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Schweiz-Kongo: Transkoloniales Requiem am Theatertreffen

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Die Geister kehren zurück: Am Samstag erzählt Group 50:50 am Theatertreffen Freiburg die Geschichte von sieben sogenannten Pygmäen-Skeletten, die ein Schweizer Arzt vor 70 Jahren nach Genf brachte.

Sieben sogenannte Pygmäen-Skelette von Menschen des Volks der Mbuti hatte ein Schweizer Arzt in den 1950er-Jahren im Kongo exhumiert und nach Genf gebracht. Mit einem Anthropologen hat er diese anschliessend vermessen. Der Grund: Er wollte herausfinden, warum diese Menschen so klein sind – eine rassistische Praxis. Bis vor kurzem lagerten die Skelette in der Universität Genf. Das schweizerisch-deutsch-kongolesische Künstlerkollektiv Group 50:50 begibt sich in seinem multimedialen Musiktheater-Stück «The Ghosts Are Returning» auf Spurensuche in den Kongo: ein Stück rund um (Neo-)Kolonialismus und die Geister der Vergangenheit.

Eva-Maria Bertschy und Kojack Kossakamvwe, Sie sind Teil des Kollektivs Group 50:50. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Eva-Maria Bertschy: Die Gruppe ist vor drei Jahren entstanden. Wir wollten mit Group 50:50 die Grundlagen schaffen für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Kongo, Europa und Afrika. Wir möchten den Dialog fördern und Transparenz schaffen – auch in Bezug auf die Ressourcenverteilung. Aber es ist nicht einfach, die Machtverhältnisse auszugleichen, wenn die Finanzierung für unsere Projekte immer aus Europa kommt.

Wie sind Sie auf das Thema Ihres Stücks gestossen, die sieben Mbuti-Skelette?

Bertschy: Es war ein Vorschlag von Patrick Mudekereza (Gründungsmitglied von Group 50:50 und künstlerischer Leiter des unabhängigen Kunstzentrums Waza in Lubumbashi im Kongo, Anm. d. Red.). Er lehrt unter anderem an der Universität Lubumbashi, welche die Besitzerin der Skelette aus Genf geworden ist. Er meinte, es könnte ein interessanter Stoff für ein neues Stück sein. Zudem hatte er die Hoffnung, dass wir in diesem Fall vielleicht den Anstoss geben könnten für eine Repatriierung, weil die Beziehungen zwischen dem Kongo und der Schweiz weniger kompliziert sind als mit Belgien, wo natürlich noch sehr viel mehr Objekte lagern, die in der Kolonialzeit im Kongo gestohlen wurden.

In Ihrem Stück machen Sie auf Neokolonialismus aufmerksam. Wie zeigt sich dieser im Kongo?

Bertschy: Obwohl die Schweiz selbst keine Kolonien hatte, haben sich die Schweizer Unternehmen sehr früh auf den Handel mit Kolonialwaren spezialisiert. Und bis heute ist die Schweiz ein wichtiger globaler Player im Handel mit Rohstoffen: Öl, Gold, Kobalt, Kupfer und auch Holz. In der Region von Lubumbashi betreibt das Schweizer Unternehmen Glencore zum Beispiel zwei grosse Kobaltminen. Bis heute kommen die Gewinne der Ausbeutung von Rohstoffen den Kongolesen nicht zugute und bleiben in den Taschen von korrupten Politikern oder gehen an die multinationalen Unternehmen. Gleichzeitig wird der Lebensraum der Kongolesen durch die extraktiven Praktiken zerstört. Ein anderes Thema ist Raubgut, wie etwa die Skelette aus Genf. Bis heute sind immer noch viele Leute der Ansicht, dass die Museen und Universitäten in Europa das Raubgut aus der Kolonialzeit nicht zurückgeben müssen. Die Diskussion um die Restitution hat zwar in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen, aber es gibt noch viel zu tun.


Durch illegalen Holzschlag werden die Nachfahren vom nomadischen Volk der Mbuti aus den äquatorialen Wäldern vertrieben. Wer steht hinter der Abholzung des beliebten, resistenten Tropenholzes?

