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Streitgespräch zu Dettec: Kostenexplosion oder finanzielles Gleichgewicht?

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Auf 75 Millionen Franken beläuft sich der Umfang des ersten Dettec-Pakets. Wegen der Höhe dieses Betrags muss die Stimmbevölkerung am 12. November darüber abstimmen. Zwei Grossräte der FDP und der SP legen dar, was aus ihrer Sicht für und was gegen das erste Paket der Aufgabenentflechtung zwischen dem Freiburger Staat und den Gemeinden spricht.

Die Aufgabenentflechtung zwischen Staat und Gemeinden, kurz Dettec, will die Finanzierung der familienergänzenden Betreuungseinrichtungen, der Spitex und der Betreuung der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner sowie der Ergänzungsleistungen allein den Gemeinden übertragen. Der Kanton wird im Gegenzug die Finanzierung der sonder- und sozialpädagogischen Institutionen, der professionellen Pflegefamilien und die Restkosten der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner übernehmen.

Andreas Freiburghaus, wie stehen Sie als Gemeindepräsident zu der Verschiebung von Kosten hin zu den Gemeinden?

Andreas Freiburghaus: Ich war im Vorfeld recht skeptisch, bis ich mir das Projekt vertieft angeschaut habe. So kam ich zum Schluss, dass es der richtige Weg ist. Wir müssen jetzt den Mut haben, nach zehnjähriger Vorbereitungszeit diese Entflechtung anzugehen.

Der Staatsrat spricht von einem finanziellen Gleichgewicht im Dettec-Paket. Geht aus Gemeindesicht die Rechnung finanziell auf?

Andreas Freiburghaus: Davon bin ich überzeugt. Vielen ist nicht bewusst, dass der Kanton derzeit den Gemeinden die Beträge für Sonderschulen und die Pflegerestkosten ins Budget hineinschreibt. Wir als Gemeinde können auf diese Beträge keinen Einfluss nehmen. Und das, obwohl es im Beispiel von Wünnewil-Flamatt um Kosten von 1,5 bis 2 Millionen Franken geht.

Simon Zurich, Sie zweifeln daran, dass dieses erste Dettec-Paket finanziell ausgewogen ist. Warum?

Simon Zurich: Die Gemeinden sollen die Ergänzungsleistungen in Zukunft komplett selbst finanzieren. Und genau diese Ausgaben werden in den nächsten Jahren explodieren. Denn gemäss dem Bundesamt für Statistik wird sich die Anzahl der über 80-Jährigen im Kanton in den nächsten 20 Jahren verdreifachen und somit auch die damit verbundenen Kosten. Die neuen Kosten, die die Gemeinden durch die Aufgabenentflechtung erhalten, werden stark zunehmen, und die Kosten, die der Staat übernimmt, werden eher stabil bleiben. Und mit welchen Folgen? Die Gemeinden müssen entweder Leistungen reduzieren oder die Steuern erhöhen. Zudem hat der Bund bei sieben Achtel der neuen finanziellen Lasten, die auf die Gemeinden zukommen werden, die Entscheidungskraft. Dazu haben die Gemeinden nichts zu sagen und müssen einfach zahlen.

Simon Zurich spricht sich für eine Ablehnung des ersten Dettec-Pakets aus.
Charles Ellena

Andreas Freiburghaus: Die Zunahme bei den Ergänzungsleistungen stelle ich überhaupt nicht in Abrede. Aber dafür verantwortlich ist nicht Dettec, sondern die Demografie und höhere Ansprüche. Im Dettec-Paket haben wir ein Monitoring vorgesehen: Alle drei Jahre wird das finanzielle Gleichgewicht überprüft. Ich finde, es ist eine verlorene Chance, wenn wir jetzt Nein sagen. Wir müssen den Mut haben, diesen ersten Schritt zu machen. Denn die kleinen Schritte machen es in der Schweiz aus, nicht nur bei Dettec.

Reicht das Monitoring aus als Sicherheitsmassnahme?

Simon Zurich: Für mich ist es keine Sicherheit, alle drei Jahre einen einfachen Bericht zu erhalten. Und wenn wir bemerken, dass die Kosten explodieren, werden wir das Gesetz ändern müssen, und das kann zehn Jahre dauern. Denn zehn Jahre brauchte es bis zur Vorlage dieses ersten Pakets. Das wird extrem gefährlich für Gemeinden, die nicht finanziell stark sind. Dort besteht das Risiko, dass Leistungen gestrichen werden. Zudem sagt der Staatsrat selber, dass die Hypothesen, auf denen die Berechnungen basieren, noch nicht verifiziert wurden.

