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Neinsager

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Wort zum Sonntag

Oli und ich haben uns vom ersten Moment an nicht sonderlich gemocht. Als ich zum ersten Mal vor der vierten Klasse stand und eben die Kinder begrüssen wollte, hat er sich gemeldet und mir selbstbewusst von seiner Mutter ausrichten lassen, dass es egal sei, welche Note er in Religion bekomme. Von da an hat Oli so ziemlich gemacht, was er wollte.

Die Schildkröte im Klassenzimmer immer wieder auf den Rücken gelegt, durch lautes Reden und dumme Sprüche den Unterricht gestört, mich bis zum Gehtnichtmehr provoziert. Ich habe sein Verhalten wie eine lange Kette von lauter Neins empfunden – «Nein, ich will nicht!» – und irgendwie versucht, die Zweikämpfe für mich zu entscheiden.

 Dann bin ich mit den Kindern auf den Friedhof gegangen, habe ihnen eine Aufgabe gegeben und sie losgeschickt, nicht ohne einen Moment zu überlegen, ob ich Oli zu einer Zweiergruppe mit mir verdonnern soll, was ich dann aber doch als zu hart empfunden habe. Nach etwa zehn Minuten habe ich ihn entdeckt, wie er mit einer bepflanzten Riesenschale vor seiner kleinen Brust quer über ein Rasenfeld geschwankt ist. Ich bin zu ihm hin und habe ihn gefragt, was er da mache. «Frau Keune», hat er gemeint, «dahinten hat ein Toter so ein schönes Grab voll mit Blumen, und da vorn einer ein ganz verlottertes und keine einzige Blume. Jetzt bringe ich ihm das.» Von diesem Moment an haben wir uns gemocht, Oli und ich.

Das Gleichnis von den ungleichen Söhnen erzählt von einem Mann, der seinen beiden Jungen aufträgt, in den Weinberg zu gehen. Der eine sagt «Ja, Herr», lässt es aber bleiben. Der andere «Ich will nicht!», besinnt sich dann aber und macht sich an die Arbeit. Klar, welchem Jesu Sympathie gilt, wenn er gegenüber den Hohepriestern noch einen drauflegt: «Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.»

Gott behaftet mich nicht bei meiner ersten Antwort, sondern ich darf immer wieder eine neue geben. Und Gott hat eine eigenartige Sympathie fürdie Neinsager und -sagerinnen,die ihr ganzes Erbe im Casino durchlassen, die andere über den Tisch ziehen, als Prostituierte arbeiten, die Ehe brechen oder irgendwie verkrümmt sind, innen oder aussen. Grad so, als käme er uns immer näher, je weiter wir von ihm wegrücken. Grad so, als ob das Reich Gottes nicht mit Ja-Sagen und Sich-Anpassen zu haben wäre.

Jacqueline Keune,52, ist freischaffende Theologin und lebt in Luzern.

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