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Die Stadt Freiburg setzt immer häufiger auf Mitsprache in der Raumplanung

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Partizipation: Das ist das Gebot der Stunde in der Stadt- und Quartierentwicklung. Die FN haben mit Gemeinderätin Andrea Burgener über dieses Instrument der Raumplanung gesprochen, auf das sie seit geraumer Zeit setzt. 

Der Kanton Freiburg und der Kanton Solothurn sind in der Schweiz die einzigen Kantone, in denen die Raumplanung Regierungs- und nicht Parlamentssache ist. Im vergangenen Oktober hiess der Grosse Rat darum eine Motion gut, die das letzte Wort in der Raumplanung neu an die Gemeindeparlamente übertragen soll. Damit sollen raumplanerische Entscheidungen künftig breiter abgestützt sein.

Nicht zuletzt, weil dies bisher nicht der Fall war, setzte die Stadt Freiburg in den letzten Jahren vermehrt auf die Mitsprache seiner Einwohnerinnen und Einwohner. Aber auch die immer grösser werdenden sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Raumplanung (siehe auch Kasten) machten der Freiburger Gemeinderätin Andrea Burgener (SP) sehr bald nach ihrem Amtsantritt 2016 klar, dass Partizipation geboten und unverzichtbar ist.

Denn die Gemeinde ist keine Insel, sie steht in einem räumlichen und gesellschaftlichen Kontext.

Der Monolog war für sie daher keine Option. «Monolog ist: Ich weiss, wie es geht. Dialog ist, bereit zu sein, sich als Vertreterin des Gemeinderats und der Bau- und Raumplanungsdirektion infrage stellen zu lassen.»

Lehrstück Burgquartier

Diese Erkenntnis erhielt im Rahmen des Aufwertungsprojekts Burgquartier eine besondere Bedeutung. Der Widerstand von Gewerbetreibenden und Anwohnern war in den Anfängen so gross, dass Burgener und ihr Gemeinderatskollege Laurent Dietrich (Die Mitte) im März 2017 die Geschäftstreibenden persönlich aufsuchten. Jeden Einzelnen und jede Einzelne von ihnen fragten sie, was sie von einer Fussgängerzone rund um die Kathedrale hielten und ob sie Empfehlungen für die Revitalisierung des Quartiers hätten. Bei den Betroffenen kam die Aktion gut an. Der Reisebüroinhaber Wolfgang Boschung sagte damals den «Freiburger Nachrichten»: «Endlich, erstmals seit 17 Jahren, kommt einer vorbei. Es zeigt, dass sich der Gemeinderat Gedanken über uns macht und sich auf die Zukunft unseres Quartiers vorbereitet.» Rückblickend weiss Burgener:

Der grosse Fehler im Burgquartier war, dass das Projekt viel zu gross war. Das werden wir, solange ich im Amt bin, nie mehr so machen.

Denn je grösser ein Projekt sei, umso mehr unterschiedliche Meinungen gebe es. Aus diesem Grund habe sie später einen Teil des Projekts, nämlich den Ulmenplatz, suspendiert. «So, dass wir dessen Ausgestaltung in einer zweiten Etappe unter Einbezug der Einwohnerinnen und Einwohner planen können.»

Um das Fuder nicht zu überladen, verschob die Stadt die Umgestaltung des Ulmenplatzes in die zweite Etappe der Aufwertung des Burgquartiers.
Charles Ellena/a

Einsprache versus Mitsprache

Was die erste Etappe anging, war der Mist zwar schon geführt, dennoch versuchte Burgener, wo möglich, noch die Vorschläge der Einsprechenden im Projekt zu berücksichtigen. «Ich habe lange Einspracheverhandlungen geführt. Mir war es wichtig, dass nicht sofort der Rechtsweg beschritten wird», erzählt Burgener. Die Kritik, dass die geplante Beleuchtung im Quartier schlecht für Fledermäuse sei, habe etwa dazu geführt, dass die Stadt auf eine andere Beleuchtung umgeschwenkt sei. «Bei anderen Themen, wie den Parkplätzen, hielten wir dagegen am Standpunkt fest, dass es der politische Wille ist, die Anzahl der Parkplätze zu reduzieren.» 