Andreas Freiburghaus: Da bin ich nicht einverstanden. Zwei Drittel der Mitglieder des Grossen Rats sind ehemalige oder aktuelle Gemeinderäte. Die Gemeinden sind im Parlament sehr gut vertreten und können sich rasch zu Wort melden. Eine Revision wird keine zehn Jahre dauern. Ich ändere lieber etwas, das wir aus meiner Sicht gut aufgegleist haben, als noch einmal ganz neu zu beginnen. Die Alternative ist, dass wir vor einem Scherbenhaufen stehen. Ich habe auch das Gefühl, dass gewisse Aufgaben, die zu den Gemeinden kommen, einige Gemeinden animieren könnten, über ihre Zukunft nachzudenken. Ich denke da insbesondere an die familienexterne Betreuung.

Andreas Freiburghaus warnt vor einem Scherbenhaufen im Falle einer Ablehnung.
Charles Ellena

Die Gemeinden sollen Leistungen in Zukunft selbst finanzieren und so eine grössere Autonomie haben. Bringt das bessere Leistungen; oder macht dann jede Gemeinde, was sie will?

Andreas Freiburghaus: Schlussendlich werden die Gemeinden sich nach den basisdemokratischen Entscheidungen richten, also jenen der Gemeindeversammlung oder des Generalrats. Es ist am Steuerzahler zu sagen, was er zur Verfügung stellen will, und der Gemeinderat als Exekutive muss dann diese Beträge möglichst gut einsetzen.

Simon Zurich: Mir macht die drohende Ungleichbehandlung bei den Leistungen Sorgen. Zum Beispiel wird jede Gemeinde selbst entscheiden, welche Leistungen für die Hilfe zu Hause erstattet werden und welche nicht. Ich sage nicht, dass die Gemeinden das böswillig machen werden, aber gewisse Gemeinden werden keine andere Wahl haben, wenn die Ergänzungsleistungen explodieren.

Gibt es diese Leistungsunterschiede zwischen den Bezirken nicht schon heute?

Andreas Freiburghaus: Die gibt es. Die Bezirke haben allerdings bereits bewiesen, dass sie für die Versorgung der Bevölkerung schauen und nicht nur auf den Anteil, der vom Kanton subventioniert wird. So muss es sein und auch bleiben.

Simon Zurich: Der Kanton übernimmt heute 30 Prozent der Spitex-Kosten. Damit gleicht er Unterschiede zwischen den Bezirken ein bisschen aus. Denn heute ist eine Spitex im Sensebezirk viel teurer als in der Stadt Freiburg oder im Saanebezirk wegen der unterschiedlichen Topografie und der Bevölkerungsdichte. Wegen Dettec werden die Gemeinden diese fehlende Rentabilität in Zukunft selbst kompensieren müssen. Das wird zu einem Ungleichgewicht zwischen den Bezirken führen. Wenn die Aufgabenentflechtung hingegen nicht angenommen wird, bleibt es beim Status quo.

Andreas Freiburghaus: Es stimmt. Die dicht besiedelten Gebiete haben wesentlich tiefere Kosten für die Spitex. Es gibt auch einen anderen Effekt: Im Sensebezirk haben wir über 95 Prozent der Spitex-Abdeckung durch die öffentliche Spitex. Die weit verteilten Orte sind für die privaten Spitex-Organisationen nicht interessant. Daher bin ich der Auffassung, wir sollen diese 30 Prozent vom Kanton übernehmen. Dieses Risiko können wir tragen. Und es darf gewisse Unterschiede zwischen den Bezirken geben. Ich plädiere noch einmal für den Mut, jetzt einen Schritt zu machen und bei Bedarf auch zu korrigieren. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kanton und Gemeinden geben. Wenn wir die Statistik anschauen, sehen wir, dass die Kantonsausgaben in den letzten Jahren wesentlich stärker gestiegen sind als die Gemeindeausgaben.

