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Tod vor dem Spital Tafers: Bericht kritisiert interne Kommunikation

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Mehr als zweieinhalb Jahre nach dem tragischen Vorfall vor dem geschlossenen Notfall am Spital Tafers ist der Bericht dazu nun publiziert worden. Er bemängelt die chaotische interne Kommunikation. Niemand habe sich dafür verantwortlich gefühlt, die Konsequenzen des Schliessungsbeschlusses zu überprüfen.

Der tragische Fall, der sich am 10. August 2020 beim Spital Tafers ereignete, löste im ganzen Kanton grosse Betroffenheit aus und sorgte schweizweit für Schlagzeilen. Ein Mann aus Zumholz wollte seine schwer kranke Lebenspartnerin nachts um 2.30 Uhr in den Notfall des Spitals Tafers bringen. Er kam aber nicht rein, denn die Notaufnahme Tafers war seit dem 19. März 2020 nachts von 22 bis 8 Uhr geschlossen – dies als Covid-Massnahme, um das Fachpersonal am Hauptsitz Freiburg zu konzentrieren. 

Die Notfallglocke am Eingang der Notaufnahme war abgedeckt (siehe Kasten), und der Mann versuchte deshalb mithilfe der Lichthupe seines Autos, die Aufmerksamkeit im Innern des Spitalgebäudes zu wecken. Keine der Wiederbelebungsmassnahmen vor Ort und später beim Eintreffen der Rettungskräfte zeigte Wirkung. Eine Stunde später wurde der Tod der Frau festgestellt. 

Anwaltsbüro hat untersucht

Weil der Fall so aussergewöhnlich war und für viel Gesprächsstoff sorgte, hat die Generaldirektion des Freiburger Spitals (HFR) eine Administrativuntersuchung eingeleitet. Diese wurde extern an das Anwaltsbüro Markus Meuwly und Thomas Meyer vergeben. Der Auftrag war zum einen, die Ausgangslage am Spital Tafers mit dem geschlossenen Notfall und den Ablauf des Vorfalls zu untersuchen. Zum anderen sollte das Büro die interne und externe Kommunikation der – damals noch – vorübergehenden Schliessung der Notaufnahme unter die Lupe zu nehmen. Das Büro sollte auch die Massnahmen beurteilen, die das HFR nach dem Vorfall ergriffen hatte, und am Ende Empfehlungen abgeben. 

Explizit nicht Gegenstand der Untersuchung waren straf- oder zivilrechtliche Verantwortlichkeiten. Ebenso wenig die Beurteilung, ob Personal und Rettungskräfte beim Versuch, die Frau zu retten, medizinisch korrekt gehandelt haben. Der Bericht hält auch klar fest, dass das Anwaltsbüro seinen Auftrag unabhängig ausgeführt hat, dass also das HFR keinen Einfluss auf die Vorgehensweise oder das Ergebnis nehmen konnte.

Fehler in der Kommunikation

Am Montag ist der 94-seitige Bericht via Staatskanzlei den Medien zugestellt worden. Er kommt unter anderem zum Schluss, dass das HFR nach dem Beschluss, die Notaufnahme in Tafers nachts zu schliessen, auf verschiedenen Ebenen Kommunikationsfehler gemacht hat. 

Der Notfall in Tafers musste geschlossen werden.
Corinne Aeberhard/a

Das Spital habe die nächtliche Schliessung gegen aussen wiederholt mit Anzeigen in den regionalen Medien und mit einem Rundschreiben an die Gemeinden bekannt gemacht. Er war auch auf der Website des Spitals aufgeschaltet sowie auf den Bildschirmen beim Haupteingang der betroffenen Standorte und wurde mittels Plakaten vor den Eingängen mitgeteilt. «Der Entscheid wurde adäquat, mit geeigneten Mitteln kommuniziert», heisst es im Bericht. «Es zeigte sich jedoch später, dass die Information, insbesondere wohl auch wegen der allgemeinen Informationsflut während der Covid-Krise, in der Bevölkerung teilweise nicht ankam.» 

