Sie sind ein Blickfang: die plissierten Ärmel an den Trachten der Musikgesellschaft Düdingen und der Sensler Kränzlitöchter. Sie zu stärken, bügeln, falten und trocknen, ist eine Kunst. Claudia Julmy zeigt am Wochenende im Sensler Museum, wie es geht.
Der Name Handorgelärmel beschreibt ziemlich genau die ungewöhnliche Form der Trachtenärmel, wie sie zum Beispiel die Sensler Kränzlitöchter tragen. Neben dem auffälligen Kopfschmuck und der blauen Halskrause fallen die Ärmel bei dieser Tracht besonders ins Auge. Die Plissee-Ärmel, wie der korrekte Ausdruck lautet, sind auch Teil der Uniform der Musikgesellschaft Düdingen. Ihre Mitglieder tragen sie vor allem bei besonderen Anlässen. Zum Beispiel, wenn sie, wie vor ein paar Jahren, an den Eröffnungsumzug des Münchner Oktoberfests eingeladen sind.
So schön sie aussehen, so aufwendig ist die Pflege dieser Ärmel. Eine, die das ganz genau weiss, ist Claudia Julmy. Sie ist Ansprechperson für die Kränzlitöchter in Düdingen. Diese Gruppe umfasst derzeit bis zu zwei Dutzend junge Mädchen, die ihre Tracht zu besonderen Gelegenheiten zeigen. Neben Düdingen gibt es auch in Heitenried und Tafers Kränzlitöchter.
Früher ein Geheimnis
Claudia Julmy hat früher selber eine Kränzlitracht getragen. Als der Landfrauenverein Düdingen vor über 20 Jahren einen Kurs über die Pflege der Tracht organisierte, hat sie daran teilgenommen. «Ich war von Anfang an fasziniert von den Hemden. Ich wollte wissen, wie sie plissiert werden», erinnert sie sich. Weil es damals immer weniger Frauen gab, die diese Fachkenntnis besassen, habe man es ihr gerne gezeigt. Das war nicht immer so, weiss sie zu berichten:
Jahrzehnte früher haben jene Frauen, welche die Technik beherrschten, ein Geheimnis daraus gemacht.
Sie hat heute eine ganz andere Haltung dazu: «Je mehr Leute es lernen, umso besser. Nur so können wir sicher sein, dass die Tradition weitergeht.» Also hat sie die Pflege der Hemdsärmel nebst den Kränzlitöchterverantwortlichen auch den Musikanten der Düdinger Musik beigebracht. Im Verein ist diese Technik nun sogar zu einer Vereinsaktivität geworden.
Regen schadet den Falten
Die Hemden werden nur bei Bedarf gewaschen, zum Beispiel, weil sie nass geworden oder fleckig sind oder die Falten nicht mehr halten. Die Stärke dient ja als Schmutzabweiser und erlaubt so ein mehrmaliges Tragen der Hemden.
Wenn man Claudia Julmy zuhört, wie sie das Vorgehen beschreibt, wird rasch klar: Da steckt eine halbe Wissenschaft dahinter. Besonders die Handhabung der Stärke ist eine Wissenschaft für sich. «Ich habe selbst zahlreiche Versuche machen müssen, bis es zu einem guten Resultat gekommen ist», sagt sie. Erst mit den Jahren habe sie den richtigen Dreh herausgehabt, kleine Kniffe und Finessen entwickelt, sodass es ihr heute leicht von der Hand gehe.
Seit Ende 19. Jahrhundert
Die Ärmel dieser Hemden sind meistens aus Leinen gefertigt, teils auch mit einem Anteil Baumwolle. «Man hat wohl damals einfach jenes Material für die Trachten verwendet, das die Leute grad zur Hand hatten», sagt Claudia Julmy. Mit damals meint sie die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts, denn dann kamen die gefältelten Ärmel an den Trachten erstmals auf. Eines der frühestens Fotos von Kränzlitöchtern mit Handorgelärmeln wurde an einer Prozession in Düdingen 1887 gemacht, wie im Sensler Trachtenbuch nachzulesen ist.
