptsitz befindet sich in Lausanne, wo zwei öffentlich-rechtliche, zwei zivilrechtliche und die strafrechtliche Abteilung arbeiten. Zwei sozialrechtliche Abteilungen befinden sich in Luzern. Das Bundesgericht besteht aus 38 ordentlichen und 19 nebenamtlichen Richtern. Sie werden von 127 Gerichtsschreibern unterstützt. Das Gericht trifft über 7000 Entscheide im Jahr; in rund hundert Fällen finden öffentliche Urteilsberatungen statt.uh

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