Kein Gedanke an die Konsequenzen

Vor allem aber kritisiert der Bericht den HFR-internen Umgang mit dem Schliessungsbeschluss. Der Entscheid fiel im Rahmen der aussergewöhnlichen Covid-Situation mit immer mehr Einlieferungen von Virusinfizierten. Dass die Schliessung der Notaufnahmen in Riaz und Tafers weitere Konsequenzen nach sich ziehen könnte, wurde damals nicht in Betracht gezogen. 

«Im untersuchten Zeitraum fehlte es an institutionalisierten Gefässen und standardisierten Informationsabläufen, die sichergestellt hätten, dass die verantwortlichen Personen relevante Informationen und offene Probleme zeitnah erfahren und in der Folge diskutieren und koordiniert hätten lösen können», heisst es im Bericht. «Diese Lücke offenbarte sich in besonderem Masse in der Krisensituation der Pandemie und wurde nur ungenügend geschlossen.»

Mangelnde Koordination

Der Bericht kritisiert, dass mangels Koordination und Kommunikation unter den verschiedenen Direktionen des HFR die Risiken und Schwierigkeiten einer geschlossenen Notaufnahme weder erkannt noch beseitigt worden sind:

Die Verantwortlichkeiten im Rahmen der Kompetenz- und Aufgabendelegation waren offenkundig ungenügend geregelt und wurden intern sowie gegenüber den Standorten nicht klar kommuniziert.

Im Bericht steht auch, dass die Stationsleitung bei der Befragung grosse Kritik an der mangelnden Information anbringt. Bereits im April, also einen Monat nach dem Schliessungsbeschluss, seien 19 Patientinnen und Patienten nachts in den Notfall gekommen und auch betreut worden. Die Stationsleitung wies in einer Mail auf die nicht befriedigende Situation hin und bat um einen klaren schriftlichen Auftrag. Sie bekam zur Antwort, dass der Notfall geschlossen bleibe und dass die Patienten nachts die Notfallnummer 144 anrufen, in den Notfall nach Freiburg fahren, den medizinischen Bereitschaftsdienst anrufen oder zu den ordentlichen Öffnungszeiten zurückkommen sollen.

Nachfragen blieben ungehört

Weitere Mailwechsel und Sitzungen zu diesem Thema seien ohne konkrete Ergebnisse oder Anordnungen verlaufen. Die Stationsleitung hat auch im Mai und im Juni interveniert und wollte «Klärung betreffend Kommunikation, Sicherheit und Qualität bezüglich Beschriftung, Türschliessung der Eingangspforte Notfall und Kommunikation an die Bevölkerung», wie es im Bericht heisst. Sie wurde auf eine Antwort des HFR-Verwaltungsrats verwiesen – eine Antwort, die jedoch nie erfolgte.

Reaktionen wurden nicht erfasst

Der Bericht legt dar, dass es keinerlei Dokumentation gegeben hat. Und die Stellungnahmen, die im Rahmen der Untersuchung eingeholt wurden, seien ganz unterschiedlich ausgefallen. So habe es zum Beispiel weder ein systematisches Notieren noch ein Auswerten von Reaktionen seitens der Bevölkerung gegeben. Jeder Standort und jede Anlaufstelle in den Standorten, an die sich Leute gewandt hätten, habe unterschiedliche Auskünfte gegeben. 

Artikel in verschiedenen Medien, wonach Patienten vor verschlossenen Türen gestanden seien, hatten keine Konsequenzen. In Riaz hat das Personal, das Leute in solchen Situationen in Empfang nahm, gar eine Umfrage gemacht: Es stellte sich heraus, dass keine der befragten Personen über die vorübergehende Schliessung der Notaufnahme Bescheid gewusst hatte. 

Zwei Phasen

Der Bericht hält fest, dass in einer ersten Phase Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen, die trotzdem in den Notfall kamen, in Empfang genommen beziehungsweise weiterverwiesen wurden. Das sei noch bewältigbar gewesen, solange eine Pflegefachperson auf der Notfallstation zurückbehalten wurde. Das änderte sich jedoch, als sich die Covid-Krise verschärfte: «Ab dem Zeitpunkt, in dem auch die zweite Pflegefachperson von den Notfallabteilungen der Standorte abgezogen wurde, waren das medizinische Handlungsprozedere und die organisatorischen Massnahmen im Umgang mit solchen Patientinnen und Patienten – zumindest für den Standort Tafers – nicht befriedigend geregelt, obwohl der Standort im Vorfeld mehrfach verschiedene Stellen um eine Klärung bat.»

