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Den Takt gibt ein kleiner Zirkel vor: So umdribbeln die Fankurven die Behörden

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Bern

Seit Jahren schwelt ein heftiger Streit zwischen den Behörden und den Fankurven. Dabei sind die Fans hervorragend organisiert und helfen einander, restriktive Vorgaben zu umgehen.

Es ist wieder einmal so weit: Ohnmacht. Chaoten schmeissen nach dem Cupspiel Winterthur gegen Servette Fackeln in den Familiensektor, es kommt auf dem Platz und am Bahnhof zu Schlägereien.

Rasch gehen die Wogen hoch. Es mangelt nicht an harten Worten gegen die Chaoten. «Wir wollen euch nicht», grollt der «Blick» und in den Kommentarspalten kocht Volkes Zorn. Für die Chaoten werden – komplett zurecht – harte Strafen gefordert.

Politiker und Politikerinnen, die sich vor ein Mikrofon zerren lassen, betonen, dass es nun endlich Massnahmen brauche, sagen aber auch immer: «Eine einfache Lösung gibt es nicht.» Nur um ein paar Momente später dann doch die einfachste aller Lösungen zu beschliessen: Kollektivstrafen. Für das Fehlverhalten einiger Servette-Fans werden nun alle Servette-Fans bestraft: Die Fankurve ist diesen Samstag gesperrt.

«Es ging viel kaputt an diesem Wochenende»

Der Skandal von der Schützenwiese ist die jüngste Runde in einem sich stets hochschaukelnden Machtkampf zwischen den Behörden und den Fans. Dabei geht es um die möglichen Massnahmen gegen Ausschreitungen. Die Bewilligungsbehörden versuchen, die Fankurven mit harter Hand und Kollektivstrafen unter Kontrolle zu kriegen. Ab der kommenden Saison wird ein sogenanntes Kaskadenmodell eingeführt, das für verschiedene Vergehen verschiedene Strafen vorsieht – von Sektorsperrungen bis zu Geisterspielen.

Dabei ist den organisierten Fans ein spektakulärer Erfolg gelungen: Die Vereine und die Liga haben sich – auf Druck aus der Kurve – gegen die Massnahmen gestellt. Die Behörden wollen diese zwar trotzdem im Alleingang durchziehen. Aber es ist fraglich, wie viel Wirkung diese Repressionen tatsächlich entfalten können, wenn die zwei wichtigsten Player nicht mitmachen.

Bis zum Spiel in Winterthur gab es wohl auch wegen dieses Machtkampfs in den vergangenen Matches keine grösseren Vorfälle. Die Fankurven hielten die ungestümen Kräfte in ihren Reihen unter Kontrolle – im Wissen darum, dass jeder Vorfall Wasser auf die Mühlen der Massnahmen-Verschärfer ist. «Es ging wahnsinnig viel kaputt an diesem Sonntag in Winterthur», sagt einer aus einer anderen Fankurve.

Sektor zuerst gesperrt – dann doch geöffnet

Vorher führten die Ultra-Szenen in der Schweiz wiederholt die Bewilligungsbehörden auf kreative Art vor. Mal wechselten sie den Sektor und supporteten ihr Team von anderen Rängen, mal protestierten sie mit einheitlichen Spruchbändern gegen Massnahmen. Wie hilflos die Behörden zuweilen reagieren, zeigten die Fans des FC Luzern. Obwohl «ihr» Gästesektor in St.Gallen eigentlich gesperrt war, reisten sie in grosser Zahl und mit gültigen Tickets für andere Bereiche an. Am Ende blieb der Polizei nichts anderes übrig, als den Gästesektor doch zu öffnen. Aus «Sicherheitsgründen», wie es hiess. Mit genau der gleichen Begründung war der Sektor eigentlich gesperrt worden.

All diese Beispiele zeigen auf: Die Fankurven in der Schweiz umdribbeln die Einschränkungen geschickt. Und vor allem: unglaublich gut organisiert. Dabei funktionieren sie sehr hierarchisch. Den Takt geben jeweils kleine Zirkel vor. Je nach Fankurve sind dabei zwischen zehn und vierzig Leute versammelt. Sie setzen sich mit Vertretern aus den verschiedenen Fangruppierungen zusammen. Das sind nicht unbedingt basisdemokratische Kreise. In die Führungsriege kommt, wer etwas zu sagen und sich jahrelang in den Dienst der Kurve gestellt hat.

Mehrere Quellen betonen, dass es dabei zahlreiche «kluge Köpfe mit einer klaren Idee» gebe. Die Zeiten, in denen die stärksten und gewalterprobtesten Figuren die Geschicke der Fanszenen bestimmten, seien längst vorbei. Regelmässig tauschen sich die unterschiedlichen Kurven auch untereinander aus. In digitalen Sitzungen besprechen sie, was ansteht, wo Handlungsbedarf besteht und was geplant ist.

Der Grossteil sind Mitläufer

Um diesen inneren Zirkel gibt es dann noch den harten Kern der Ultras. Dieser ist je nach Verein unterschiedlich gross und besteht maximal aus einigen hundert Personen. Sie sind für all die Choreografien zuständig, treiben die Fankurve und Mannschaft mit ihren Gesängen an, – zünden aber auch Pyrotechnik im Stadion und sind – längst aber nicht alle – auch gewaltbereit. Rund um diese Masse folgt dann der grosse Pulk der Mitläufer.