Burgener betont, dass Einsprachen grundsätzlich zwar nichts Schlechtes seien. «Es ist die Art von Beteiligung, die bleibt, wenn man nicht mitreden kann.» Sie empfinde Einsprachen darum nicht als lästig. Im Unterschied zu echter Mitsprache machten Einsprechende aber in der Regel Einzelinteressen geltend, die nicht immer mit den Interessen der grösseren Gemeinschaft, des Quartiers oder der Gesamtentwicklung der Stadt vereinbar seien.

«Partizipation dagegen erlaubt den Gesamtblick.» Und so fingen Burgener und ihr Team im Raumplanungs- und Bauamt an, verschiedene Formen der Mitsprache auszuprobieren. Im Mai 2021 holte der Gemeinderat zudem mit Enrico Slongo einen Stadtarchitekten an Bord, der sich davor als Städtebaumeister von Langenthal durch Mitwirkungsprozesse bei der Bevölkerung viel Anerkennung geholt hatte. 

Formen der Mitsprache

Wichtig bei der Mitsprache sei in jedem Fall, dass ihr Umfang vorher festgelegt und klar kommuniziert werde, sagt Burgener. Sie reicht von der Information, über die Konsultation bis hin zur Konzertation. Während sich der Gemeinderat bei der Information jedoch bloss die Akzeptanz bei der Bevölkerung für ein geschnürtes Projekt einholt, werden bei der Konsultation die Einwohnerinnen und Einwohner bereits in der Vorprojektphase um ihre Meinung gefragt. So können ihre Ideen – dort, wo es sinnvoll und machbar ist – noch ins Projekt aufgenommen werden. Das war bei der Umgestaltung des Klein-St.-Johann-Platz der Fall. «Während einer der Sitzungen mit den Quartierbewohnern schlug eine Einwohnerin eine noch nicht geprüfte Lösung für die Verkehrsführung vor», erzählt Burgener. «In unserer Direktion war vorher niemand auf diese Idee gekommen.»

In einem partizipativen Prozess lieferte eine Anwohnerin die Lösung für die Verkehrsführung auf dem Klein-St.-Johann-Platz.
Corinne Aeberhard/a

Die Konzertation kam bei der Erneuerung der Pierre-Aeby-Gasse zur Anwendung. Unter Leitung eines Planungsbüros wurden die Anwohnerinnen und Anwohner in vier Workshops in die Planung miteinbezogen. Dabei konnte ein Projekt entwickelt werden, das die Gasse den Menschen und den Geschäften zurückgibt und gleichzeitig einen Teil der Parkplätze beibehält. Konkret einigte man sich darauf, dass sie in eine Begegnungszone mit Einbahnverkehr und Tempo 30 umgewandelt wird. «Das war ein äusserst gelungener Prozess. Es gab bei der öffentlichen Auflage des Projekts nur eine Einsprache.» 

Das Instrument der Mitsprache in der Raumplanung implementierte Burger aber nicht nur wegen der Schwierigkeiten im Burgquartier. «Zudem ist sie eine Frage der Haltung: Ich würde nie für mich allein in Anspruch nehmen, dass ich weiss, wie sich die Stadt entwickeln muss. Ich brauche die Meinungen von anderen.» Sie fügt an:

Wandel lässt sich nicht auf Pläne reduzieren, sondern man muss auf die Vorstellungen einer gemeinsamen Stadtentwicklung eingehen. 

Grenzen der Mitsprache

Wohl am weitesten ging die Mitsprache beim partizipativen Projekt Freiraum Freiburg. Dieses hatte zum Ziel, die Lebensqualität im Schönberg-Quartier zu verbessern. Es umfasste die Realisierung des Maggenbergparks, Grünräume rund um den Fussballplatz sowie einen Gemeinschaftsgarten und einen kleinen Spielplatz bei der Jean-Marie-Musy-Allee. «Für die Umsetzung der Ideen holten wir sodann zum ersten Mal zwei Personen, die von den am Prozess beteiligten Einwohnerinnen und Einwohner bestimmt worden war, in die Projektleitung», erzählt Burgener. Allerdings habe dies nicht wie erhofft funktioniert. «Es hat sich herausgestellt, dass damit nicht garantiert werden kann, dass die Meinung des Quartiers vertreten wird.»

