Ausserhalb ihres Arbeitsplatzes werden Mitarbeitende nicht selten als mündige Menschen und selbstverantwortliche Bürgerinnen und Bürger angesehen. Es wird ihnen viel zugetraut, beispielsweise eine Familie zu gründen, wichtige öffentliche Ämter zu bekleiden und ein eigenverantwortliches Leben zu führen.
Sobald sie am Montagmorgen ihre Arbeit antreten, ist Schluss damit. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie in einer Firma, einem Amt oder einer anderen Organisation beschäftigt sind. Ab hier müssen sie gemanagt werden. Und zwar «professionell». Das aus dem Militär stammende Dogma, dass Organisationen nur erfolgreich sind, wenn sie von Vor-Gesetzten gemanagte und angepasste Mitarbeitende haben, sitzt unglaublich tief.
Obwohl die Realität längst anders aussieht, wird weiter an den hohlen Führungstheorien festgehalten. Wenn die alle funktionieren würden, gäbe es keine Führungsprobleme. Darum entstehen immer wieder neue Heilslehren. Wie einst die Pfaffen ihre Ablassbriefe an die verlorenen Sünder verhökerten, bringen Coaches und selbst ernannte Führungsexpertinnen beziehungsweise -experten ihre neuesten Patentrezepte unters überforderte und lechzend händeringende Managervolk. Beim genauen Hinsehen handelt es sich meist um alten Wein in neuen Schläuchen. Weil sich am Menschenbild null und nichts verändert hat.
So werden weiterhin vordefinierte Stellen besetzt, um fremdbestimmte Aufgaben zu erfüllen. Es wird weiterhin mit Zuckerbrot und Peitsche motiviert. Motivierung wird mit Motivation verwechselt und der Bonuswahnsinn nimmt immer skurrilere Formen an. Und immer noch werden die peinlichen, jährlichen (Ab)Qualifikationsgespräche geführt, bei denen Mitarbeitende eh immer am kürzeren Hebel sind.
Der Mensch im Mittelpunkt? Der Mensch als Mittel. Punkt. Das wäre wenigstens ehrlich. Er ist nicht Partner, er ist Zuträger und unselbstständiger Ausführer, dem man alles vorschreiben und aufzeigen muss. Er ist nicht unterschiedlich, deshalb macht er keinen Unterschied. Er ist Teil des Kollektivs, aber beliebig austauschbar.
«Sei teamfähig», fordern Leute, die Karriere gemacht haben, weil sie nicht teamfähig sind. «Sei Unternehmer», rufen Angestellte Angestellten zu. Dabei haben sie selbst ihren Platz nur, weil sie nicht Unternehmer sind. Und Worte verraten stets die Denkfigur. Die «Belegschaft», was zum Teufel ist denn das, das «Personal» das man «beschafft», die «Human Ressources», die man beliebig «erneuert», «die Mitarbeiter, das wichtigste Kapital», das dann doch nur als lästiger Kostenfaktor in der Erfolgsrechnung vorkommt. Und alle sind erstaunt, dass Motivation und Leistung unter jedem Hund sind.
Und was wird getan? Lernresistent wird verbissen am Bisherigen festgehalten. Und es wird weiter wie irre am sinnlosen Versuch, den form- und berechenbaren Menschen zu schaffen, herumgebastelt. Noch mehr Personal-Reglemente, noch mehr Organisation, noch mehr Planung und Kontrolle, noch mehr Analyse, um das Unmessbare messbar zu machen, noch ausgeklügeltere Stechuhren, noch mehr Stellenbeschriebe und Pflichtenhefte, noch mehr ISO. Und es werden weiterhin Organigramme mit viereckigen Jobfeldern gezeichnet, und keiner merkt, dass es gar keine viereckigen Menschen gibt.
Beat Brülhart wohnt in Düdingen. Er ist Verwaltungsrat in verschiedenen Unternehmungen, Stiftungsratsmitglied einer Pensionskasse und sozialer Einrichtungen. Als Mitglied des Gewerbeverbands Sense ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.
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