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Porträt einer Sexarbeiterin: «Ich habe nicht lange gezögert und Ja gesagt»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Patricia ist seit rund 30 Jahren als Sexarbeiterin tätig. Sowohl für ihre Arbeit als auch für ihre geschlechtliche Identität musste sich die Transsexuelle stets rechtfertigen. Im zweiten Teil einer dreiteiligen Serie erzählt sie von ihrer Heimat, ihrem ersten Mal und ihrem langen Weg in die Schweiz.

Ich besuche Patricia erneut. Sie empfängt mich im selben Bademantel mit Leopardenmuster wie beim letzten Mal. Hinter der Tür entdecke ich High Heels. Ein Paar schwarze hochhackige Lackstiefel, die bis über die Knie gehen. Die Absätze sind mindestens 15 Zentimeter hoch. «Wenn ich die anhabe, dann muss ich mich fast ducken in meiner Wohnung», sagt sie. Sie trage sie jedoch nur auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Kunden und nicht jedes Mal – denn sie seien «äusserst unbequem».

An ihren ersten Kunden kann sich Patricia noch ganz genau erinnern. Im Video erzählt sie, wie es für sie war. 

Nach ihrem ersten Mal ging Patricia mit dem Geld für ihre Familie einkaufen. Cornflakes, Früchte, Brot, Fleisch, Käse – ein Grosseinkauf eben. «Meine Mutter hat mich danach gefragt, wie ich mir das alles leisten konnte. Ich habe einfach gesagt, dass ich dafür gearbeitet habe.» Heute glaubt Patricia, dass ihre Mutter etwas geahnt hat.

Sich mit 15 Jahren freiwillig prostituieren. Verstand sie, was sie macht? Was das bedeutet? Ich glaube ja.  

Patricia hatte es satt, in der Schule wegen ihrer Transsexualität gemobbt zu werden. Sie sah in diesem Moment die Möglichkeit, ihrem Leben zu entfliehen. Etwas zu machen, das sie mochte, wo sie geschätzt wurde und wo heterosexuelle Männer ihrem Leben Wert geben.

Haus voller Menschen

Aufgewachsen ist Patricia in der Stadt Belém im Norden von Brasilien – dem Tor zum Amazonas. Damals hiess sie noch nicht Patricia, sondern hatte noch einen Bubennamen. Das änderte sich mit 14 Jahren.

«In Belém ist es sehr warm, immer ein bisschen windig, es gibt viel Regen und ist einfach wunderschön», erzählt sie. Ihre Grossmutter zog sie und ihren älteren Bruder auf, weil ihre Mutter wegen der Arbeit in einer anderen Stadt lebte. «Unser Haus war ein wenig ausserhalb der Stadt. Nicht allzu gross, aber immer voller Menschen.» Ungefähr 20 Personen lebten unter einem Dach. «Das war für mich ganz normal, aber es war manchmal auch kompliziert und hektisch.»

Patricia teilte damals ihr Zimmer mit ihrer Grossmutter und hatte dadurch eine spezielle Verbindung zu ihr. «Ich kannte sie besser, als ihre Kinder sie kannten.» Für Patricia war und ist ihre Grossmutter ihr grosses Vorbild. «Sie war eine starke und unglaublich schöne Frau, die alles für ihre Familie getan hat.» Ihre Grossmutter liebte und akzeptierte sie, wie sie ist. «Ich fühle ein bisschen von ihr in mir, und ich möchte so sein wie sie: frei, liebevoll, verständnisvoll und leidenschaftlich.»

Linkes Bild: Hier wurde Patricia (rechts) gemeinsam mit ihrer Tante und ihrem älteren Bruder vor ihrem Haus in Brasilien fotografiert. 
Rechtes Bild: Patricia im Primarschulalter. 
zvg

Vom Vater geschlagen

Patricia wird emotional, als sie von ihrer Grossmutter erzählt. Mehrmals fasst sie sich ins Gesicht und nimmt sich Zeit bei ihrer Wortwahl. Ich frage nach ihrem Vater.

Dieser lebte damals zwar gleich gegenüber – sie sah ihn trotzdem nicht oft. Ihre Eltern trennten sich, als sie zwei Jahre alt war. Bei ihrem Vater zu wohnen, sei nie eine Option gewesen. «Er ist Alkoholiker. Er hatte und hat immer noch viele Probleme und hat mich auch geschlagen als Kind», sagt Patricia. Im Video erzählt sie von ihrem Vater und wie er sie früher behandelt hat. 

Sie zeigt mir auf ihrem Handy ein Video von ihrem Vater. Ein alter, dürrer Mann sitzt auf einem Stuhl und wird von Patricias Tante gepflegt. Er wirkt benommen. «Er ist gestürzt und hat sich verletzt», sagt sie. Den Folgen des Alkoholismus könne er nicht entfliehen. «Er tut mir leid.»

Mobbing in der Schule

Als sie sieben Jahre alt war, zogen Patricia und ihr Bruder zu ihrer Mutter nach Rio de Janeiro. Ihre Mutter hatte dort Arbeit gefunden, einen neuen Partner, und ein Geschwisterchen war auch schon auf dem Weg. Für Patricia und ihre Familie begann ein neuer Lebensabschnitt. Jedoch wurde sie wegen ihrer femininen Art in der Schule gemobbt. «Kinder können manchmal sehr brutal sein. Da musste ich durch, habe aber viel gelitten.» Mit 14 Jahren jedoch beschloss sie, das nicht mehr mitzumachen. «Als ich meiner Mutter gesagt habe, dass ich mit der Schule aufhöre, wollte sie das nicht. Sie wollte, dass ich studiere und etwas Gescheites mache. Aber auch sie sah, dass ich unglücklich war.» Einen genauen Plan, was sie danach machen wollte, hatte Patricia nicht. In die Schule zu gehen, war es jedenfalls nicht. «Ich finde, ich hatte eine schöne Kindheit, auch wenn ich gemobbt wurde, weil ich transsexuell bin und mein Vater nicht für mich da war. Das hat mich nur stärker gemacht.»  

