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Pflegenotstand: Spitex Sense nimmt seit Monaten keine neuen Klienten auf

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Erst war es ein teilweiser, jetzt ist es ein vollständiger Aufnahmestopp: Die Spitex Sense nimmt seit drei Monaten keine neuen Klientinnen und Klienten auf. Grund dafür ist vor allem der Fachkräftemangel, aber nicht nur.

«Aufgrund der sehr hohen Nachfrage nach Spitex-Leistungen ist es uns im Moment nicht möglich, neue Klientinnen und Klienten aufzunehmen.» Dieser Satz steht seit 28. Juni auf der Homepage der Spitex Sense. Bereits auf den 1. April dieses Jahres hat die Organisation einen partiellen Aufnahmestopp für Pflegeleistungen in Kraft gesetzt. Drei Monate später haben die Verantwortlichen die Massnahmen verschärft und auch auf die Hauswirtschaft ausgedehnt. «Wir sind vollständig ausgelastet», sagt Hugo Baeriswyl, Geschäftsleiter der Spitex Sense. Weil die Spitex die Pflegeleistungen bei den bestehenden Klientinnen und Klienten sicherstellen wolle, fehlten die Kapazitäten für Neuzugänge. Das heisst, erst wenn Fälle abgeschlossen sind, werden neue angenommen.

Es ist eine Situation, die es so noch nie gegeben hat, seit die Spitex Sense 2009 aus drei unabhängigen Vereinen zu einer Organisation zusammengewachsen ist. Grund dafür ist ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren. «Die Anzahl der Fälle hat stetig zugenommen», erklärt Hugo Baeriswyl. Jedes Jahr seien die Spitex-Leistungen durchschnittlich um 5,2 Prozent gestiegen. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen dank des medizinischen Fortschritts grundsätzlich älter werden.

Seit 2009 ist die Zahl der Klientinnen und Klienten der Spitex Sense stetig gestiegen.
Aus dem Jahresbericht 2022 der Spitex Sense

Schneller aus dem Spital

Aber auch, weil das Gesundheitswesen sich in den letzten Jahren immer mehr verändert hat. So ist in den Spitälern die sogenannte Fallpauschale eingeführt worden. Das bedeutet, dass bei Patientinnen und Patienten nicht mehr pro Tag oder nach einzelnen Leistungen abgerechnet wird, sondern über eine Pauschale pro Behandlungsfall. Das senkt zwar die Kosten in den Spitälern, hat aber auch zur Folge, dass die Patientinnen und Patienten früher entlassen werden und viele Behandlungen ambulant erfolgen. Sie sind deshalb vermehrt auf Spitex-Dienste angewiesen.

Zwischen 2010 und 2020 fand schweizweit eine Verlagerung der Pflegetätigkeit vom stationären in den ambulanten Bereich statt. In dieser Zeit ist die Zahl der über 65-Jährigen schweizweit um 23 Prozent, im Kanton Freiburg um 35 Prozent und im Sensebezirk um 41 Prozent angestiegen. Die Spitex Sense hat ihren Personalbestand in dieser Zeit verdoppelt.

Die Grafik zeigt, dass sich die stationäre in die ambulante Pflege verlagert hat.
Grafik zvg

Das Gleiche gilt für die Strategie, dass sich die Pflegeheime vor allem auf die Betreuung von stark pflegebedürftigen Menschen ausrichten. Leichtere Pflegefälle sollen via Spitex versorgt und so möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben. Der Grossteil der Spitexklientel benötige Pflege über längere Zeit. Das heisst aber zugleich auch, dass ihr Pflegebedarf mit der Zeit tendenziell steige, also mehr Spitex-Kräfte binde (siehe auch Kasten).

Mehr Klienten als Personal

«Bis jetzt konnte die Spitex die steigenden Erwartungen erfüllen, raschere Spitalaustritte zeitnah aufnehmen und Engpässe bei den Pflegeheimen abzufedern», erklärt der Geschäftsleiter. In den letzten Jahren sei aber ein neues Hindernis dazugekommen. «Wir haben immer mehr Probleme bekommen, auf dem ohnehin ausgetrockneten Markt Fachpersonal zu finden, um den Personalbestand auszubauen.» Seit einem Jahr könne die Nachrekrutierung nicht mehr mit der steigenden Nachfrage Schritt halten:

Wir haben Anfang 2023 mehr neue Klienten aufgenommen, als unser Personalbestand mittelfristig zu bewältigen vermag.