Vor dem Spital in Tafers kam es 2020 zu einem Todesfall.
Corinne Aeberhard/a

Kritik an Umsetzung der Schliessung 

Auch auf Ebene Generaldirektion und Verwaltungsrat waren allfällige Probleme bei der Umsetzung der Notfallschliessung zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Sowohl der medizinische Direktor als auch der Chefarzt Notfall sagten in der Untersuchung übereinstimmend aus, sie hätten in Bezug auf die Planung und Implementierung des Schliessungsbeschlusses keine Kompetenzen gehabt, und es seien ihnen auch keine konkreten Aufgaben übertragen worden. «Diese Aussagen sind unerklärlich», heisst es im Untersuchungsbericht. «Berücksichtigt man die Pflichtenhefte dieser Personen und die Fragen, die sich bei der Umsetzung der vorübergehenden nächtlichen Schliessung der Notaufnahmen zwangsläufig stellten, scheint uns evident zu sein, dass diesen Personen für die Umsetzung Kompetenzen und Aufgaben aus den Pflichtenheften erwachsen, um den Beschluss vorschriftsmässig umzusetzen.»

Falsch eingeschätzt

Den Hauptgrund dafür, warum diese beiden Instanzen nicht anders handelten, als sie es getan haben, sieht der Bericht in der Einschätzung der Befragten: Sie hätten die Bedeutung des nächtlichen Notfalls anhand von Patientenzahlen relativiert und seien davon ausgegangen, dass die Schliessung problemlos umgesetzt werden könne. Die Befragten gaben an, dass sie sich bei dieser Einschätzung an den bei der Schliessung des Notfalls Murten gemachten Erfahrungen orientiert hätten.

«Unseres Erachtens wurde bei der Einschätzung der Auswirkungen des Beschlusses der Umstand unterschätzt, dass sich im Normalbetrieb über 75 Prozent der Patienten mit eigenen Transportmitteln zu den Notaufnahmen begeben hatten und somit damit gerechnet werden musste, dass sich trotz der Informationskampagne weiterhin Leute nachts direkt zu den Notaufnahmen des HFR Tafers und/oder des HFR Riaz begeben werden», so die Schlussfolgerung im Untersuchungsbericht. Es habe sich also das Problem gestellt, dass niemand wusste, wie mit diesen Leuten umzugehen sei.

Diesbezüglich stellten sich unserer Auffassung nach heikle medizinische und rechtliche wie auch organisatorische Fragen.

Das höchste Gut

Die Sorgen der Mitarbeitenden um diese Leute sei nachvollziehbar und berechtigt gewesen. Denn es sei um mehr gegangen als nur um personelle, technische oder logistische Aspekte. «Die Frage, wie mit solchen Patienten umgegangen werden soll, betraf das höchste Gut, um welches sich das HFR sorgt.» Der Bericht kommt zum Schluss, dass eine klare Handlungsanweisung angesagt gewesen wäre. Wer einen gefährlichen Zustand schaffe, müsse auch für die notwendigen Schutzmassnahmen sorgen.

Der Bericht listet schliesslich sieben Punkte auf, was hätte getan werden sollen und was alles schieflief bei der Umsetzung der Notfallschliessung. Zeitdruck und erhebliche Unsicherheit unter dem Personal des HFR als Erklärung dafür, warum dies nicht geschehen ist, lässt der Bericht nur bedingt gelten. Er kommt zum Schluss, dass es durchaus möglich gewesen wäre, ein einheitliches Konzept auszuarbeiten und einen klaren Auftrag zu erteilen. Den Hauptgrund dafür, warum das nicht geschehen ist, sieht er in den komplizierten Organisationsstrukturen des HFR mit verschiedenen Direktionen und Abteilungen, die untereinander schlecht oder gar nicht kommunizieren. 