Andreas Freiburghaus appelliert an den Mut, einen ersten Schritt zu machen.
Charles Ellena

In den FN vom 25. Oktober erschien der Leserbrief einer freiberuflichen Pflegefachfrau. Sie kritisiert, dass Gesundheitsnetze die öffentliche Spitex führen und gleichzeitig über die Restfinanzierung der unabhängigen Pflegefachpersonen entscheiden sollen. Da liege ein Interessenskonflikt vor.

Simon Zurich: Ich kann diese Kritik vollkommen nachvollziehen. Die Gemeinden bekommen hier eine heikle Doppelrolle. Denn die unabhängigen Pflegefachpersonen sind die direkten Mitbewerber der Gesundheitsnetze. Der Tarif für diese Personen ist im Kanton Freiburg ziemlich tief. Ich befürchte, dass in gewissen Gemeinden der finanzielle und administrative Druck auf die unabhängigen Pflegefachpersonen steigen wird. Wenn eine Person in verschiedenen Bezirken tätig ist, muss sie mit unterschiedlichen Tarifen und Ansprechpersonen arbeiten und verliert Zeit wegen dieses administrativen Aufwands.

Andreas Freiburghaus: Es kann tatsächlich ein wenig komplizierter werden. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Afisa-VFAS, die Vereinigung Freiburger Alterseinrichtungen und Spitex, mit den Heimen eine einheitliche Regelung schaffen wird. Bei den unabhängigen Pflegefachfrauen ist noch nicht durchgedrungen, dass die Direktoren der Gesundheitsnetze und der unabhängigen Pflegeheime bereits Verträge vorbereiten, um eine Gleichheit im Kanton zu schaffen. Die unabhängigen Pflegefachpersonen brauchen wir für die Zukunft. Im Sensebezirk wollen wir viel mehr von ihnen haben. Übrigens ist die öffentliche Spitex nicht überall Teil eines Gesundheitsnetzes, zum Beispiel bei uns im Sensebezirk. Denn wir haben das Gefühl, dass die Verschmelzung vom Auftraggeber einer Leistung und der Abrechnung nicht gut ist.

Der Freiburger Gemeindeverband nimmt eine wichtige Rolle im ersten Paket ein. Er soll die Beiträge der Arbeitgeber und der Selbstständigerwerbenden sowie der Sozialabgabe entgegennehmen. Damit wird dann die Finanzierung der familienergänzenden Tagesbetreuungseinrichtungen unterstützt. Im Grossen Rat rief diese neue Aufgabe des Verbands von links Kritik hervor. Warum?

Simon Zurich: Erstens, die Bedingungen dieser Aufgabenübernahme sind nicht klar geregelt. Zweitens wird der Gemeindeverband mit unglaublich hohen Beiträgen arbeiten müssen. Ich weiss nicht, wie die Gemeinden das kontrollieren können. Sie werden dadurch abhängig vom Verband. Drittens will man schlanke Prozesse schaffen. Aber mit dieser Form schafft man eine neue Struktur, eine neue interkommunale Bürokratie, die finanziert werden muss. Der Verband wird teure Fachpersonen anstellen müssen, um diesen Fonds zu verwalten.

Andreas Freiburghaus: Da sind wir uns fast einig. Ich war einer der wenigen, die im Grossen Rat in diesem Punkt mit den Linken gestimmt haben, weil ich ebenfalls der Meinung bin, dass diese Lösung nicht die allerbeste ist. Ich finde, der Kanton hätte das weiterhin machen können. Aber bei genauerer Betrachtung habe ich festgestellt, dass es kein wesentlicher Punkt ist. Der Verwaltungsaufwand für diese Aufgabe beläuft sich derzeit in der Direktion für Gesundheit und Soziales auf 0,7 Vollzeitäquivalente. Ich gehe davon aus, dass er auch im Gemeindeverband nicht höher sein wird. In der zweiten Lesung habe ich der neuen Aufgabe für den Gemeindeverband schliesslich zugestimmt. Für mich war es nämlich wichtig, dass wir eine Lösung finden.

Falls es am 12. November zu einem Nein kommt, welche Folgen hätte das für das erste Paket?

Andreas Freiburghaus: Die Welt bricht nicht zusammen, aber die geleisteten Arbeiten kann man einstampfen. Aus meiner Sicht wäre es eine verpasste Chance. Und ich gehe davon aus, dass dieses Projekt dann gestorben ist. Weil wahrscheinlich wird niemand den Mut haben, es wieder zum Leben zu erwecken. Ich gehe davon aus, das Projekt ist dann mindestens auf mittlere Sicht stillgelegt.

