Solange Risse, die Initiantin und langjährige Leiterin der Tagesstätte für Demenzerkrankte in St. Ursen, geht in Pension. Mit den FN blickt sie auf ihr Lebenswerk zurück und erzählt, warum sie mit einem guten Gefühl aufhört.
Vor 20 Jahren realisierte Solange Risse in der alten Käserei Römerswil bei St. Ursen eine besondere Tagesstätte: «Die Familie im Garten» bietet Tagesbetreuungen für Alzheimerkranke und Personen mit ähnlichen Demenzerscheinungen an. Nun erhält der Trägerverein einen neuen Präsidenten (siehe Kasten), und die Gründerin übergibt das Zepter in neue Hände. Der Grund? «Ganz einfach: Ich gehe in Pension und will dies geniessen», sagt sie mit einem herzlichen Lachen gegenüber den FN.
Butty Revaz übernimmt
Kommenden Herbst übernimmt Anne Butty Revaz die Institution als neue Direktorin. Als
Generalrätin der Stadt Freiburg bringe sie nahezu 20 Jahre Erfahrung an der Spitze des Instituts La Gruyère mit, heisst es in der Medienmitteilung. Der Verein habe viele Bewerbungen erhalten, und jene von Butty Revaz sei hervorgestochen, sagt Solange Risse. «Sie ist die richtige Person für diese Aufgabe. Das Vertrauen war direkt vorhanden.»
Dieses Vertrauen ist Voraussetzung, denn Risse übergibt ihr Lebenswerk, welches sie ab 2002 Schritt für Schritt aufgebaut und auch ausgebaut hat. Heute betreibt «Die Familie im Garten» neben dem Sitz in Römerswil auch eine Tagesstätte in Humilimont bei Marsens und bietet neben Tagesbetreuung auch Nachtaufenthalte und Transporte an. Ein weiter Weg, denn alles begann in einer alten Käserei, wie sie erzählt: «Mein Vater litt an Demenz. Schon damals haben wir gemerkt, dass die Betreuung viel Energie und Zeit kostet und das Unterstützungsangebot mager ist.» Sie wollte deshalb ein neues Angebot ins Leben rufen, um allen Betroffenen zu helfen. Risse kaufte mit eigenen Mitteln die Immobilie, gründete daraufhin den Trägerverein und baute das Gebäude bedürfnisgerecht in eine Tagesstätte um. 2004 begrüsste sie die ersten Gäste.
Gast und Gastgeber
Die Bezeichnung «Gast» anstelle von «Patient» oder «Klient» ist mit Absicht gewählt. Denn sie seien keine medizinische Institution, die eine Heilung verspreche. Vielmehr konzentriere sich die Betreuung auf eine Begegnung, die auf Augenhöhe geschehe. «Das französische Wort ‹hôte› hat die schöne Eigenschaft, dass es zwei Bedeutungen hat: Gast und Gastgeber.» Sie erklärt:
Wir behandeln unsere Besucher mit Respekt und wollen mit ihnen schöne, freundschaftliche Momente erleben.
Die Krankheit führe oftmals auch zu einer sozialen Isolation. Sei es bei der erkrankten Person, die sich immer mehr zurückziehe, oder bei den Angehörigen, die wegen Betreuung ihrer Liebsten vollkommen eingenommen würden – während 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Mit ihrem Angebot habe sie das Ziel verfolgt, zum einen den erkrankten Gästen ein Stück Normalität und Unabhängigkeit zurückzugeben, zum anderen den pflegenden Angehörigen eine Verschnaufpause zu gönnen, um die Batterien wieder aufzuladen. Sie erläutert:
Es ist nicht nur die physische Betreuung, die an den Kräften zerrt, sondern auch die ständige Sorge, dass sich die erkrankte Person in Gefahr bringen könnte.
