Nach einer grossen Rutschung im Winter war der Aufstieg zu verschiedenen Alpliegenschaften in Schwarzsee unpassierbar. Nun wird der Hang saniert und die Strasse Richtung Reccardets wieder instandgestellt. Dabei kommt ein Stabilisierungssystem einer Bündner Firma zum Einsatz.
Eine schwere Baumaschine steht auf einem Teilstück der steilen Alperschliessungsstrasse Reccardets im hinteren Teil des Schwarzseetals hoch über dem See. Angesichts der riesigen Abrissfläche ist die frühere Strasse fast nicht mehr erkennbar. Der Hang ist am 19. Dezember 2023 grossflächig ins Rutschen geraten und hat dabei einen rund 30 Meter langen Abschnitt der Strasse mit sich gerissen (die FN berichteten).
1200 Kubikmeter Material
Eine Lawine aus Geröll, Erde und Schlamm ist den steilen Hang heruntergerollt, bis sie auf den unteren Teil der Erschliessungstrasse gestossen ist. Experten gehen davon aus, dass rund 1200 Kubikmeter Material in Bewegung waren. Ein Grossteil des Materials blieb auf der Strasse liegen und hat sich bis zu drei Meter hoch aufgetürmt. Die Lawine hat Bäume und weiteres Material der Strasse entlang über die kleine Brücke geschoben, ein kleinerer Teil ist in den Balisabach gleich unterhalb gerutscht.
Viel Wasser
«Wir gehen davon aus, dass die starken Niederschläge Ende des letzten Jahres die Ursache für die Rutschung sind», sagt Roger Raemy anlässlich einer Begehung am Mittwochvormittag. Die Mehrzweckgenossenschaft Schwarzsee hat ihm die Koordination für die Behebung der Schäden in allen vier Mehrzweckgenossenschaften übertragen und die Leitung für das Reccardets-Projekt.
Da es bereits im Oktober 2023 stark geregnet hat, waren die Böden schon sehr gesättigt. Im November regnete es anhaltend. Dann fielen rund 40 Zentimeter Neuschnee, der nach erneutem Regen zu Schmelzwasser wurde. «Das führte zu überdurchschnittlichen Wasserabflüssen», führt Raemy aus. Statt der zu dieser Jahreszeit durchschnittlichen 150 Millimeter fielen gemäss der Meteostation Plaffeien über 348 Milliliter Niederschlag.
Die Zeit drängt
«Das ist einer der grössten und vor allem aufwendigsten Schadensfälle, die wir im ganzen Gebiet der Integralen Berglandsanierung mit den vier Mehrzweckgenossenschaften je hatten», sagt Alfons Piller, Mitglied der Baukommission und Präsident der Mehrzweckgenossenschaft Schwarzsee. Für ihn sei rasch klar gewesen, dass der Schaden so schnell wie möglich behoben werden muss. «Es ist die einzige Erschliessungsstrasse für acht Alpen in diesem Gebiet», hält er fest. Die Zeit drängte. Wegen des Ausmasses des Schadens war klar, dass die Wiederinstandstellung und Hangsicherung aufwendig und anspruchsvoll sein würde. «Ziel war es von Anfang an, die Strasse im Frühling, wenn die Vorbereitungen auf den Alpbetrieben aufgenommen werden, wieder benutzbar zu machen», sagt Alfons Piller.
Denn ohne die 2006 gebaute Strasse hätten die Bewirtschafter der Alpen Ahornen, Unter und Ober Reccardets mit Schatthütte, Balisa, Magnina, Chesalette und Thossisrain und Lenzburgera keinen Zugang zu ihren Betrieben. «Ausserdem ist die Strasse eine wichtige touristische Verbindung in Richtung Valsainte und Charmey», hält Alfons Piller fest. Im Winter bei Tourenskifahrern, im Sommer bei Wandergruppen.
Vier Varianten
Aus all diesen Gründen hat die Genossenschaft nach einer ersten Besichtigung kurz vor Weihnachten Gas gegeben. Sie hat im neuen Jahr eine Baukommission gegründet, deren Präsidium Erich Maurer übernommen hat. Projektleiter Roger Raemy hat in der Folge vier Varianten ausgearbeitet und den Anstössern vorgelegt.