Das Personal der Spitex Sense wurde zwischen 2009 und 2022 mehr als verdoppelt.
Aus dem Jahresbericht 2022 der Spitex Sense

Um die Leistungen trotzdem erbringen zu können, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Überstunden geleistet. «Wir wollten auf keinen Fall wieder auf die Covid-Lösung zurückgreifen», erklärt Hugo Baeriswyl. Denn während der Pandemie haben die Spitex-Dienste wegen der vielen Ausfälle die Leistungen reduziert. «Das mag kurzfristig und übergangsmässig gegangen sein, es ist aber weder für die Klienten noch für das Pflegepersonal auf lange Sicht befriedigend.» Deshalb sei der Spitex nur die Möglichkeit des Aufnahmestopps geblieben. Das sei ein kurzfristiges Mittel für ein Problem, für das es keine rasche Lösung gebe. «Doch so bekommen unsere Leute etwas Luft.»

40 Prozent steigen aus

Denn es sei auf Dauer kontraproduktiv, wenn das Personal dauernd Überstunden machen müsse. Der grosse Zeitdruck, die unregelmässigen Schichten abends und am Wochenende und die aufreibende Arbeit führte dazu, dass viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf den Rücken zudrehen. «Wir haben in der Schweiz 40 Prozent Berufsaussteigerinnen und -aussteiger aus der Pflege», zitiert Hugo Baeriswyl ein Faktenblatt des Bundesamts für Gesundheit. Der Lohn sei nicht der primäre Grund für den Ausstieg. «Vor allem nicht im Kanton Freiburg. Das Lohnniveau ist bei uns im Vergleich zu anderen Kantonen auf einem sehr konkurrenzfähigen Niveau.» Die Aussteigenden nennen die schwierigen Rahmenbedingungen als Hauptgrund:

Wir müssen also versuchen, die Überlastung und den Druck wegzunehmen.

Die Ausbildungsoffensive, wie sie bei der Umsetzung der Pflegeinitiative vorgesehen ist, nütze nichts, wenn man die Leute nach der Ausbildung nicht halten könne.

Zu wenig Personal: Die Spitex Sense nimmt vorläufig keine neuen Klientinnen und Klienten auf.
Archivbild Aldo Ellena

Keine schnelle Lösung

Wie lange der generelle Aufnahmestopp gilt, kann Hugo Baeriswyl heute nicht voraussagen. Denn nicht nur die Spitex sucht verzweifelt Pflegefachkräfte, auch Spitäler und Pflegeheime haben das gleiche Problem, sodass unter den Institutionen eine Art Konkurrenzsituation entstanden ist. Allen sei bewusst, dass sich die Situation nicht von heute auf morgen entspannen werde. «Es ist das erste Mal, dass wir so drastisch sein mussten. Das ist auch für uns nicht einfach. Wir wollen unseren Auftrag, den ganzen Bezirk mit ambulanter Pflege und hauswirtschaftlichen Leistungen abzudecken, eigentlich auf andere Art erfüllen.»

Hugo Baeriswyl geht davon aus, dass künftig Wartelisten für Spitex-Dienste zum Normalzustand werden. «Denn wenn wir die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor dem Ausbrennen schützen und die Zahl der Aussteiger senken wollen, müssen wir die Zahl der Aufnahmen konsequent mit dem vorhandenen Personal abstimmen.»

Die Ausstiegsquote in der Pflege ist hoch.
Tabelle Schweizerisches Gesundheitsobservatorium

Ausserdem müsse man sich flexiblere Arbeitsmodelle überlegen, um Ausgestiegenen die Rückkehr in den Beruf wieder schmackhaft zu machen. Zum Beispiel, indem ihnen Schichten angeboten werden, die individuell ihrer privaten Lebenssituation entsprechen, etwa die Abendschicht von 18 bis 22 Uhr, weil dann im Falle eines Elternteils die Kinderbetreuung besser organisiert werden könne. Bereits jetzt ist es bei der Spitex möglich, eine Anstellung mit einem sehr tiefen Pensum zu bekommen, im Minimum 20 Prozent. «Das ist administrativ zwar etwas aufwendiger, aber es lohnt sich, wenn wir dadurch ein paar Leute gewinnen können.»

Neue Arbeitsmodelle

Das wird aber nicht reichen, ist Hugo Baeriswyl überzeugt. Der Auftrag der Spitex und die bisherigen Abläufe müssten wohl grundsätzlich überdacht werden. Das bestätigt auch Christine Meuwly, Leiterin des Gesundheitsnetzes Sense, dem die Spitex unterstellt ist: «Aufgrund des Pflegenotstands und der Bevölkerungssituation werden wir im Sensebezirk in Zukunft die Bedürfnisse in Pflege und Betreuung nicht mehr mit den öffentlichen Dienstleistern allein abdecken können», sagt sie. Es brauche neue Modelle, wie etwa die Förderung der Nachbarschaftshilfe (siehe Kasten).