Finanzielle Herausforderungen
Rückblickend auf die zwei Jahrzehnte kommen bei der Gründerin viele schöne und bereichernde Momente in den Sinn. Jedoch gab es einen stetigen, unangenehmen Begleiter, dem sie viel Aufmerksamkeit widmen musste: die Finanzen. Am Anfang der Erfolgsgeschichte war die Institution selbsttragend, jedoch waren die Betreuungsplätze begrenzt, erinnert sich Risse. Mit den Jahren etablierte sich ihr Betreuungsmodell und fand immer mehr Interesse seitens der Politik. Mit den ersten Beiträgen von der Loterie Romande begann es, heute finanziert sich der Trägerverein mit Subventionen vom Kanton, Beiträgen der Krankenkassen und von den Personen, die das Angebot nutzen. Diese wiederum können die Rückerstattung der Kosten für Tagesstätte und Transport bei der kantonalen Ausgleichskasse beantragen, wenn sie Ergänzungsleistungen beziehen.
Der wichtigste Pfeiler der Institution und auch der Grund, weshalb sie schon so lange fortbestehe, seien die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die beim Betreuungsangebot mitwirken würden, sagt Risse. «Ohne diese Unterstützung würden wir es finanziell nicht schaffen.»
Werte erhalten
Für die Zukunft wünscht sich die Gründerin, dass die gleichen Werte, auf denen sich das Konzept seit vielen Jahren stütze, weitergetragen würden. Sie hoffe, dass das Angebot noch sehr lange erhalten bleibe, denn für die betroffenen Personen und ihre Familien sei es eine Notwendigkeit. «Ein Wechsel ist nie einfach, besonders nicht, wenn ein Gründungsmitglied geht. Doch es bietet auch die Chance für neuen Wind und für neue Ideen», so Risse.
Verein
Neues Präsidium nach zehn Jahren
Neben dem Wechsel der Direktion gibt es auch einen beim Vereinspräsidium: Der jetzige Präsident Louis-Philippe Cardis hat am 1. April den Vorsitz an Jérôme Kolly übergeben, wie es in der Mitteilung heisst. Cardis war zehn Jahre lang im Vorstand. Der neue Präsident ist bereits seit 2007 Vorstandsmitglied, auf ihn wartet viel Arbeit. So soll er mit der neuen Direktion unter anderem dafür sorgen, dass ein neuer Leistungsvertrag mit dem Staat ausgehandelt und das Angebot ins neue Finanzierungsmodell des Kantons und der Gemeinden integriert werde. Des Weiteren werde der Verein ab dem 1. Juli an seinem Standort Humilimont einen vierten Betreuungstag anbieten, um dem steigenden Bedarf des südlichen Kantonsteils zu entsprechen. Am 9. Juni findet die Generalversammlung statt. jp
Zahlen und Fakten
Seit 2002 für Demenzkranke im Einsatz
Solange Risse hat als Initiantin und Gründungsmitglied des Vereins «Die Familie im Garten» einst die alte Käserei in Römerswil bei St. Ursen mit eigenen Mitteln gekauft. Nach der Vereinsgründung 2002 eröffnete die Tagesstätte für Alzheimerkranke und Personen mit ähnlichen Demenzerscheinungen 2004 in Römerswil, 2020 folgte die Zweigstelle in Humilimont. 2021 wurden 3615 Betreuungstage für 92 Personen aus allen Kantonsbezirken durchgeführt, wie der Verein mitteilt. 2444 Transporte wurden organisiert. Zudem hatten sie 16 Kurzaufenthalte (zwei Tage mit einer Übernachtung). Rund 65 Freiwillige zwischen 22 bis 82 Jahren helfen bei den Betreuungen; 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besetzen die insgesamt 9,2 Vollzeitstellen. Des Weiteren organisiert der Verein jährlich drei Ausbildungssessionen zum Thema der Validation nach Naomi Feil: Bei den Seminaren werden Informationen ausgetauscht und Instrumente vermittelt, die zu mehr Verständnis und einer besseren Kommunikation verhelfen sollen. jp
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