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Porträt einer Sexarbeiterin: «Ich habe die Prostitution nie gemocht»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Patricia ist seit rund 30 Jahren als Sexarbeiterin tätig. Sowohl für ihre Arbeit als auch für ihre geschlechtliche Identität musste sich die Transsexuelle stets rechtfertigen. Im letzten Teil einer dreiteiligen Serie erzählt sie, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt und was sie über ihr bisheriges Leben denkt.

«In zwei Jahren möchte ich mit meiner Arbeit als Prostituierte aufhören», sagt Patricia. Es sei Zeit, sie spüre es. Dann sei sie 50 Jahre alt. Ihr Körper könne nicht mehr mithalten. Die Arbeit sei sehr anstrengend und stressig. «Ich muss sehr oft den aktiven Part übernehmen, das ist einfach erschöpfend.» Sie möchte etwas anderes machen. Was genau, das weiss sie noch nicht. Vielleicht irgendwo an der Kasse arbeiten oder sich zur Kosmetikerin ausbilden lassen. Der Verein Grisélidis würde ihr bei der Arbeitssuche helfen (siehe Kasten). 

Ein Leben mit der Familie

Als EU-Bürgerin erhält Patricia eine Aufenthaltsbewilligung von fünf Jahren. Bis diese im Jahr 2026 abläuft, möchte sie in der Schweiz bleiben. Dann kann sie es sich vorstellen, nach Brasilien zurückzukehren – vielleicht für immer. Sie würde ihr Haus in Angra dos Reis als Ferienwohnung vermieten und gemeinsam mit ihrer Mutter in Belém leben. Sie brauche ihre Familie.

Meine Mutter ist alles für mich, sie hat so viel für mich gemacht und mich immer geliebt. Ich möchte einfach die letzten Jahre ihres Lebens bei ihr sein.

Und was ist mit einer eigenen Familie? «Ich habe mich damit abgefunden, dass ich keine Kinder haben werde. Ich habe so viele Nichten und Neffen, das sind fast meine Kinder.» Mit 30 habe sie sich mehr mit dieser Thematik beschäftigt. Da sie selbst keine Kinder gebären kann, hätte eine andere Frau das Kind austragen müssen. «Ich wäre dann der Vater und sie die Mutter. Ich wäre nicht in einer romantischen Beziehung mit dieser Frau, aber eine Familie wären wir trotzdem.» Sie habe jedoch nie danach gesucht. Auch nicht nach einem Partner. «Wenn es passiert, dann passiert es. Aber das ist nicht meine Priorität.»

Patricia hat ihr Leben im Griff, denke ich mir. Sie weiss, was sie will und wie es weitergehen soll. Sie ist stark, mutig, selbstsicher und zufrieden mit sich selbst. Aber ist sie das wirklich?

Als Sexarbeiterin in Brasilien sei sie oft diskriminiert worden.

Wir hatten dort keine Rechte und keine wirkliche Lebensqualität.

Ihrer Meinung nach sind die Menschen in Brasilien zu wenig aufgeklärt, und deshalb diskriminiere die Gesellschaft Prostituierte. In der Schweiz sei das anders. Die Menschen seien toleranter und offener.

Trotzdem: «Ich habe die Prostitution nie gemocht», sagt Patricia. Und wieso hast du dich immer wieder prostituiert?

Damals schien es mir wie meine freie Entscheidung, rückblickend denke ich, dass ich mich wegen der Umstände prostituiert habe. Weil ich keine Ausbildung gemacht habe, weil ich transsexuell bin – das System in Brasilien hat mich in die Prostitution gedrängt.

Es sei klar gewesen, was sie machen werde. Sie glaubt, ihr Leben würde anders aussehen, wenn sie unter anderen Umständen aufgewachsen wäre: ohne Prostitution, Diskriminierung und Angst.

Kein Hass

Die Prostitution habe ihr jedoch viel gegeben – ihr Leben sei dadurch in vielen Belangen einfacher gewesen, und sie habe ein gutes Leben führen können. «Ich war jung, als ich damit angefangen habe. Ich habe davon profitiert und mein Leben genossen.» Sie habe ihre Arbeit stets mit Würde und Professionalität erledigt. Im Video erzählt sie, wie sie zur Prostitution steht. 

Trotzdem ist sie geblieben. «Es war immer meine Entscheidung.»

Bereut sie es? «Ich bereue eigentlich nichts in meinem Leben. Höchstens vielleicht den Moment, als ich Brasilien zum ersten Mal verlassen habe.» Da habe sie ihrer Mutter das Herz gebrochen, und das verkrafte sie nicht. «In diesem Moment wollte ich einfach weggehen, meine Neugierde war zu gross. Aber würde ich das bereuen, dann müsste ich ja auch fast alles bereuen, was danach gekommen ist.»