Das Projekt Freiraum Freiburg ging aber auch in anderer Hinsicht weit. So wurde der kleine Spielplatz unter Anleitung eines Projektbüros von den Kindern aus dem Quartier selber gebaut. «Dass die Menschen physisch mitgestalten können, ist eine sehr starke Form der Mitsprache, lässt sich aber nur bei kleinen Projekten realisieren.» 

Eine der stärksten Formen der Mitwirkung: Bei der Realisierung des Spielplatzes Kleiner Fuchs im Schönberg halfen die Kinder selber mit.
Aldo Ellena/a

Keine Carte blanche für Private

Heute ist Mitsprache aber nicht nur das Gebot der Stunde bei Projekten, welche die Stadt selber anreisst, sondern auch bei solchen privater Investoren. «Früher konnten Private den Detailbebauungsplan selber entwickeln. Das gibt es nicht mehr», so Burgener. Heute müssten sich Private zum einen klar an im Ortsplan festgelegten Kriterien halten. Zum anderen müsse vor der Erstellung des Detailbebauungsplans eine Konvention mit der Stadt ausgehandelt und unterschrieben werden, die weitere Vorgaben festhalte. «In dieser Konvention kann die Stadt auch den Einbezug betroffener Kreise verlangen.» 

Freiburg holt auf

Wer an Mitsprache denkt, denkt automatisch auch an lange Verfahren. Ist das mit den rasanten Entwicklungen überhaupt kompatibel? Burgener räumt zwar ein, dass Partizipation enorm viel Zeit in Anspruch nehme, aber nicht zwingend mehr als die Behandlung von Einsprachen.

Denn durch sie gelangen Projekte sehr früh an die Öffentlichkeit. Dadurch kann der Widerstand auch sehr früh aufgefangen werden.

Und wo steht Freiburg im Vergleich zu anderen Städten in Sachen Partizipation? «Wir sind auf der Grenze zwischen der Deutsch- und der Westschweiz. In der Deutschschweiz ist man zum Teil sicher weiter, aber die Romandie holt auf.»

Bereichernd

Andrea Burgener empfindet die Partizipation in jedem Fall als grosse Bereicherung. Wie toll es ist, wenn Menschen zusammen reden und die Stadt gemeinsam gestalten, hat ihr das Revitalisierungsprojekt Saane gezeigt. In diesen Prozess waren alle möglichen Personen und Gruppierungen involviert, die tatsächlich ein Interesse an der Saane haben. «In einem Workshop sassen damals ein älterer Mann in Vertretung der Schwestern der Abtei Magerau und Vertreter des Kanuklubs Freiburg an einem Tisch. Es ging um Anlegestellen für Boote. Da bemerkte der Mann von der Magerau: «Die Abtei ist ein Ort der Ruhe.» Das hätte alle so beeindruckt, dass sie auf die Forderung einer Anlegestelle ohne Wenn und Aber verzichtet hätten. «Das hat auch mich unglaublich berührt.»

Zu keiner Einigung sei es dagegen in Sachen Parkplätzen gekommen. «Beim Verkehr und den Parkplätzen wird es immer schwierig.» Aber der Gemeinderat habe aufgrund des partizipativen Prozesses realisiert, dass es nicht möglich sei, überall Parkplätze wegzunehmen. «Als Kompromiss halten wir an Plätzen am Mottaweg und am Augustinerparkplatz fest. Allerdings müssen dort einige Parkplätze aufgrund der Ausscheidung des Gewässerraumes aufgehoben werden.»

Raumplanung

Wann macht Partizipation Sinn?