Die Lehren ziehen

Der Bericht empfiehlt dem HFR, systematisch Arbeitsgruppen und Taskforces einzusetzen, um Projekte zu planen und umzusetzen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen und mehrere Standorte und Direktionen betreffen. Weiter heisst es, dass besondere Aufgaben oder Kompetenzen schriftlich und formell zugeteilt werden müssen: «Eine klare und zeitnahe Kommunikation der Zuständigkeiten und Aufgaben bei Projekten mit der Bezeichnung einer Ansprechperson auf jedem Bereich.» Wichtig sei auch, dass diese Schritte regelmässig überprüft werden. Dies in Form eines Reportings und einer Sensibilisierung der Mitarbeitenden. Ausserdem müssten ein Projekt oder ein Auftrag klar abgeschlossen werden, indem eine schriftliche Dokumentation verfasst wird. Als letzten Punkt der Empfehlungen steht im Bericht «Prüfung vertrauensbildender Massnahmen zwischen dem HFR Tafers und der HFR-Generaldirektion».

Wirken die Massnahmen?

Inzwischen hat das HFR Massnahmen getroffen, um die bemängelten Abläufe zu verbessern. Diese wurden auch im Zug einer Reorganisation getroffen. So sind etwa die Leitungsgruppen an den Standorten gestärkt worden, was – so heisst es im Bericht – die Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb der Führungsstruktur stärke. Doch sei seit dem Inkrafttreten dieser Massnahmen zu wenig Zeit vergangen, um sicher beurteilen zu können, «ob die eingeleiteten Massnahmen in der täglichen Praxis tatsächlich zum gewünschten Ergebnis führen». Deshalb sei es am Verwaltungsrat des Freiburger Spitals, die neuen Abläufe später noch einmal zu evaluieren. 

Geschlossener Notfall

Die abgedeckte Klingel

Als das Freiburger Spital im Rahmen der Covid-Krise entschied, alle Fachkräfte am Standort Freiburg zu konzentrieren, wurden die Notfälle in Riaz und Tafers nachts von 22 bis 8 Uhr geschlossen. Das heisst, die Klingel beim Eingang des Notfalls Tafers war eigentlich nicht mehr in Betrieb. Wie es im Untersuchungsbericht heisst, haben die Mitarbeitenden in Tafers am 11. April 2020 autonom entschieden, die Notfallglocke nicht abzudecken, damit sich Personen weiterhin in der Nacht beim Notfall bemerkbar machen können.

Am 20. Mai erhielten sie die Anweisung eines Arztes, die Notfallglocke provisorisch abzudecken. Dies einerseits mit der Begründung, keine falschen Erwartungen bei den Leuten zu wecken, nämlich, dass nachts im Notfalldienst qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen würde. Andererseits auch, um Mitarbeitenden nicht eine Verantwortung aufzubürden, die für den Notfalldienst nicht geschult sind. Der Arzt wies auch darauf hin, dass ein solches System den Ansprüchen eines Notfalldienstes nicht entspreche. In der Folge wurde die Notfallglocke abgedeckt, sodass die Patientinnen und Patienten keinen Kontakt mehr mit dem Inneren des Gebäudes herstellen konnten. Diese Anweisung ist gemäss Bericht nur für Tafers herausgegeben worden, nicht aber für Riaz. Dort wurde die Glocke im Nachtbetrieb auf die Notrufnummer 144 umgeleitet.

Nach dem Vorfall vom 10. August sagte der damalige medizinische Leiter des Freiburger Spitals, Ronald Vonlanthen, gegenüber den Medien, dass er nichts von einer abgedeckten Klingel in Tafers gewusst habe. Er hat die Abdeckung eigenhändig entfernt und sagte, es sei dem Personal zumutbar, nachzuschauen, wenn jemand klingelt.

Todesfall in Tafers

Staatsanwaltschaft geht nicht darauf ein

Die Freiburger Staatsanwaltschaft hat am 9. Mai 2023 eine Nichtanhandnahme zu einem Todesfall, der sich im August 2020 ereignet hatte, verfügt. Damals verstarb eine 80-jährige Frau vor der Notaufnahme des Freiburger Spitals (HFR) in Tafers.

Wie das HFR am Montag mitteilte, stützte sich die stellvertretende Generalstaatsanwältin bei ihrem Entscheid auf Aussagen von Experten. Gemäss diesen hätte die Frau selbst bei geöffneter Notaufnahme in Tafers nicht gerettet werden können. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft sei nicht endgültig und könne noch angefochten werden.

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