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Fangewalt: Warum passiert da nicht mehr in der Schweiz?

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Im Fangewalt-Streit pochen die Fussballklubs darauf, dass Einzeltäter konsequenter verfolgt werden. Die Forderung ist alt – und nicht einfach umzusetzen, wie aktuelle Beispiele zeigen.

Fussball

Am Ende bleibt ein Eklat. Und eine Forderung, die nachhallt, auch vor diesem Wochenende, an dem wieder Risikospiele anstehen. Basel gegen Zürich. St.Gallen gegen Luzern.

Der Eklat, das war der Entscheid der Schweizer Fussballklubs, beim Kaskadenmodell nicht mitzumachen. Die Forderung lautet so: Statt ein solches Modell einzuführen, das unter anderem Sektorenschliessungen und gar Geisterspiele vorsieht, sollen die Behörden die Einzeltäter konsequenter verfolgen.

Einzeltäterverfolgung. Ein etwas sperriges Wort. Und eines, über das Claudius Schäfer gerade öfter spricht. Schäfer ist der CEO der Swiss Football League. Als er kürzlich in Bern vor den Medien sass, musste er erklären, warum der Schweizer Fussball das Kaskadenmodell nicht mehr mitträgt. Neben ihm sassen Frédéric Favre und Karin Kayser-Frutschi. Die beiden Regierungsräte kamen als Vertreter der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz KKJPD. Und als Verfechter des Kaskadenmodells. Ihre Mienen: eher versteinert. Eben: ein Eklat.

Schäfer zerlegte zuerst, was die Sitznachbarn gerade vorgestellt hatten, unverhältnismässig seien die im Kaskadenmodell vorgesehenen Kollektivstrafen, einseitig, nicht zielführend. Und präsentierte dann seine Lösung. So wie er und andere Fussball-Vertreter das schon länger tun. Eben: die Einzeltäterverfolgung. Diese, sagte Schäfer, sei «rechtskonform, verhältnismässig und erfolgversprechend».

Hinter dem sperrigen Wort verbergen sich Massnahmen, die das Hooligan-Konkordat vorsieht. Sie sollen jene kleine Minderheit von Fussballfans, die sich im Umfeld von Spielen etwas zu Schulde kommen lässt, bestrafen. Und eben nur sie.

Versteinerte Mienen: Karin Kayser-Frutschi und Frédéric Favre, im Hintergrund SFL-CEO Claudius Schäfer.
Bild: Keystone

Schweizweit gibt es derzeit 19 Personen mit Meldeauflagen

Das Konkordat sieht dafür so genannte Fernhaltemassnahmen vor. Sie werden je nach Schweregrad des Vergehens verhängt, um Gewalttäter von Spielen fernzuhalten. Das fängt beim Rayonverbot an, mit dem Fans verboten wird, sich während Spielen im Umfeld des Stadions aufzuhalten. Geht mit der Meldeauflage weiter, die vorschreibt, dass sich eine Person zu einer bestimmten Zeit bei einer bestimmten Amtsstelle – etwa einem Polizeiposten – melden muss. Und endet mit dem Polizeigewahrsam, das aber erst ein paar wenige Male verfügt wurde. Dazu kommt als privatrechtliche Massnahme das Stadionverbot, welches von Liga oder Klubs ausgesprochen wird.

Schweizweit gibt es laut dem Informationssystem Hoogan derzeit 19 Personen mit einer Meldeauflage, 247 mit einem Rayonverbot und 253 mit einem Stadionverbot. Was lässt sich aus den Zahlen herauslesen?

Claudius Schäfer von der SFL sagt, die Zahlen zeigten, dass gerade Meldeauflagen «relativ selten» verhängt würden. Von der Polizei höre er immer wieder, dass die Identifikation von Gewalttätern schwierig sei. Schäfer sagt, dass man dann entweder die Polizei so ausstatten müsse, dass sie ihre Aufgaben wahrnehmen könne. Oder die Erwartungen senken. Schäfer:

Es geht aber nicht, Hunderte, gar Tausende Unbeteiligte zu bestrafen.

SFL-CEO Claudius Schäfer.
Bild: Keystone

Dass die Klubs auf die Einzeltäterverfolgung pochen, ist kein Zufall. Sie spielen den Ball damit weiter an die Polizei, so, wie er in Sachen Fangewalt gerne einmal weitergespielt wird, von allen Seiten. Aber Liga-CEO Schäfer hat auch recht, wenn er betont, dass dies nun einmal der juristisch und rechtsstaatlich saubere Weg sei.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es halt nicht so einfach ist, wie so oft in dieser vielschichtigen Thematik. Ja, in der Theorie wäre es richtig, Einzeltäter zu verfolgen und zu belangen. Aber in der Praxis sind die Dinge komplizierter.