Eine sah vor, mit in der Gegend oft verwendeten Holzkästen den Hang und die Strasse zu stabilisieren. Sie wurde verworfen, weil man befürchtete, dass diese durch die verschiedenen Wasseraustritte im Gelände nicht lange halten würden. Die Verlegung des Wegs um eine Strassenbreite in Richtung Böschung war auch nicht möglich, weil die Böschungsneigung zu gross geworden wäre. Auch die Idee einer neuen Zufahrt zu den Alpen via Breccaschlundstrasse haben die Beteiligten verworfen – sie wäre bautechnisch schwierig und im geschützten Gebiet zu aufwendig umzusetzen gewesen.
Bewährte Methode
«Wir haben uns schliesslich für eine sogenannte Rühlwand entschieden», erklärt Roger Raemy. Rühlwände sind Verbauungen, die mit vertikalen Trägern und horizontalen Verstrebungen arbeiten. «Für diese Variante spricht, dass sie in einem Gelände wie diesem, also instabil, steil und mit vielen Wassereinläufen, auf Dauer die nachhaltigste ist», erklärt er.
Weil es unter den Möglichkeiten eine eher kostenaufwendige ist, habe man die Alternativen eingehend geprüft, erklärt Roger Raemy bei der Begehung. «Im Vergleich zu den anderen Varianten überwogen aber hier die Vorteile klar.»
Bohrungen unter der Strasse
Für Rühlwände gibt es verschiedene Systeme. Da die Mehrzweckgenossenschaften bei ähnlichen Projekten im Zollhaus und auf der Tatürenstrasse im Plasselbschlund gute Erfahrungen gemacht hatten, bekam die Bündner Firma Ribbert aus Maienfeld den Zuschlag. Sie hat die sogenannten Ribbertwände entwickelt.
Dabei arbeitet sie mit einer Spezialmaschine, an deren Baggerarm ein Bohrkopf befestigt ist. Dieser gräbt von der abschüssigen Seite her etwa fünf Meter unter der Strasse durch und weiter in Richtung Böschung 35 Bohrungen. In diese werden Rohre geschoben, in denen sich Stahlseile befinden, die schliesslich mit Beton gefüllt werden.
Diese Konstruktion bildet die Verankerung der bis zu fünf Meter hohen Wand, die an der abschüssigen Seite der Strassen gebaut wird. Sie besteht aus Eisenbahnschienen, die mehrere Meter tief in den Untergrund gestossen werden. Auf der Reccardets-Strasse sind 13 solcher Eisenpfähle vorgesehen. Die Zwischenräume werden horizontal mit Eisenplatten gefüllt. Diese sogenannten Larsen kommen beispielsweise auch an Meerufern zum Einsatz, um die Wellen abzuhalten.
Bis Ende April fertig
In einem ersten Schritt wurde der untere Teil der Strasse vom Material befreit und das lose Material auf der Rutschfläche ins Tal geschafft. Dies, damit das Wasser geordnet ablaufen kann und sich nicht weiter im Gelände ablagert. Am 2. April rückte die dreiköpfige Bauequipe der Firma Ribbert an. Sie wird bis Ende April die Rühlwand fertigstellen. Dann kann mit der Wiederinstandstellung der Strasse begonnen werden, bei der teilweise das Material des Rutsches verwendet wird.
Ob alle Arbeiten vor dem Sommer abgeschlossen werden können, ist gemäss Roger Raemy noch unklar. Doch wird die Strasse soweit fertig sein. Somit ist das von Anfang an gesteckte Ziel, den Bewirtschaftern spätestens Anfang Mai wieder Zugang zu ihren Alpen zu gewähren, realistisch.
Finanzierung
Von Bund und Kanton subventioniert
Alle Arbeiten rund um die Rutschsanierung sind mit Kosten von rund 300’000 Franken veranschlagt. Von Kanton und Bund gibt es Subventionen von 75 Prozent, weil es sich bei der Strasse um eine Basisinfrastruktur für Alperschliessungen, also für landwirtschaftliche Betriebe, handelt. Den Rest müssen die elf Anstösser übernehmen. Ihre Beteiligung hängt unter anderem von der Weglänge, der Grösse des Betriebs, der Bestossung und dem Waldanteil fest, wie Erich Maurer, Präsident der Baukommission, erklärte. (im)
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