Sie sind unterschiedlich eingebunden in all diese Aktivitäten. Längst nicht jeder, der in der Muttenzerkurve, dem Espenblock oder der Südkurve steht, würde Pyros zünden oder gar Gewalt anwenden. Was sie alle verbindet: Die Liebe zum Verein, der Ort im Stadion, an dem sie das Spiel schauen und die Werte, die in der Fanszene vorgelebt werden. Dabei definiert der harte Kern die Grenzen. Überschreitet jemand diese, muss er (die Kurven sind sehr männlich) mit Konsequenzen rechnen. Das geht von einer freundlichen Ermahnung bis zu Prügel.

Werte und Regeln entwickeln die Kurven dabei selbst. Und sie verhandeln sie auch nicht. Der Einsatz von Pyrotechnik ist unbestritten – auch wenn das eigentlich verboten ist. Mit ihren Wertvorstellungen und ihrem Auftreten ecken die organisierten Fans vielerorts an. Der Kurven-Dresscode ist meist schwarze Jacke, Jeans und weisse Schuhe. Die Klubfarben sind oft nur auf dem Schal sichtbar.

Dieses sehr uniforme Auftreten wirkt martialisch. Der Sinn einer Ultra-Bewegung ist die Masse: Ihr hat man sich unterzuordnen. Gewalt ist kein Selbstzweck wie im Hooliganismus, aber gebilligtes Instrument. Wer sich im Rahmen der eigenen Werte für die eigenen Farben einsetzt, darf auf die Solidarität aller anderen zählen.

Das Schweigen der Ultras

Über den Umgang mit Chaoten in den eigenen Reihen entbrennen immer wieder heftige Diskussionen. Während für die Fankurven komplett klar ist, dass Zünder von Pyrotechnik gedeckt werden, stört sich die Öffentlichkeit vor allem daran, dass auch Gewalttäter in der anonymen Masse Unterschlupf finden und nicht an die Behörden ausgeliefert werden. Grundsätzlich hält die Szene die Selbstregulierung hoch. Probleme werden intern gelöst. Ungeschoren werden Fackelwerfer kaum wegkommen, aber eine Kooperation mit den Behörden ist vielerorts undenkbar. So uniform die Szene auftritt, so gross ist die Ablehnung und das Misstrauen gegen Uniformierte.

Diese kritische Haltung gegenüber dem Staat und dem Mainstream ist vielen Subkulturen gemein. Man bleibt gerne unter sich. Das wirkt teilweise sehr uneinsichtig. Auch weil die Fankurven meist schweigen. Offizielle Statements gibt es nur höchst selten. Einen Sprecher, der mit Gesicht und Namen hinsteht, gibt es in der Szene nicht. Vielerorts erscheinen kleine Kurven-Zeitungen, ohne Autorennamen. Auch im Bewusstsein, dass vieles im Graubereich passiert und sich nicht ein Einzelner dafür exponieren will. Es ist ein bisschen Omertà. Auch in diesem Artikel wollte niemand seinen Namen lesen. Auskunft und Einblick geben Protagonisten aber schon.

Mit ihrem Schweigen überlassen die Fankurven die Deutungshoheit all jenen, die sie eh schon verdammen. Und je lauter diese Stimmen werden, desto mehr verfestigt sich in der Szene der Eindruck, dass über die üblichen Wege kein Blumentopf zu gewinnen ist. Gleichzeitig tauschen sich die inneren Kreise der Fanszenen regelmässig mit den Vereinen, den Sicherheitsverantwortlichen und teils auch der Politik aus.

Das zeigt: Sie sind mittlerweile ein gewichtiger Faktor. Die Fans mit ihren lauten, wilden Gesängen und Choreografien sind dabei ein wichtiger Grund ins Stadion zu gehen. Auch deshalb stellen sich Klubs auf die Seite der Fans: Die Vereine lassen sich mit all den Zugaben der Ultras deutlich besser vermarkten – kein Wunder angesichts der bisweilen trostlosen Kickerei in der Super League.

Den Alltagsfrust rausschreien

Gerade auf Jugendliche üben Fankurven mit ihrem etwas verruchten Image eine magische Anziehung aus. Diese Mischung aus Action, Zusammenhalt und Kreativität haben einen ungemeinen Reiz. Eine lange Zugreise durch die Nacht aus dem Wallis schafft etwas Verbindendes. Und der Freiraum, den die Fanszenen lassen, öffnet die Möglichkeiten, die eigenen Grenzen zu erforschen.

Und es hat etwas Gleichmachendes, wie ein Fan sagt. In der Fankurve ist es egal, ob jemand im Verkauf arbeitet oder Jus studiert, ob jemand SP oder SVP wählt. Und natürlich: Eine Fankurve ist auch immer ein Ventil. Hier kann man den Alltagsfrust rausschreien. Teilweise entlädt er sich dann aber in eine ungewünschte Richtung, gerade unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen. Solche Gruppendynamiken gibt es auch an jedem Samstagabend im Ausgang. Nur: Bei einem Fussballmatch ist die Gruppe, die eskalieren kann, ungleich grösser.

Und, eben, am Ende bleibt dann vielfach Ohnmacht zurück. Alles von diesem kreativen, positiven Image löst sich in Windeseile wieder im Rauch der Pyrotechnik auf. Auch das Kaskadenmodell wird solche Vorfälle aber nicht verhindern können. So einfach wird die Politik die Kurve nicht kriegen.

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