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Murten Classics: «Schräge Töne sind nicht das Problem»

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Daniel Schnyder zählt zu den renommiertesten Komponisten der Schweiz. An den Murten Classics betreut er junge Nachwuchstalente. Er erzählt den FN, warum die neue Musik für viele Menschen schwer zugänglich ist.

Mit dem ersten von vier Apérokonzerten werden am Sonntag die Murten Classics beginnen. Zu den Höhepunkten des diesjährigen Festivals gehört das 100-Jahr-Jubiläum der Suisa. Die Verwertungsorganisation sorgt dafür, dass Komponistinnen und Komponisten für die Verwendung ihrer Musik entschädigt werden. Für das Jubiläum schrieben vier junge Musikerinnen und Musiker je ein Werk (siehe Kasten). Betreut wurden sie dabei von Daniel Schnyder. Der erfahrene Komponist und Saxofonist wird ausserdem an den Murten Classics ein Serenadenkonzert spielen. Die FN trafen ihn in Zürich zum Gespräch.

Daniel Schnyder, sind Sie eher ein komponierender Saxofonist oder ein Saxofon spielender Komponist?

Das lässt sich unmöglich trennen. Ich will komponieren und gleichzeitig Musik spielen. Auch Improvisieren ist mir wichtig. Da bin ich übrigens in guter Gesellschaft. Bach, Mozart und Beethoven konnten hervorragend improvisieren.

In Ihre Musik fliessen Kunstmusik und Jazz ein. Viele Ihrer Werke haben aber auch Einflüsse aus anderen Kulturen.

Ethnische Musik interessierte mich schon früh. Mein Vater bereiste als Archäologe oft den Nahen Osten, Irak, Iran und Afghanistan. Ich spielte als Bub mit den exotischen Instrumenten, die er nach Hause brachte, und machte sie dann oft kaputt. Später arbeitete ich mit arabischen Musikern zusammen. Ich kreierte viele Werke, die verschiedene Musikkulturen verbinden. Ich schrieb im Laufe der Jahre zum Beispiel ein afrikanisches Oratorium mit dem Titel «Sundiata Keita». Es steht in Mandiko, der Ursprache von Mali. Komponisten waren und sind immer an exotischen Einflüssen interessiert. Man denke da nur an Mozarts «Entführung aus dem Serail», Ravels «Bolero» und Bizets «Carmen».

Seit 30 Jahren leben Sie in New York. Warum?

Die Schweiz ist ein kleines Land. Sie hat Kultur stets eher importiert als produziert. Wir hatten nie einen Hof, der sich Komponisten zu Repräsentationszwecken leistete. Das Kulturschaffen im grösseren Rahmen gehört nicht zu unserer Tradition. In den USA besteht die Möglichkeit, eine Oper in vielen Städten aufzuführen. Man hat die Möglichkeit zu expandieren, Verbindungen zu schaffen und international aktiv zu sein. In der Schweiz ist das sehr schwer. Hier bleibt selbst das Kulturschaffen der Erfolgreichsten sehr national oder seit 20 Jahren sogar eher regional orientiert. An den grossen Festivals wie in Verbier, Gstaad oder Luzern kommen nur ganz selten Schweizer Kunstschaffende zur Geltung. Die kulturellen Entscheidungsträger, wie etwa Intendanten, sind meistens Deutsche. Auch die Top-Orchester der Schweiz bestehen zum grössten Teil aus Ausländern. Werke von Schweizer Komponisten werden fast nie gespielt.

Neue Musik ist für viele Menschen schwer zugänglich. Warum?

Das ist vor allem ein europäisches Phänomen. Hier entfremdeten sich die sogenannte ernste Musik und die Unterhaltungsmusik stärker voneinander als in anderen Weltregionen. Das war nicht immer so: Maurice Ravel oder Kurt Weill interessierten sich noch stark für Einflüsse aus den USA, für den Jazz und ethnische Musik aus aussereuropäischen Ländern. Die Nationalsozialisten brandmarkten Musik, die fremdländisch klang, und wertete sie ab. Die strikte Trennung von ernster Musik und Unterhaltungsmusik wirkt bis heute an allen Hochschulen und Konzertsälen Europas fort. Die Jazzabteilungen der Hochschulen haben praktisch keine Kontakte zu den Klassikern. Das empfinde ich als Katastrophe.

Klingt neue Musik für viele Menschen einfach zu schräg?