Bertschy: Diese Frage haben wir während unserer Recherche oft gestellt. Es sind sehr viele Unternehmen daran beteiligt. Die Interholco mit Sitz in Baar ZG war mit ihrer Tochterfirma Siforco lange Zeit eines der wichtigsten Unternehmen im Abbau und Handel von Holz aus dem Kongobecken. Heute sind viele chinesische und kongolesische Unternehmen daran beteiligt. Auch Erdöl wird in diesem Gebiet gefördert. Das ganze Ökosystem leidet unter der Ausbeutung, zum Beispiel gibt es immer weniger Tiere. Europäische Unternehmen werden zwar seit einigen Jahren mehr zur Verantwortung gezogen und müssen auf nachhaltige Holzquellen achten. Aber das Holz landet oft über China wieder auf dem europäischen Markt.

Was können wir gegen die Ausbeutung tun?

Bertschy: Wir können zum Beispiel die Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zur Verantwortung ziehen, so wie es die Konzernverantwortungsinitiative vorgesehen hatte. Aber die kongolesische Regierung muss vor allem dabei unterstützt werden, dass die bestehenden Gesetze im Kongo respektiert werden, dass der Regenwald geschützt wird oder dass die von der Abholzung betroffenen Völker und Dörfer für ihre Verluste wenigstens kompensiert werden.


Sie haben in Ihrem Stück Elemente der afrikanischen und europäischen Musikkultur zusammengeführt und ein gemeinsames Toten-Ritual entwickelt. Wie sind Sie vorgegangen? Welche Parallelen gibt es zwischen den beiden Kulturen?

Das Stück «The Ghosts Are Returning» wird am Samstag am Schweizer Theatertreffen in Freiburg aufgeführt.
zvg

Kojack Kossakamvwe: Wir haben zuerst die Mbuti in ihrem Gebiet besucht und uns dafür interessiert, mit welchen Ritualen sie ihre Toten begleiten. Jede Kultur hat ihre Art zu trauern. Was die Musik angeht: Ich habe nie Musik studiert, doch wer seine eigene Musik beherrscht, kann mit allen Menschen gemeinsam musizieren. Wir verstehen uns über die Musik, können zusammen kommunizieren. Wir haben das gleiche Ziel.

Was möchten Sie den Zuschauern vermitteln und mit auf den Weg geben?

Bertschy: Wir haben ein transkoloniales Requiem geschaffen, mit der traditionellen Musik der Mbuti und anderer Völker der Demokratischen Republik Kongo sowie mit europäischer Musik. Es ist uns wichtig, diesen sieben Personen ihre Menschlichkeit zurückzugeben, die als Objekte behandelt wurden, als ihre Skelette von einem Schweizer Arzt in den 1950er-Jahren zu Forschungszwecken der Uni Genf übergeben wurden. Das Thema betrifft uns alle.

Kossakamvwe: Wir hoffen auf viele Zuschauer. Viele sind nicht über die Geschichte informiert. Wir möchten mit dem Theater ein Gleichgewicht schaffen für die Zukunft.

Soll das Theaterstück einen Neubeginn der Beziehungen zwischen Afrika und Europa symbolisieren?

Bertschy: Es wäre sehr utopisch von einem Neubeginn zu reden. Aber wir versuchen, mit unserer Arbeit ein paar Sachen zu verändern.

Kossakamvwe: Bei 50:50 geht es für mich mehr um die Wiederherstellung eines Gleichgewichts, das nicht mit Gleichheit zu verwechseln ist. Die Hauptsache ist, dass wir uns mit Respekt begegnen. Wir sind schon weitergekommen als noch vor ein paar Jahren.

Das Stück wird als humorvoll beschrieben. Darf, muss Humor in einer ernsten Thematik Platz haben? 

Kossakamvwe: Das ist eine typisch europäische Sichtweise. Im Kongo geleiten wir die Verstorbenen mit Gesang und Tanz ins Jenseits. Der Tod ist auch ein Fest. Der Verstorbene soll mit Freude gehen. Wir lachen, trinken, haben Spass.