Ein glücklicher Mensch sei sie trotzdem, sagt Patricia.

Ich bin glücklich, weil ich weiss, wer ich bin.

Eigentlich wollte Patricia nächste Woche nach Brasilien fliegen. Sie hat ihre Familie seit fast 18 Jahren nicht mehr gesehen und geplant, bis Anfang März in ihrem Heimatland zu bleiben. «Ich konnte es dann doch nicht durchziehen. Es hat sich nicht richtig angefühlt», sagt Patricia. Sie fühle sich unwohl bei dem Gedanken an die Heimkehr. Sie möchte nicht an den Ort zurück, an den sie schlechte Erinnerungen hat. Es sei zu früh. Und ihre Familie? Sie sei verständnisvoll. Sie wolle, dass es ihr gut geht. «Ich möchte viel lieber, dass meine Mutter in die Schweiz kommt. Dann kann ich ihr mein Leben hier zeigen.»

Teil 1: Porträt einer Sexarbeiterin: «Ich kann zärtlich, aber auch wild sein»

Teil 2: Porträt einer Sexarbeiterin: «Ich habe nicht lange gezögert und Ja gesagt»

Zum Programm

Ein Programm für die Rechte und Würde von Sexarbeiterinnen

Viele Jahre gab es im Kanton Freiburg keine Anlaufstelle für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Eine Gruppe Frauen aus dem Kanton wollte das ändern und hat im Frühjahr 2007 das Programm Grisélidis ins Leben gerufen, das Teil des Freiburger Vereins Fri-Santé ist. «Der Name Grisélidis ist von der Sexarbeiterin Grisélidis Réal aus Genf inspiriert», sagt Corinne Siffert, Leiterin von Grisélidis. Sie war eine Aktivistin und hat sich für die Rechte von Sexarbeiterinnen eingesetzt. «Wir haben ihre Kinder gefragt, ob wir den Namen ihrer Mutter für unser Programm benutzen dürften – als Hommage», so Siffert.

Das Programm Grisélidis setzt sich für die Rechte und Würde von Sexarbeiterinnen und für die Anerkennung der Sexarbeit als Arbeit ein; es ist ein Programm zur Prävention und Gesundheitsförderung. «Wir setzen uns für Sexarbeiterinnen ein und verteidigen sie gegen Ungerechtigkeit», betont Noémie Schroeter, stellvertretende Leiterin bei Grisélidis.

Helfen, wo es geht

Das erste Angebot von Grisélidis war der Bus: Für die Sexarbeiterinnen, die auf der Strasse in der Alten Brunnengasse in Freiburg arbeiten. Der Bus befindet sich dort jeden Donnerstagabend und ist «ein sicherer und geschützter Ort für Sexarbeiterinnen», sagt Siffert. «Sie erhalten Essen, etwas zu trinken und haben die Möglichkeit, sich mit den Mitarbeitenden von Grisélidis auszutauschen», fügt Schroeter hinzu.

Des Weiteren bietet Grisélidis jeden Mittwoch- und Freitagnachmittag in seinen Räumlichkeiten Unterstützung und Begleitung bei administrativen und sozialen Angelegenheiten an.

Sie können für alle Anliegen kommen. Wir sind da für sie.

Noémie Schroeter
stellvertretende Leiterin bei Grisélidis.

Grisélidis hilft bei der Erlangung eines Aufenthaltsstatus oder einer Arbeitsbewilligung, bei der Erstellung eines Businessplans, beim Ausfüllen der Steuererklärung und vielem mehr. Wenn die Frauen nicht mehr diese Arbeit machen wollen, hilft Grisélidis ihnen beim Verfassen eines Motivationsschreibens und Lebenslaufs. «Weil viele nicht so gut Französisch sprechen, bieten wir jeden Mittwoch einen Französischkurs an.» Die Mitarbeitenden von Grisélidis arbeiten nicht nur von ihrem Büro aus. Sie besuchen die Sexarbeiterinnen an ihrem Arbeitsort, verteilen Präservative und stellen das Programm und seine Dienste vor. «Alles, was wir anbieten, ist gratis für diese Menschen», sagt Siffert.

Das Programm werde von den Sexarbeiterinnen geschätzt. «Es ist wichtig, dass es uns gibt, und es hat auch eine symbolische Bedeutung», sagt Schroeter. Grisélidis möchte den Blick der Gesellschaft auf die Sexarbeit verändern und der Stigmatisierung und Diskriminierung entgegen­wirken.


Grisélidis wird regelmässig zu Anlässen eingeladen, um über die Sexarbeit im Kanton Freiburg zu sprechen. Im Video ein Einblick in eine solche Veranstaltung.

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