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Streitgespräch zur AHV–Reform: Geht sie zulasten der Frauen?

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Im Zentrum der Abstimmungen vom 25. September steht die Reform der Alters- und Hinterbliebenenversicherung, zwei Vorlagen, die ein Paket bilden. Ihr Ziel: das bald 75 Jahre alte Sozialwerk für die Zukunft sichern und die Finanzierung neu aufstellen. Im FN-Streitgespräch kreuzen zwei Nationalrätinnen verbal die Klingen.

Als am 1. Januar 1948 die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) eingeführt wurde, war die Welt gerade aus einem Krieg herausgekommen. Die Kasse sollte der älteren Bevölkerung, Männern und Frauen über 65 Jahren sowie Witwen und Waisen einen damals noch kurzen, aber angenehmen Lebensabend ermöglichen. 1964 hat die Schweiz das Rentenalter für Frauen auf 62 gesenkt, in den vergangenen Jahren aber schrittweise wieder angehoben, sodass es heute wieder bei 64 ist. Seit ihrer Einführung wurde die AHV bis 2004 zehnmal revidiert; als Letztes erhielten die Frauen für ein Jahr länger arbeiten Erziehungs- und Betreuungsgutschriften zugestanden. Seither versuchen sich Regierung, Parlament und Volk an der elften Überarbeitung. Diese Versuche sind bisher aber gescheitert.

Während die Frauen bei der Einführung der AHV etwas die Hälfte der Rentenbeziehenden stellten, werden heute über zwei Drittel an Frauen bezahlt – ohne Ehepaar- und Zusatzrenten gerechnet.

Finanziert wird die AHV über Abzüge und Einzahlungen, Subventionen der öffentlichen Hand – vor allem aus Steuern auf Tabak und gebrannten Wassern – sowie aus der Verzinsung des AHV-Vermögens. Seit den 1990er-Jahren haben die Sorgen und Diskussionen um die Gesundheit der AHV-Finanzen wegen der immer älter werdenden Bevölkerung zugenommen. Die Zahl der Beziehenden steigt, während jene der Einzahlenden stetig sinkt. Auch die aktuellen beiden Revisionsvorlagen (siehe Kasten) sind eine Folge dieser Debatte. Das Ziel bleibt die Stabilisierung der AHV. Dass die Frauen bei einer Zunahme ein Jahr länger arbeiten müssen, passt der Ratslinken nicht. Die Nationalrätinnen Christine Bulliard-Marbach (Die Mitte, Ueberstorf) und Ursula Schneider Schüttel (SP, Murten) argumentieren im FN-Streitgespräch für und gegen die Vorlage.   

Ich, ein Mann, bin jetzt 50 Jahre alt und habe mir im Rahmen dieser Abstimmung überlegt: Wann werde ich eigentlich pensioniert. Und wie weit werde ich mit meiner Rente kommen? 

Ursula Schneider: Ich möchte, dass wir wählen können, wann wir in die Rente gehen. Wir sollen mit 62 in Rente gehen können, wenn wir das wollen. Die AHV-Rente muss eine Existenzsicherung ermöglichen, wie es die Bundesverfassung vorsieht. Das ist heute nicht der Fall. Daran ändert auch diese Reform nichts. In der Realität kann zum Beispiel eine alleinstehende Frau, die mehrheitlich Teilzeit gearbeitet und keinen hohen Lohn gehabt hat, nicht von ihrer Rente allein leben. Ein Mann jedoch, der das ganze Leben und meistens Vollzeit gearbeitet hat, erhält zusätzlich eine Rente aus der Pensionskasse, und das reicht in der Regel für die Sicherung der Existenz.

Christine Bulliard-Marbach setzt sich für die beiden AHV-Reformvorlagen ein.
Aldo Ellena

Christine Bulliard: Die Möglichkeit der Flexibilisierung des AHV-Alters ist mir wichtig. Wenn Sie früher in die Rente gehen wollen, werden Sie das können. Aber es ist klar, dass Ihnen die Rente gekürzt wird. Wenn Sie umgekehrt später als mit 65 in Rente gehen, zahlen Sie länger ein und erhalten eine höhere Rente. Wir hoffen, dass wir diese Reform durchbringen. Denn so sichern wir die AHV für die Zukunft und die jüngere Generation. Wir wissen aber, wenn sich nichts ändert, wird die AHV bis 2032 kumuliert 16 Milliarden Franken Defizit aufweisen. Das möchte niemand. Das möchten wir nicht, das möchten die Reformgegner nicht, das möchten unsere Jungen nicht.

