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Der Akademiker einer anderen Art

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Lukas Bärfuss ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller der Gegenwart. Studiert hat er selber nie, und doch erhält er nun einen Ehrendoktortitel der Universität Freiburg. Im Gespräch mit den FN verrät er, welche Bedeutung das für ihn hat.

Lukas Bärfuss, im Rahmen des Dies academicus sind Sie am Dienstag zum Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg ernannt worden. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Sie bedeutet mir viel. So etwas war überhaupt nicht vorgesehen. Ich habe keine Ausbildung gemacht in meinem Leben. Ich habe zwar später noch ein Diplom nachgeholt als Sortimentsbuchhändler, aber ich habe keine Mittelschule von innen gesehen. Ich bin damals aus der Primarschule – und zwar einer sehr schlechten Primarschule – mit 15 entlassen worden. Jetzt diese akademische Ehre zu bekommen nach all den Jahren, ist wirklich etwas Besonderes.

Dieser Titel wird Ihnen zudem hier in Freiburg verliehen – einer Stadt, in der Sie einmal selbst Bücher in der Buchhandlung Lindwurm verkauften. Welche Rolle spielen die Stadt und die Region Freiburg in Ihrem Leben? 

Eine wirklich grosse. Ich bin hier aus einem Comics-Buchsortiment in ein Allgemeinsortiment gekommen und auch in eine Genossenschaft. Es war ein selbstverwalteter Betrieb, von denen es in den 90er-Jahren noch eine ganze Reihe gab in der Schweiz. Dort habe ich gelernt, dass es möglich ist, ohne Hierarchien und ohne den Gewinn in den Vordergrund zu stellen zu wirtschaften. Es gab einen anderen Ansatz der Arbeit. Man wollte gesellschaftlich etwas bewirken und hatte mit seiner Arbeit auch politisch etwas zu sagen. Ich habe dort unglaublich viel gelernt, bis heute.

Als Schriftsteller treten Sie oftmals gesellschaftskritisch in Erscheinung und polarisieren auch. In Ihrem neusten Werk «Vaters Kiste» prangern Sie den Begriff der Abstammung an und bezeichnen die Herkunft als «Ungerechtigkeit». Inwiefern ist etwas Unbeeinflussbares ungerecht?

Sie meinen, die Herkunft sei unbeeinflussbar?

In gewisser Weise können wir nicht darüber entscheiden, wo wir und wann wir geboren werden. Dementsprechend ist es für uns in der Hinsicht unbeeinflussbar.

Das stimmt, aber nicht unbeeinflussbar ist, was eine Gesellschaft damit macht. Ob sie die Herkunft als schicksalsbestimmendes Merkmal akzeptiert oder nicht und ob sie den Menschen ermöglicht, ihrer Herkunft zu entkommen. Für mich gibt eine demokratische und humanistische Gesellschaft ihren Mitgliedern diese Möglichkeit und reduziert sie nicht auf ihre Herkunft. Weder auf ihre nationale noch auf ihre familiäre noch auf allfällig weitere. 

Die Möglichkeit zu haben, seiner eigenen Herkunft zu entkommen, ist ein Postulat der Freiheit und der Gleichheit. Das steht am Anfang unserer Staatsform, der Demokratie.

Wie Sie sagten, haben Sie selber nie studiert. Nun sind Sie Ehrendoktor an einer Universität. Sind Sie Ihrer Herkunft entkommen?

Ganz gewiss. Wenn ich sehe, wie meine Eltern gelebt haben und wie ich und wie meine Kinder leben, dann erkenne ich, dass ich in ganz anderen Verhältnissen existiere als sie. Die entscheidende Tatsache, die das möglich gemacht hat, war meine nationale Herkunft. Ich habe zwar familiär ein sehr schlechtes Los gezogen, bei der nationalen Herkunft allerdings ein sehr gutes. Beides war natürlich ungerecht – das Gute wie das Schlechte. Und nur weil ich im einen Glück gehabt habe, kann ich nicht sagen, es sei eine tolle Sache, wenn die nationale Herkunft eine so schicksalhafte Bedeutung bekommt. Und das tut sie auch tatsächlich. Nicht wahr? Wir haben jetzt gerade mit dem PEN (PEN-Zentrum, für Poets, Essayists, Novelists, deutsche Schriftstellervereinigung, Anm. d. Red.) eine Aktion für Menschen aus Afghanistan, die hier Asyl beantragt haben. Diese Menschen haben eine Nationalität, die international einen extrem niedrigen Status innehat. Sie müssen ganz andere Dinge bewegen, um ihrer Herkunft zu entkommen, als ich es getan habe. Ich musste nur meiner familiären Herkunft entkommen – sie ihrer nationalen. Das ist um ein Vielfaches schwieriger. Und das müssen wir ändern, wir sollten versuchen, Menschen nicht schicksalhaft auf ihre nationale Herkunft zu reduzieren.