Simon Zurich: Ich habe in der Kommission des Grossen Rats vorgeschlagen, das Paket an den Staatsrat zurückzuschicken und abzuwarten, bis die Auswirkungen der Reform der Ergänzungsleistungen auf Bundesebene klar sind. Die Kommission, der Staatsrat und die Mehrheit im Grossen Rat wollten das nicht. Ich kann gut mit einer neuen Version leben, wenn sie unsere Bedenken aufnimmt.

Simon Zurich kann mit einer neuen Version von Dettec gut leben, wenn diese die Bedenken von links aufnimmt.
Charles Ellena

Wäre das zweite Dettec-Paket gefährdet bei einem Nein, oder kann man trotzdem diesen nächsten Schritt in Angriff nehmen?

Andreas Freiburghaus: Ich denke, man kann es trotzdem in Angriff nehmen. Ich habe sogar das Gefühl, dass es Sinn machen würde, nicht erneut das erste Paket zu bearbeiten, sondern sich mit dem zweiten zu befassen. Vielleicht findet man dort eher einen Konsens und könnte danach wieder zurück zum ersten Paket kommen. Für mich ist aber klar, dass es nicht wieder zehn Jahre dauern darf.

Simon Zurich: Ich werde mich zum zweiten Paket äussern, wenn wir konkret wissen, was drinsteckt. Allgemein brauchen wir eine saubere Ausgangslage, die Leistungen für die Bevölkerung müssen gewährleistet sein, und es darf nicht wieder zehn Jahre dauern, bis das nächste Paket fertig ist.

Erstes Paket

Wer bezahlt, soll auch Entscheidungen fällen

Die Aufgabenentflechtung zwischen Staat und Gemeinden (Dettec) will Verantwortlichkeiten und Finanzierungen klarer aufteilen. Vom ersten Paket, das am 12. November zur Abstimmung kommt, sind folgende Bereiche betroffen: familienergänzende Betreuungseinrichtungen, Hilfe und Pflege zu Hause sowie für Betagte in Pflegeheimen, sonder- und sozialpädagogische Institutionen und professionelle Pflegefamilien.

Dettec unterliegt dem obligatorischen Finanzreferendum, weil der Kanton Kosten in der Höhe von jährlich 75 Millionen Franken von den Gemeinden übernehmen soll. Diese würden im Gegenzug die Finanzierung der Ergänzungsleistungen sicherstellen. So ist das Paket aus Sicht des Staatsrats finanziell ausgeglichen. Nach drei Jahren sollen die finanziellen Auswirkungen evaluiert und gegebenenfalls Korrekturen vorgenommen werden.

Bei der Ausarbeitung von Dettec sei der Grundsatz «wer bezahlt, befiehlt» zentral gewesen, schreibt der Staatsrat in den Unterlagen zur Abstimmung. «Der Kanton übernimmt diejenigen Aufgaben, die auf dem ganzen Kantonsgebiet einheitlich erfüllt werden sollen oder die eine kritische Masse erfordern.» Die Gemeinden hingegen kennen die Bedürfnisse ihrer Einwohnerinnen und Einwohner am besten und können ihre Leistungen daran ausrichten. Mit 68 Ja zu 29 Nein hatte der Grosse Rat das erste Paket gutgeheissen. Das zweite Paket könnte sich mit dem Schulwesen befassen. jmw

Zu den Personen

Andreas Freiburghaus und Simon Zurich

Andreas Freiburghaus ist seit zwei Jahren für die FDP im Grossen Rat. Seit 2011 gehört der 61-Jährige dem Gemeinderat von Wünnewil-Flamatt an und wirkt seit 2016 auch als Ammann. Seit 2021 präsidiert er das Gesundheitsnetz Sense. Während 29 Jahren hatte er einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb geführt.

Ebenfalls seit zwei Jahren sitzt Simon Zurich für die SP im Grossen Rat. Zuvor wirkte der 33-Jährige im Generalrat der Stadt Freiburg, und zwar in den Jahren 2016 bis 2022. Er ist Co-Inhaber einer Berner Kommunikations- und Politikagentur. Ehrenamtlich engagiert er sich als Vizepräsident der Patientenstelle der Westschweiz. jmw

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