Wie weiter

Ist Nachbarschaftshilfe die Lösung?

Es ist eine verfahrene Situation: Pflegeheimplätze sind teuer, im Bau und im Betrieb. Also ist in den letzten Jahren vieles gemacht worden, um den älteren Menschen möglichst lange den Aufenthalt in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Aus den früheren Alters- sind Pflegeheime geworden, die prioritär stark Pflegebedürftige aufnehmen. Doch das heisst auch, dass alle anderen Seniorinnen und Senioren zu Hause sind und im Alter mehr und mehr Hilfe und Unterstützung benötigen. Das hat zum Anstieg der Spitex-Leistungen geführt. Auch die Nachfrage nach Haushaltsdiensten hat deshalb zugenommen.

Andere Familienstrukturen

Früher waren die Familien grösser und Eltern und Schwiegereltern haben bei der Kinderbetreuung geholfen und durften später auf die Betreuung durch ihre Angehörigen zählen. Heute sind die Familienstrukturen anders. «Es gibt vor allem kleine Haushalte. Die Kinder haben keine Zeit mehr, sich um ihre älter werdenden Eltern zu kümmern, weil von ihnen selbst auch verlangt wird, mehr und länger zu arbeiten», sagt Hugo Baeriswyl, Geschäftsleiter der Spitex Sense. Denn auch die Wirtschaft beklagt Fachkräftemangel und will die Erwerbsquote erhöhen.

«Wir brauchen ein Umdenken in der Gesellschaft», ergänzt Christine Meuwly, Leiterin des Gesundheitsnetzes. Das könnte beispielsweise in Richtung der früher gut funktionierenden Idee der Nachbarschaftshilfe gehen. «Damit wir uns wieder mehr füreinander interessieren und einander unterstützen. Nachbarschaftshilfe unter den verschiedenen Generationen ist sinnstiftend, wertschätzend und dringend nötig.» Eine Idee sei auch, dass sich fitte Pensionierte um Gleichaltrige kümmern. im

Überlastung

Auch freiberufliche Spitex sind am Anschlag

Neben der Spitex Sense sind in der Region auch private Spitexorganisationen tätig. Einige Pflegefachfrauen, die früher in Spitälern, Heimen oder Spitexverbänden gearbeitet haben, sind ausgestiegen. Nicht aus dem Beruf, sondern aus den für sie unbefriedigenden Arbeitsbedingungen. Sie haben sich selbstständig gemacht und arbeiten auf eigene Kosten. Im deutschsprachigen Bereich von Sense- und Seebezirk sind rund ein Dutzend Personen freiberuflich tätig, im Kanton Freiburg insgesamt etwa 200. 

Auch bestehende Hilfsangebote spüren die starke Nachfrage: Der Verein für Hilfsdienste, der Verein Wier häufe, das Netzwerk Sense oder Organisationen wie Düdinger helfen Düdinger sowie die Fahrdienste Passepartout. Zugleich hätten auch sie immer mehr Mühe, Leute zu finden, welche diese Dienstleistungen ausführen.

Anders im Seebezirk

Die Spitex See/Lac verzeichnet im Moment keinen Aufnahmestopp bei neuen Klientinnen und Klienten: «Dank unserer Organisation und den aufgebauten, internen Strukturen können sich die Mitarbeitenden der vier Spitex Standorte Kerzers, Gurmels, Murten und Haut-Lac Vully jeweils untereinander aushelfen», schreibt die Bereichsleiterin Kommunikation, Caroline Carrillo, auf Anfrage. «So können wir bis anhin erfolgreich Engpässe überwinden.» Letztlich habe jedoch auch die Spitex See mit Fachpersonalmangel zu kämpfen und müsse sich zukünftigen Herausforderungen stellen. im

Kommentare (3)

  • 17.10.2023-Sabine

    Gut wäre, wenn die Spitex auch alle Fachkräfte einstellen könnte, die sich melden, leider erhält man als FABE da keine Gelegenheit. Grund soll Probleme bei der Einstufung sein, was eigentlich sehr einfach ist, FABE ist sekundär Stufe. Einziger unterschied zu FAGE ist I.M und I.V. Spritzen, was bei der Spitex sicherlich nicht täglich vorkommt. Könnte man also sicher einplanen und dan hätte man auch einige Fachpersonen mehr.

  • 10.10.2023-Roger Oskar Werner Marty

    Einen grossen Anteil am Problem ist die Überalterung aufgrund der stets effizienter gewünschten Medizin. Unser Wohlstand birgt leider auch Nachteile.

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