Ursula Schneider: Es ist seit vielen Jahren klar, dass wir in diesem Fonds zu wenig Geld haben werden. Doch die Prognosen haben sich wieder als falsch erwiesen, unter anderem, weil wir mehr verdient haben; die gesamte Lohnsumme ist gestiegen. Der AHV stand deshalb mehr Geld zur Verfügung als prognostiziert. Ich bin einverstanden, dass wir mehr Mittel generieren müssen. Entscheidend ist, dass wir so existenzsichernde Renten auszahlen können.

Christine Bulliard: Da sind wir uns einig.

Ursula Schneider: Ja, aber mit dieser Reform erreichen wir dieses Ziel nicht. Und dafür die Frauen ein Jahr länger arbeiten zu lassen, ist das falsche Mittel. Sie haben ihr Leben lang gearbeitet, sie leisten viel Care-Arbeit, sie kümmern sich um die Familie. Das gilt insbesondere für die Generation, die in diesen Jahren pensioniert wird. Sie muss nun noch mehr arbeiten, erhält nach wie vor weniger Lohn und hat nichts von der Reform. Viele Frauen können sich auch nicht einfach früher pensionieren lassen, ihnen fehlt schlicht das Geld dafür.

Christine Bulliard: Wir haben diese demografische Entwicklung. Gerade Frauen haben eine immer höhere Lebenserwartung, sie erhalten also auch länger eine Rente…

Ursula Schneider: Nein sie erhalten ein Jahr lang weniger Rente.

Christine Bulliard: Mit dieser Rentenrevision zahlen Frauen zwar ein Jahr länger ein, aber sie verdienen auch ein Jahr länger Lohn.

Ursula Schneider: Aber was haben sie davon, wenn sie lange arbeiten müssen?

Christine Bulliard: Sie können damit eine Lücke in ihrer Berufskarriere ausgleichen, zum Beispiel einen Unterbruch wegen einer Mutterschaft. Die erste Säule, die AHV, ist für alle Pensionierten gleich, unabhängig davon, wie lange sie einbezahlt haben. Nicht so die Pensionskasse. Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass es in der zweiten Säule ein Problem gibt. Wir brauchen die BVG-Revision, eine bessere Lösung für die Frauen, da sie das bestehende Gesetz schwer benachteiligt. Wir können dieses Problem aber nicht von heute auf morgen lösen. Und das ist hier nicht das Thema. Das müssen wir zu einem späteren Zeitpunkt behandeln. Wir müssen jetzt die AHV stabilisieren.

Ursula Schneider Schüttel ist gegen die AHV-Revision in der vorliegenden Form.
Aldo Ellena

Ursula Schneider: Die Erhöhung des Frauenrentenalters bringt zusätzlich sieben Milliarden für den AHV-Topf. Doch die Frauen ziehen überhaupt keinen Nutzen von dieser Rentenreform, im Gegenteil, sie sind diejenigen, die bezahlen.

Christine Bulliard: Die Frauen bestimmter Jahrgänge erhalten im Sinne einer Übergangslösung eine zusätzliche Zahlung, eine Kompensation.

Ursula Schneider: Ja, aber diese Kompensation ist recht klein, maximal 160 Franken pro Monat.

Noch mal zurück zur Frage der Flexibilisierung des Rentenalters. Der Vorteil ist offensichtlich. Aber warum braucht es das?

Christine Bulliard: Sie berücksichtigt die Tatsache, dass die Menschen unterschiedliche Lebensverhältnisse haben. Frau Müller ist zum Beispiel noch total in Form und will bis 70 arbeiten. Das darf sie auch. Frau Meier hat vielleicht ein Leben lang hart in der Fabrik gearbeitet und ist müde. Sie will das nicht mehr machen und geht früher in Pension. Und Frau Muster arbeitet nun statt bis 64 bis 65 und erhält dafür für ein weiteres Jahr ihren normalen Lohn.