Nach Ausschreitungen braucht es lange Ermittlungen

Das illustriert eine Anfrage bei den zuständigen Polizeikorps in drei Schweizer Städten, in Basel, Luzern und Zürich. Sie alle waren in den letzten zwölf Monaten Schauplatz gewalttätiger Ausschreitungen. In Basel wurden Anfang April 2023 vier Sicherheitskräfte von einer Gruppe Fans verletzt, drei davon schwer; in Luzern kam es im Mai zu Auseinandersetzungen von Fans und Polizei mit sieben Verletzten; in Zürich griffen FCZ-Fans im letzten Januar Polizisten an.

Was hatten die drei Vorfälle für Folgen? Wie viele Meldeauflagen wurden verhängt, wie viele Rayonverbote? Aus allen drei Städten heisst es dazu nur: keine Auskunft, da das Verfahren noch läuft.

Laufendes Verfahren, teilweise auch nach fast einem Jahr. Warum dauert das so lange? Auch das will in allen drei Städten niemand im Detail beantworten, auch wenn es für die Debatte durchaus hilfreich wäre.

Ein Sprecher der Luzerner Kantonspolizei schreibt summarisch, dass Täter bei Ausschreitungen «die Anonymität der Masse» nutzten. Sich in der Regel vermummten und identisch kleideten. In Luzern kommen zur Beweissicherung mobile Videoteams zum Einsatz. Danach müssen «sehr grosse Mengen an Daten» gesichtet, Straftaten eindeutig zugewiesen und Täter identifiziert werden, was «viel Zeit in Anspruch» nehme.

Will sich die Polizei das Leben einfacher machen?

Einzeltäterverfolgung, das ist komplizierte, langwierige Arbeit. Bei den Ermittlungen. Und später, beim Vollzug, gerade bei Meldeauflagen, bei denen sich die Betroffenen auf dem Polizeiposten melden müssen. Bewältigen sollen das alle Polizeikorps, die vielerorts sowieso schon personell am Anschlag sind. Das Kaskadenmodell sieht derweil – zumindest in der Theorie – vor, dass die Fans irgendwann gar nicht mehr kommen dürfen. Will sich die Polizei das Leben etwas einfacher machen?

Florian Düblin ist Generalsekretär der KKJPD. Er sagt, der Vorwurf sei falsch. «Die Behörden messen der Strafverfolgung hohe Priorität zu», sagt er. Nur könne man Gewalt bei Sportveranstaltungen nicht alleine so begegnen.

Sagt, die Behörden messen der Strafverfolgung hohe Priorität zu: Florian Düblin, Generalsekretär der KKJPD.
Bild: Keystone

Letzte Woche wurde in Zürich ein Fan des FC Zürich vom Bezirksgericht verurteilt. Er hatte beim Zürcher Derby im Oktober 2021 eine Fackel in Richtung der GC-Anhänger geworfen. Rund 60 FCZ-Fans standen damals im Letzigrund auf der Tartanbahn, brennende Fackeln flogen in den GC-Sektor.

Jener Oktoberabend in Zürich war, wenn man so will, der Anfang von allem. Der Aufschrei war gross damals. Im Nachgang forderten die Sicherheitsdirektoren die Einführung der personalisierten Tickets. Die Klubs waren dagegen. Schliesslich einigte man sich darauf, die Einführung eines Kaskadenmodells zu prüfen – mit dem bekannten Ergebnis.

Am Ende steht eine bedingte Haftstrafe

Die Zürcher Stadtpolizei ermittelte nach dem Derby vom Oktober 2021 insgesamt 20 Straftäter, nach mehreren hundert Stunden Ermittlungsarbeit, die ein Jahr dauerten. Sie verhängte elf Meldeauflagen und sechs Rayonverbote und beantragte weitere. Die Staatsanwaltschaft klagte mehrere Täter an, darunter den Fackelwerfer, der letzte Woche zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten und einer Busse von 200 Franken verurteilt wurde. Ein anderer hat im letzten Jahr 16 Monate bedingt bekommen.

Claudius Schäfer sagt, er sei froh, dass man Täter zur Rechenschaft gezogen habe. Aber die bedingten Strafen gegen die beiden Fackelwerfer schienen ihm «sehr milde». Hier ist sich der SFL-CEO einig mit Florian Düblin von der KKJPD. Der findet, die Strafen seien generell zu tief, um abschreckende Wirkung zu entfalten. Man werde darum mit dem für die Strafgesetzgebung zuständigen Bund das Gespräch suchen.

Überhaupt wird gerade wieder einiges besprochen, über vieles nachgedacht. Härtere Strafen zum Beispiel. Oder eine modernere Form der Meldeauflage, eine, die digitaler funktioniert und dadurch weniger aufwendig ist für die Behörden. Die Idee tauchte schon vor Jahren in einer Studie zur Wirksamkeit des Hooligan-Konkordats auf. Aber wer weiss: Vielleicht tut sich ja jetzt etwas.

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