Bis in die 1980er-Jahre war Raumplanung in der Schweiz eine rein staatliche Aufgabe. Der Staat gab die Bedingungen für die Raumentwicklung mit Zonenplänen und Ortsplänen vor. Wenn der Platz fehlte, wurde neuer Raum auf der grünen Wiese eingezont. «Zu jener Zeit war Raumplanung wenig konfliktreich. Denn verdrängt wurden höchstens ein paar Kühe, die in unserem System ja keine Stimme haben», erklärt Joris Van Wezemael, Privatdozent für urbane Transformationen an der ETH Zürich und Mitinhaber der Transformationsspezialisten IVO Innenentwicklung AG. Das änderte sich, als mit der beginnenden Digitalisierung in den 1990er-Jahren die klassischen Industrieunternehmen aus den Stadtzentren verschwanden, wie etwa Bierbrauereien oder Maschinenfabriken. «Diese Industriebrachen wurden zu regelrechten Zankäpfeln. Die einen wollten dort Büros, die anderen günstiges Wohnen.» Das führte dazu, dass Ziele und Mittel projektorientiert am Verhandlungstisch festgelegt wurden. «Die Raumplanung begann nun einer kooperativen Logik zu folgen, weil es nicht mehr anders ging.» Mitsprache – sei es in Form freiwilliger Information der Bevölkerung, echter Mitwirkung oder gar Mitentscheidung – ist seither in der Schweiz zum Normalfall geworden. Mitten in der Gesellschaft angekommen ist sie gemäss Van Wezemael mit der Revision des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes 2014, das den Zersiedelungsstopp zum Ziel hatte. Denn durch die Verdichtung der Städte nach innen seien heute alle von Raumplanungsentscheidungen betroffen. 

Methodisch intelligente Prozesse

Trotzdem ist Mitsprache auch heute meist ein informelles Planungsinstrument in der Raumplanung, wie Van Wezemael erklärt. Es gebe keinen gesetzlichen Anspruch auf Mitsprache, was gut so sei, denn: «Sie muss freiwillig und allparteilich sein, denn sonst gibt sie bereits wieder zu viel vor und ist nicht problemorientiert.» Wichtig sei dagegen, dass Gegenstand und Umfang der Mitwirkung sowie der Teilnehmerkreis vorher klar definiert seien. «Denn bei der Partizipation nach altem Strickmuster wurde ein Projekt in der Regel an einer grossen Informationsveranstaltung ohne das Vorwissen der Leute präsentiert. Damit werden die Menschen oft überfordert, weil sie ihre Optionen gar nicht kennen.» Auf der anderen Seite sei dieses Vorgehen auch für Behörden, Grundstückeigentümer und Investoren nicht immer zielführend gewesen, weil sie mit einer nicht endenden Wunschliste konfrontiert gewesen seien. «Darum müssen Themen und Kräftefelder zunächst genau analysiert werden, um dann in einer ersten Phase getrennt nach Interessengruppen, Themen oder Teilräumen von unten nach oben arbeiten zu können.» Das erlaube es, weg von den Positionen der Menschen hin zu deren Interessen zu kommen. Was das heisst, illustriert Van Wezemael am Beispiel, bei dem eine Person einen Parkplatz und eine andere einen Spielplatz will. «Diese Positionen sind nicht verhandelbar.» Wenn nun aber gefragt wird, warum jemand einen Spielplatz will, ergeben sich ganz viele Themen, wie der Wunsch nach Aussenräumen in der Siedlung, Betreuung der Kinder nach der Schule und so weiter. «Plötzlich gibt es viele Lösungen für das Grundanliegen der Person, und nicht nur dieser Spielplatz.»  

Anspruchsvoll und teuer

Um diesem Anspruch an die Mitsprache gerecht zu werden, braucht es laut Van Wezemael eine professionelle Begleitung, die nicht nur moderative, also leitende, sondern auch mediative, also vermittelnde Kompetenzen habe. «Büros, die nicht nur raumplanerisches Wissen haben, sondern auch über Mediationskompetenzen verfügen, gibt es aber nicht viele.» Richtig gemachte Partizipation sei zudem nicht nur anspruchsvoll, sondern auch zeitintensiv und darum teuer. In diesem Umstand sieht der Raumplanungsexperte denn auch die praktische Grenze der Partizipation. Könne der Aufwand nicht geleistet werden, drohe Partizipation zum Eigentor zu werden, indem sie erst recht Widerstand auslöse. Kein Mittel sei die Partizipation hingegen, um langfristig über einen Immobilienzyklus von 35 Jahren hinaus zu planen. Dafür brauche es andere Instrumente und Verfahren. rsa

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