Ursula Schneider: Richtig. Aber wer sich früher pensionieren lassen will, muss den passenden Beruf haben. Viele Berufe sind mit strenger Arbeit bei tiefen Löhnen verbunden, vor allem für Frauen. Diese Frauen können es sich viel weniger leisten, flexibel in die Rente zu gehen, vor allem, weil sie nicht genug BVG-Rente erhalten. Das hält viele Frauen von der Frühpensionierung ab. Ich weiss von Frauen, die mehrere Teilzeitjobs hatten, deren Rente dann dennoch nicht ausgereicht hat und sie deshalb weiterhin Lohnarbeit leisten mussten. 

Die Befürworter argumentieren mit der Gleichstellung, wenn das Pensionsalter für Frauen demjenigen der Männer angepasst wird. Erklären Sie das bitte, Frau Bulliard.

Christine Bulliard: Die Gleichbehandlung ist mir sehr wichtig. Es ist klar, dass es bei der Gleichstellung von Mann und Frau noch viel zu tun gibt. Aber bei der AHV-Revision geht es darum, dass wir eine gute Lösung haben und die Renten für die Zukunft sichern können. Die Gleichstellung können wir ja nicht erreichen, indem wir die Reform ablehnen.

Ursula Schneider: Dennoch ist es ein wichtiger Punkt. Es besteht ein Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern in der Schweiz von 43 Prozent. Wenn wir diese Lücke so schnell wie möglich schliessen könnten, würden die Frauen mehr verdienen, sie würden so mehr in die AHV einzahlen, und dann hätten wir natürlich mehr Geld im AHV-Topf. Und: Wir können eine AHV-Reform nicht ohne eine Reform der zweiten Säule denken. Wieso zahlen wir nicht weniger in die zweite Säule ein und dafür mehr in die AHV? Dann hätten wir einen Ausgleich der Töpfe und mehr Geld in der AHV.

Die Bevölkerung hat sich in letzter Zeit immer wieder mit der AHV-Reform beschäftigt. Die letzte genehmigte Revision ist 25 Jahre alt. Warum ist es so schwierig, die AHV zu reformieren?

Ursula Schneider: Ja, aber wieso? Offenbar waren die Vorschläge zu wenig überzeugend. Die aktuelle Reform kann ich nicht mittragen. Wir müssen bessere Lösungen auf den Tisch legen.

Christine Bulliard: Wenn wir die Reform erneut bachab schicken, wie erklären wir das den jungen Menschen? Wir müssen doch der jüngeren Generation nun eine richtige Rente sichern, denn sie sind es ja, die jetzt unsere Renten zahlen.

Ursula Schneider: Wir haben genug Zeit, um eine Lösung zu suchen. Auch, weil die Prognosen zur Entwicklung des AHV-Topfs schon immer falsch waren. Heute ist übrigens viel Geld drin. Wir müssen das gesamte Bild anschauen. Wir brauchen eine Reform, die stimmig ist und kein Flickwerk, das den Frauen die ganze Last aufbürdet.

Christine Bulliard: Es stimmt nicht, dass nur die Frauen ein Opfer bringen. Die Reform ist ausgeglichen und solidarisch. Warum unterstützen so viele Frauen die Reform? Vor allem viele jüngere?

Ursula Schneider: Die Frauen, die Sie meinen, sind Frauen in guten wirtschaftlichen Verhältnissen.

Solidarität ist der Kernbegriff: Junge bezahlen die Renten, die Alten leben davon.

Ursula Schneider: Die Solidarität in der Gesellschaft funktioniert. Noch immer gibt es viele Grosseltern, die ihre Enkelkinder hüten. Auch meine Eltern haben dies damals bei uns getan. Das ist eine grosse wirtschaftliche Leistung zugunsten der Gesellschaft und der jungen Familien. Wenn sie alle ihre Kinder stattdessen in die Krippe geben müssten, würde sie das finanziell stark belasten. Ich bin überzeugt, dass diese Jungen dereinst auch eine Altersrente erhalten und ihre Existenz gesichert wissen.