Claudia Julmy hat sich schon oft gefragt, wie die Trachtenleute damals auf die Idee gekommen seien, ihre Hemden zu plissieren:
Die Ärmel sind eigentlich total unpraktisch. Aber halt schön anzusehen.
Der Ursprung dieser Mode ist ungeklärt. Eine Erklärung lautet, dass die Ärmel der gestärkten Hemden hochgekrempelt wurden und in dieser Form geblieben sind und dass man daraus später eine Kunstform entwickelt hat. Es könnte aber auch eine Wiederholung der Plissees aus dem Rock und der Halskrause sein.
Eine längere Prozedur
Tatsache ist, dass Claudia Julmy für das Bearbeiten der Leinenärmel ein Bügeleisen verwendet – am liebsten ein altes, wie sie erklärt. «Es muss eins sein ohne Dampffunktion. Denn Dampf verträgt sich nicht mit Stärke.» Sie habe mehrere alte Bügeleisen auf der Seite und habe auch alle Bekannten gebeten, ihre ausrangierten Geräte nicht wegzuwerfen, wenn die Dampffunktion nicht mehr funktioniere, erzählt sie mit einem Lachen.
Die Hemden werden normal in der Waschmaschine gewaschen und am Vorabend in Stärke eingelegt. Die Ärmel sind anderthalbmal so lang wie normale Ärmel, damit die Falten gelegt werden können. Mit zwei Holzstäbchen werden die Falten gelegt. Eines wird unter den Stoff gelegt, ein zweites auf ihn und so weiter. Die Falten werden dann zur Handorgel gefaltet. Claudia Julmy befestigt mit Gummis Kunststoffbretter, die normalerweise in der Küche zum Einsatz kommen, um die Falten in dieser Form zu halten und zum Trocknen vorzubereiten.
Am besten Radiatorenhitze
Das Ganze muss dann mindestens eine Nacht trocknen. «Auf einem Radiator geht es am besten», sagt sie. Da es immer mehr Wohnungen mit Bodenheizung gebe, sei das nicht einfach. «Ich habe einen Schwedenofen ausprobiert oder auch das Trocknen an der Sonne. Doch das ging nicht, es braucht grosse Hitze, damit die Stärke ihre Wirkung entfaltet.» Früher hätten die Frauen diese Arbeit im Winter gemacht, als das Haus geheizt worden sei.
Claudia Julmy ist mit Herzblut bei der Sache. «Ohne geht es nicht», bestätigt die 43-Jährige. Ein wenig von dieser Begeisterung will sie am Samstag und Sonntag weitergeben. Dann präsentiert sie im Sensler Museum während je zwei Stunden die Kunst, Handorgelärmel zu falten.
Vorschau
Ein Filmprojekt und Trachtenärmel
Im Sensler Museum in Tafers läuft noch bis zum 19. November die Ausstellung «Trachte». Am kommenden Samstag- und Sonntagnachmittag zeigt Claudia Julmy das Handwerk des Handorgelärmel-Bügelns. Bereits am Freitag präsentiert das Museum in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Wier Seisler anlässlich des Tages des audiovisuellen Erbes ein kleines Filmprojekt. «Wir hauchen Trachtenfotos Leben ein und lassen abgebildete Personen erzählen», heisst es in der Beschreibung. Premiere des Kurzfilms ist um 20 Uhr, und anschliessend findet eine Abendführung mit Museumsleiter Gaëtan Favre statt. Bereits ab 17 Uhr können Besucherinnen und Besucher die Schätze des Museums bewundern. Am 4. November tritt die Musikgesellschaft Düdingen im Museum auf, am 18. November die Trachtengruppe Bösingen. im
Weitere Infos: www.senslermuseum.ch
Kommentar (0)
Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.
Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.