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Post: Faktisch kommt da Chemie an meine Haut

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

In der dunklen Jahreszeit muss man den Lichtmangel mit kulturellen Events kompensieren. Und so habe ich zum Beispiel gerade im Kino «Paterson» von Jim Jarmusch gesehen – eine herzerwärmende Geschichte aus dem Leben eines Busfahrers. Ein Film voller Alltagsfakten, leicht überzeichnet und menschenfreundlich – keine Toten, kein Blut, keine «Äktschon». Selbst Hund Marvin, gespielt von Nellie, überzeugt in seiner Grantigkeit. Es geht um Poesie, zum Beispiel das Gedicht «The Run» (von Ron Padgett). Dieses fängt an mit den Worten (ich übersetze): «Ich gehe durch eine Billion Moleküle, die zur Seite ausweichen, um mich hindurch zu lassen, während auf beiden Seiten weitere Billionen bleiben, wo sie sind …»

Ich habe selten einen Film gesehen, in dem Aspekte der Chemie so poetisch und gut wegkommen. Es ist nämlich tatsächlich so, dass wir in der Tat mit jedem Atemzug eine riesige Menge an Molekülen einatmen. Da sind wir bei rund eintausend Billionen von Billionen – das Gedicht untertreibt also masslos. Da wir rund 80 Prozent der Luftmoleküle ohne chemische Reaktion wieder ausatmen, können Neugierige jetzt einmal ausrechnen, wie viele solcher Moleküle wir in unserem Leben atmen, viele davon sicher mehrmals, und wie viele davon womöglich schon in Caesars oder Napoléons Lunge eine Runde gedreht haben. Das sind Fakten. Im Jahr 2016 haben wir allerdings reichlich Nicht-Faktisches gehört und gelesen.

Postfaktisch – das Wort des Jahres 2016 –, das ist auch schon längst in der Werbung angekommen. Mehrfach wird im Radio oder Fernsehen von einer Person behauptet, dass bei der Verwendung bestimmter Schmerzsalben oder Wärmepflastern «mir keine Chemie an die Haut kommt». Das ist natürlich falsch, und ich empfinde es als grob fahrlässig, wie hier mit dem Image einer der grundlegenden Wissenschaften, der Chemie, umgegangen wird. Eine andere Geschichte passierte mir im Forum Fribourg bei einem Stand mit Biowaschmitteln. Diese wurden mit dem Slogan «absolut chemiefrei» angepriesen. Nach einer Diskussion mit dem verantwortlichen Herrn kamen wir schliesslich beide zu dem Schluss, dass selbst Wasser ja eine chemische Verbindung ist. Was er eigentlich sagen wollte: «alles ganz natürlich». Bedeutet «natürlich», dass es harmlos ist? Ist alles, was die Natur macht, gut, und, was der Mensch künstlich herstellt, schlecht? Nein, die Natur kennt die giftigsten Substanzen, zum Beispiel Botulinumtoxin, auch unter dem Namen «Botox» bekannt, ein Nervengift, das von Bakterien ausgeschieden wird. Dieses Nervengift ist durch Einatmen, intravenös wie auch durch die Aufnahme über die Haut extrem toxisch. Würde andererseits der Mensch nicht durch chemische Verfahren beispielsweise Medikamente, Farben, Werkstoffe und Autos herstellen, wie sähe unser Leben dann aus? Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass man in der Werbung und der Presse die Worte sorgsam wählt und nicht postfaktisch artikuliert; unsere Umwelt und wir selbst basieren auf chemischen Molekülen und Prozessen, nur ein kleiner Teil der chemischen Verbindungen auf unserer Erde wird künstlich vom Menschen hergestellt. Halten wir es also mit Rahel Varnhagen (1771–1833): «Auf das Selbstdenken kommt alles an.»

 

Katharina M. Fromm wohnt in Freiburg und ist seit 2006 Professorin für Chemie an der Universität Freiburg. Sie ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die im Monatsrhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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