Mit 14 Jahren begann Patricia, Hormone zu nehmen, wodurch sich ihr Körper veränderte und weiblicher wurde.

Definition

Transmenschen in der Schweiz

Der Duden definiert Transsexualität wie folgt: «Psychische Identifizierung eines Menschen mit dem Geschlecht, das seinem eigenen körperlichen Geschlecht entgegengesetzt ist, häufig mit dem Wunsch nach Geschlechtsanpassung.» Laut dem Verein Transgender Network Switzerland, der sich für Interessen von Transmenschen in der Schweiz einsetzt, kann nicht genau beziffert werden, wie viele Transmenschen in der Schweiz leben. Viele Transmenschen haben eine eindeutige Geschlechtsidentität, andere fühlen sich zwischen den Geschlechterpolen Mann und Frau. Andere lehnen die Kategorie Geschlecht gänzlich ab. km

Nachdem sie sich mit 15 Jahren zum ersten Mal prostituiert hatte, arbeitete Patricia in Rio de Janeiros Strassen als Sexarbeiterin. Im selben Alter zog sie gemeinsam mit einer Freundin in einen Wohnblock für transsexuelle Sexarbeiterinnen. Mittlerweile wusste ihre Mutter, womit Patricia ihr Geld verdiente. «Sie war traurig und hatte grosse Angst um mich, aber es war das, was ich wollte.»   

Zahlen und Fakten

Prostitution in Brasilien

Prostitution ist seit dem Jahr 2000 in Brasilien ein legales Gewerbe. Im Strafgesetzbuch des Landes befasst sich ein ganzes Kapitel mit dem Thema Prostitution und regelt die Rahmenbedingungen. In Brasilien ist es verboten, jemanden dazu zu verleiten, die Begierden einer anderen Person zu befriedigen. Ausserdem ist es verboten, jemanden zur Prostitution zu verleiten, Mittel zu schaffen, damit eine Person diese Arbeit ausüben kann, und jemanden daran zu hindern, diese Arbeit nicht mehr zu machen. Prostitutionsräume sind ebenfalls verboten. Seit dem Jahr 2002 wird die Prostitution vom brasilianischen Arbeitsministerium als Beruf anerkannt. Das ermögliche es Prostituierten, in Rente zu gehen und bestimmte Leistungen vom Staat zu erhalten. km

Am 1. Oktober 1989, mit 15 Jahren, sass Patricia im Flugzeug von Rio de Janeiro nach Zürich. «Ich wollte unbedingt nach Europa, etwas anderes sehen und woanders arbeiten.» Weg von Brasilien. Gemeinsam mit zwei transsexuellen Sexarbeiterinnen machte sie sich auf den Weg in ein neues Leben. 4000 Dollar hat sie einer dieser Frauen für ihre Reise bezahlt. 500 für den Flug und den restlichen Betrag für die Organisation. «Heute würde man das Menschenhandel nennen», sagt Patricia. Tags darauf kam sie in Zürich an. Von dort aus ging es mit Zug und Taxi bis nach Mailand. Einen Monat lang arbeitete sie auf Mailands Strassen als Prostituierte. Ohne Aufenthaltsbewilligung. «Ich hatte das Geld nicht im Voraus bezahlt, sondern habe meine Reise mit meinem ersten Monatslohn in Italien finanziert.» Danach verliess sie Italien und ging nach Basel, zur Schwester ihres Stiefvaters – nicht als Sexarbeiterin, sondern als Besucherin. «Das war wie Liebe auf den ersten Blick zur Schweiz. Deswegen bin ich heute auch wieder hier.»

Wieder in die Schweiz

Zwölf Jahre lebte sie in Ibiza. Die ersten vier ohne Papiere, dann endlich legal. 2015 erhielt sie eine Niederlassungsbewilligung und konnte damit in ganz Europa reisen und arbeiten. Danach erlangte sie die spanische Staatsbürgerschaft. 2016 kam sie in die Schweiz und arbeitete wieder als Sexarbeiterin – Vollzeit. «In der Schweiz zu leben und zu arbeiten, war schon immer mein Ziel gewesen. Davon habe ich geträumt.» Sie arbeitete in Basel und Zürich, ging teils auch ins Ausland, nach Belgien, Frankreich und Luxemburg, kehrte jedoch immer wieder in die Schweiz zurück. Vor drei Jahren hat sie sich im Kanton Freiburg niedergelassen und ist glücklich hier.

Als wir uns verabschieden, frage ich Patricia: Wann werden wir uns wiedersehen? In einem Monat, meint sie. Sie geht am nächsten Tag nach Aarau. Vier Wochen mietet sie sich eine Wohnung und geht dort ihrer Arbeit nach. Wieso? Abwechslung.

Teil 1: Porträt einer Sexarbeiterin: «Ich kann zärtlich, aber auch wild sein»

Teil 3: Porträt einer Sexarbeiterin: «Ich habe die Prostitution nie gemocht»


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