Wieso ist es gerade heute wichtig, Theater zu machen? Was treibt Sie an?

Kossakamvwe: Man kann Dinge äussern, die man sonst nicht sagen kann. Man kann eine Botschaft vermitteln.


Mit welchen Emotionen bringen Sie diesen Stoff auf die Bühne?

Kossakamvwe: Es ist wichtig, über diese Dinge zu reden. Es ist für mich persönlich wichtig. Früher gab es diese Möglichkeit nicht, in Europa über diese Fragen zu sprechen. Es eröffnet die Möglichkeit, mit der europäischen Bevölkerung Frieden zu schliessen. Es hat ein grosser Wandel stattgefunden. Die Zukunft kann sich ändern.


Die Universität Genf hat zugestimmt, dem Kongo die Skelette zurückzugeben. Wie war die Reaktion der Mbuti?

Bertschy: Die Universität Lubumbashi hat im Februar, anlässlich unseres Gastspiels, ein dreitägiges Kolloquium organisiert, bei dem der Fall der sieben Skelette im Zentrum stand. Zwei Repräsentanten der Universität Genf sind dafür angereist, ebenso wie der Leiter der Caritas und eine Delegation der Mbuti aus der Region Wamba. Es kam also zum ersten Mal zu einem Gespräch zwischen den Universitäten und den betroffenen Gemeinschaften. Zu unserer Überraschung hat die Delegation aus Wamba bei diesem Treffen gesagt, dass sie – in spiritueller Hinsicht – noch nicht bereit sind, die Toten zu empfangen. Es sei unklar, was in den vergangenen Jahrzehnten mit den Geistern der Verstorbenen passiert sei, und darum wären für sie die Auswirkungen der Rückführung auf die Gemeinschaft nicht abzuschätzen. Trotzdem war es für viele Kongolesen und auch für die Vertreterinnen und Vertreter der Universität Lubumbashi wichtig, dass die Skelette rückgeführt werden. Und auch die Universität Genf ist offen für eine Rückführung. Aber im Moment ist noch nicht klar, wie sie damit umgehen wollen. Sie sind auf der Suche nach einer Lösung. Der Prozess wird noch etwas länger dauern.

Zur Person

Düdinger Dramaturgin


Eva-Maria Bertschy ist 1982 in Düdingen geboren, und studierte Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Literaturwissenschaften an der Universität Freiburg. Die freischaffende Dramaturgin, Kuratorin und Autorin arbeitet an der Schnittstelle von Theater und politischem Aktivismus in Deutschland, der Schweiz, Belgien, Italien und der Demokratischen Republik Kongo. Sie hat lange mit dem Schweizer Regisseur Milo Rau zusammengearbeitet und realisiert regelmässig Stücke mit Ersan Mondtag. Sie ist künstlerische Leiterin der Fondazione Studio Rizoma in Palermo und Mitbegründerin des schweizerisch-deutsch-kongolesischen Kollektivs Group 50:50. Ihre Projekte wurden an den bedeutendsten internationalen Theaterfestivals in über 20 Ländern gezeigt. 

Zur Person

Kongolesischer Musiker 


Kojack Kossakamvwe ist 1978 als Christian Kossakamvwe Mpongo in Kinshasa (Kongo) geboren. Er ist Mitbegründer und musikalischer Leiter der Group 50:50. Der Kongolese gilt in seiner Heimat als einer der bekanntesten Musiker seiner Zeit. Er ist Gitarrist, Komponist und Performer. Sein Stil ist von verschiedenen Musikrichtungen geprägt, etwa vom Jazz, kongolesischer Volksmusik und kongolesischer Rumba. Der Gitarren-Virtuose hat eine spezielle, zweihändige Anschlagtechnik entwickelt. Das Instrument hat er sich als Kind selber beigebracht, indem er ab Musikkassette bekannte Soli nachspielte. Kossakamvwe ist international tätig.

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