Wie würde für Sie eine gerechte Gesellschaft aussehen? Kann es eine gerechte Gesellschaft überhaupt geben? Ist das nicht eine Utopie?

Selbstverständlich ist es ein Ideal. Aber wir brauchen diese Ideale, um uns in diese Richtung zu bewegen. Ich weiss nicht, ob es eine gerechte Gesellschaft geben kann, aber es kann ganz sicher eine gerechtere Gesellschaft geben – und eine freiere. Wir können nie frei sein, aber wir können uns ständig weiter befreien. Das bleibt immer ein Postulat. Die Gleichheit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gerechtigkeit. Und gerade wenn es ums Erbe geht, erkennen wir, dass wir uns mehr und mehr in eine städtische Gesellschaft entwickeln. In eine Gesellschaft, die definiert ist durch die Herkunft, und nicht in eine Meritokratie, bei der man den Platz in der Gesellschaft bekommt, den man sich verdient hat. Das ist schon lange vorbei.

Sie sprechen wie in Ihrem letzten Werk von Erbe. Soeben haben Sie einen Vortrag an der Universität gehalten, primär vor Studierenden – der Zukunft unserer Gesellschaft. Welche Botschaft wollen Sie den Menschen und vor allem auch den jungen Menschen vererben?

Das kann ich nur für meine Kinder beantworten, und dann ist es natürlich ganz einfach: Liebe und Zuneigung. Das ist das Allerwichtigste. Und vielleicht auch so etwas wie eine Freude.

Die Freude ist eine Sache, die in unserer Gesellschaft, gerade auch in der Bildungspolitik, kaum mehr eine Rolle gespielt hat.

Die Freude am Lernen, die Freude an Neuem, die Freude an der Neugier. Die Freude, die wir haben, wenn wir staunen können: ‹Wow, das hätte ich mir jetzt irgendwie nicht so vorgestellt.› Und wenn ich sehe, was mir das Lesen und das Schreiben und das Nachdenken jeden Tag für Freude bereitet, dann möchte ich das sehr gerne teilen.

Dies academicus 2022

Der Dies academicus ist ein akademischer Feiertag, an dem Universitätsangehörige jährlich zusammenkommen. Hierbei erhalten verdiente Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft die Ehrendoktorwürde für besondere Leistungen. Rektorin Astrid Epiney eröffnete die festliche Zeremonie am Dienstag in der Aula Magna mit erleichterter Miene. Sie sei besonders froh, dass das Studienjahr 2022/23 nach den vergangenen Jahren wieder unter normalen Bedingungen habe beginnen können. «Präsenzunterricht ist mit der Möglichkeit zu realen Debatten und Begegnungen für die Studierenden und das Universitätsleben von entscheidender Bedeutung», sagte sie. Die Universität sei der ideale Ort für solche Debatten, ergänzte sie. Bundesrätin Viola Amherd unterstrich die Wichtigkeit der Universitäten als «Denkfabriken, die seit jeher massgeblich zu unserem Wohlstand beitragen». Amherd war als ehemalige Absolventin der Universität Freiburg als Ehrenpräsidentin geladen. 

Nebst der Auszeichnung für Lukas Bärfuss wurden noch vier weitere Ehrendoktortitel verliehen. Marie-Jo Thiel erhielt den Doktortitel der Theologischen Fakultät für ihr Engagement in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Federica Sallusto bekam den Doktortitel der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Fakultät für ihre Forschung an der menschlichen Immunantwort verliehen. Zusätzlich geehrt wurden Klaus Schmidt (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät) für seine fundamentalen Beiträge zur Vertragstheorie sowie Doris Angst (Rechtswissenschaftliche Fakultät) für ihre aussergewöhnlichen Verdienste im Bereich des Schutzes der Menschenrechte im Allgemeinen. 

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