Ich glaube nicht, dass schräge Töne das Problem sind. Ich habe sehr dissonante Werke geschrieben, welche dem Publikum gefielen. Man muss Dissonanzen aber richtig verwenden. Wichtig ist, dass man eine Geschichte emotional und schlüssig erzählt. Dann fügen sich auch Dissonanzen ein. Viele Komponisten setzen heute aber eher auf Klanggemälde. Das interessiert viele Menschen weniger.

Fehlt die dramatische Entwicklung, nutzt sich der Klang schnell ab.

Daniel Schnyder
Komponist

Dann hat man als Zuhörer das Gefühl, man höre minutenlang das Gleiche.

Welche Entwicklungen sehen Sie aktuell in der neusten Musik?

Die zeitgenössische europäische Kunstmusik hat mit ihrem akademischen Klang ein Vakuum hinterlassen.

Daniel Schnyder
Komponist

Komponisten wie Max Richter oder Ludovico Einaudi füllen dieses Vakuum. Mit ihrer trivialen Musik sind sie erschreckend erfolgreich. Es ist eine Musik, die ich besoffen am Klavier stundenlang vor mich hin klimpern kann, ohne Idee oder Kunstfertigkeit. Sozusagen hirntot. Es gibt aber auch schöne Entwicklungen. In jüngerer Zeit lösen sich zum Glück die scharfen Stilgrenzen auf. Gerade junge Komponisten nutzen verschiedene Stile nebeneinander. Sie lassen sich nicht mehr so einfach in Schubladen stecken. Das ist nun auch an den Murten Classics zu hören.

Welche Kompositionen eignen sich, um einen Einblick in die zeitgenössische Kunstmusik zu erhalten?

Da würde ich zuerst die «Harmonielehre» von John Adams empfehlen. Dann aber auch das Klavierkonzert des polnischen Komponisten Witold Lutosławski, «Threnos» für die Opfer von Hiroshima von Krzysztof Penderecki und schliesslich das Violinkonzert von György Ligeti. Ungeübte Ohren finden zu Adams «Harmonielehre» sicher den einfachsten Zugang. Aber all diese Musik ist auch schon mindestens 50 bis 100 Jahre alt. Das ist unglaublich. Wie schon gesagt: Wir haben zurzeit ein Vakuum. Das musikalische Jetzt existiert in der klassischen Musik nicht. Wir müssen es neu finden. Daher finde ich es toll, dass die Murten Classics vier junge Komponisten mit einer Komposition beauftragen.

Im Rahmen der Murten Classics betreuen Sie diese vier jungen Komponistinnen und Komponisten. Was ist Ihre Aufgabe als Senior Composer?

Ich korrigiere zum Beispiel technische Fehler. Vielleicht vergisst ein Komponist, eine Spielanweisung wieder aufzuheben. Oder er schreibt ein gis statt ein as. Solche Fehler bügeln wir aus. Ich frage sie auch, was sie mit ihrer Musik aussagen wollen. Ich helfe ihnen, diese Aussage musikalisch umzusetzen. Oder ich unterstütze sie darin, die Form zu finden: Meistens sind alle Entwicklungen zu kurz, alles zu eng, alle Noten zu lang. Es fehlt die Luft. Dann helfe ich mit der rhythmischen Notation und den kontrapunktischen und harmonischen Überlegungen. Oder mit der Instrumentenkunde: Die jungen Komponistinnen und Komponisten schreiben Musik, die zum Teil nicht funktioniert, da sie nicht instrumentengerecht geschrieben ist. Man muss aber darauf achten, dass man die Intention des jungen Komponisten versteht und dem Werk nicht seine eigene Ästhetik überstülpt.

Auftragskompositionen

Am 27. August sind im Murtner Schlosshof vier Kompositionen junger Komponistinnen und Komponisten zu hören. «C‘era una volta in Ticino» stammt von Arsenyi Shkaptsov. «Er orientiert sich mit dieser Komposition an der Minimal Music», sagt Daniel Schnyder, «und er schafft musikalische Stimmungen, in welchen sich das musikalische Material nur geringfügig verändert.» Joëlle Nager nennt ihr Werk «Between Life and Death ( …. A constant struggle between reality, dreams and hope…)». Schnyder beschreibt es so: «Es thematisiert Gefühlszustände eines jungen Menschen.» Théo Rossier nennt sein Werk «Satyrus». «Es ist eher wild und dionysischer Natur», sagt Schnyder. Pascal Bachmann ist der jüngste der vier Komponisten. «Sein Werk ist stärker aleatorisch geprägt. Die Musik wird also vom Zufall beeinflusst. Er wird ein grosses Klanggemälde schaffen», so Schnyder. sos

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