Christine Bulliard: Aber dafür müssen wir dieses Sozialwerk eben sichern. Und glauben Sie mir, diese Prognosen sind viel zuverlässiger, als Sie sagen. Die AHV ist tatsächlich in Schieflage. Wir müssen etwas dagegen tun und der Reform zustimmen. Die Reform beinhaltet auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Damit tragen alle solidarisch zu einer stabileren AHV bei, auch die Rentner. Es ist ein solidarischer Akt, so wie jener der Frauen.

Sprechen wir zum Schluss von der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Schweiz hat noch immer einen verhältnismässig tiefen Satz. Die Erhöhung ist aber gering. Ist das nicht eine verpasste Chance?

Ursula Schneider: Natürlich könnte man mit einer stärkeren Mehrwertsteuererhöhung viel mehr Geld in die AHV leiten. Die 0,4 Prozent allein sind aber zu wenig, um das Ziel zu erreichen. Deshalb soll zusätzlich das Frauenrentenalter erhöht werden. Wenn aber auch nur eine Vorlage abgelehnt wird, geht das ganze Reformpaket bachab, und wir können ein neues, besseres Paket schnüren.

Christine Bulliard: Und wir sind nun wieder bei der Frage, was passiert, wenn die Reform scheitert. Es wäre nichts gewonnen, das Geld würde noch immer fehlen. Nur eine Annahme sichert die AHV.

Vorlage

Ein Paket für die AHV

Die AHV-Doppelvorlage soll das Sozialwerk auf eine gesunde finanzielle Grundlage stellen. Auf der einen Seite wird gespart, nämlich indem Frauen neu mit 65 statt wie bisher mit 64 Jahre pensioniert werden und damit später bezugsberechtigt sind. Auf der anderen Seite zahlen sie damit auch ein Jahr länger ein, und die Mehrwertsteuer wird erhöht, um zusätzliche Mittel in die AHV-Kasse zu leiten. Die Mehrwertsteuer, welche in verschiedenen Sätzen auf alle Waren und Dienstleistungen erhoben wird, steigt im Standardsatz von bisher 7,7 auf 8,1 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt sie 19 Prozent. 

Wie politisch üblich sollen verschiedene Massnahmen die Nachteile für die Bevölkerung reduzieren. So ermöglicht die Reform ein flexibles Rentenalter von 63 bis 70. Wer länger als 65 arbeitet, kann länger einzahlen und somit mögliche Beitragslücken ausgleichen. Für mehrere Jahrgänge von Frauen ist eine Sonderregelung vorgesehen, was die Rentenalterserhöhung bei ihnen abfedern soll. Frauen nach Jahrgang 1970 werden dann nach dem neuen Gesetz pensioniert.

Bundesrat und Bundesversammlung empfehlen ein Ja, um das Ziel der Stabilisierung möglichst bald zu erreichen. Die linken Parteien wehren sich dagegen, auch, weil sie weitere Erhöhungen des Rentenalters befürchten. Beide Vorlagen hängen zusammen. Die eine tritt nicht ohne die andere in Kraft. Es müssen beide angenommen werden, damit die Reform umgesetzt werden kann. 

Biografien

Zwei Nationalrätinnen, zwei Ansichten

Ursula Schneider Schüttel ist Juristin, war Gemeinderätin und Vizestadtpräsidentin von Murten. Sie war von 2010-2012 Mitglied des Grossen Rates und ist seit 2012, mit einem kurzen Unterbruch, Nationalrätin für die Freiburger SP. Schneider Schüttel ist zudem Präsidentin der Naturschutzorganisation Pro Natura Schweiz und der Lungenliga Freiburg.

Christine Bulliard-Marbach, ausgebildete Primarlehrerin und Leiterin eines Landwirtschaftsbetriebs, wurde 1996 in den Gemeinderat ihrer Wohngemeinde Ueberstorf gewählt und war während zehn Jahren Gemeindepräsidentin. Sie sass im Grossen Rat und wurde für die kantonale Mitte-Partei, damals CVP, 2011 in den Nationalrat gewählt.

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