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Wort zum Freitag

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Politiker bemühen gerne die christlichen Werte. Sie tun dies mit Vorliebe dann, wenn sie anderen etwas verbieten wollen: den Musliminnen das Kopftuch, den Moscheen das Minarett, den Homosexuellen das Heiraten und irgendwann wohl homosexuellen Muslimen das Adoptieren verschleierter Kinder.

Die werten Christenpolitiker, pardon, christlichen Wertepolitiker vermeiden es dabei in der Regel tunlichst, zu erklären, was christliche Werte sind. Denn ihnen geht’s nicht um Theologie, sondern darum, eine scharfe Grenze zu ziehen. Eine Grenze zwischen «Uns» und «den Anderen». Und je vager der Begriff, desto besser funktioniert das.

Müssten die Politiker konkret werden, sie gerieten in Teufels Küche. Denn was macht die christlichen Werte aus? Ist es die radikale, aller Konventionen spottende Nächstenliebe Jesu, der die Ausgestossenen, Schwachen und Verfolgten an seinen Tisch bat und die Pharisäer links liegen liess? Die sinnliche Lebensfreude des Gottessohns, der sich von einer Prostituierten mit teurem Öl die Füsse massieren liess und ein Wunder wirkte, wo das Hochzeitscatering versagte? Oder meinen die Politiker damit die westlichen Werte, also Freiheit, Gleichheit, Toleranz–jene Werte also, die die katholische Kirche jahrzehntelang als Teufelszeug bekämpfte?

Sie sehen, es ist kompliziert.

Die Bibel hilft in diesem Fall nicht weiter. Denn die ist ein ideologisches Selbstbedienungsbüfett–für jeden Geschmack hat’s was. Der Pazifist findet darin genauso eine Abrüstungsanleitung («Schwerter zu Pflugscharen», Buch Micha 4, 1–4) wie der Kriegstreiber eine Rechtfertigung für den militärischen Vergeltungsschlag («Auge um Auge, Zahn um Zahn», 2. Mose, 21, 24). Antisemiten, Homophobe, Befreiungstheologen, Feministinnen und Frauenhasser können sich mit Bibelworten gleichermassen aufmunitionieren.

Zum Glück gibt es ein anderes Grundlagenwerk, auf das sich die Wertedebatte in der Politik beziehen kann. Zugegeben, im Vergleich mit der Bibel ist dieses Werk ein Benjamin, grade mal 168 Jahre alt, ein dünnes Büchlein obendrein. Die Wucht und Poesie der biblischen Sprache geht ihm völlig ab, zudem wird es laufend umgeschrieben, manche zweifelhafte Passage ist in den letzten Jahren reingeflickt worden–und doch stehen darin bemerkenswerte Sätze: «Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen» (Art. 7), «Niemand darf diskriminiert werden» (Art. 8) oder «Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet» (Art. 15). Es ist–die Bundesverfassung.

Und dazu fällt mir, ganz klugscheisserisch, sogar das passende Bibelzitat ein: «Wer Ohren hat zu hören, der höre!» (Matthäus, 11,15)

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